Zahlreiche Menschen tummeln sich zwischen Pavillons auf der A40 bei Essen. In der gegenüberliegenden Fahrtrichtung sind Radfahrer unterwegs.

Straßenfest auf der Autobahn: Als das Ruhrgebiet die A40 eroberte

Essen | Heimatliebe

Stand: 18.11.2024, 13:39 Uhr

Die A40, der "Ruhrschnellweg" - vor allem Autofahrer verbinden ihn eher mit nervigem Stau im Feierabendverkehr. Doch 2010 war hier alles anders. Kein Auto weit und breit, dafür Menschen und Bierbänke.

Von Katharina Hollstein

Es ist der 18. Juli 2010. Die A40 bei Essen. Dicht gedrängt stehen und sitzen Menschen. Auf der gegenüberliegenden Fahrbahn sind Radfahrer und Skater unterwegs. Blaskapellen spielen, es wird getanzt und gelacht. Rund drei Millionen Menschen sind es insgesamt. Alles ist bunt geschmückt. Die Autobahn, die sonst eine der wichtigsten Verkehrsadern im Ruhrgebiet ist, steht auf 60 Kilometern zwischen Dortmund und Duisburg still. Sechs Stunden lang. Zumindest für Autos.

Was passierte alles auf der gesperrten A40?

00:54 Min. Verfügbar bis 18.11.2026

Das Stillleben auf der A40 ist aber nicht einfach so entstanden. Es war eine Aktion im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas. Sie wird seit 1985 jedes Jahr von der Europäischen Union ernannt. 2010 ging der Titel an Essen, unter dem Namen "Ruhr.2010" stellvertretend für 53 Städte im gesamten Ruhrgebiet. Ziel der Initiative ist es, sowohl Gemeinsamkeiten als auch die Vielfalt der Kultur in der EU zu präsentieren und neue Projekte anzustoßen. So finden im Rahmen der Kulturhauptstadt viele Veranstaltungen statt.

Dabei gibt es ein aufwendiges Auswahlverfahren. Die EU-Mitgliedsländer sind nach dem Rotationsprinzip an der Reihe. Danach folgt die nationale Auswahl, unter anderem durch das Votum einer europäischen Jury. Die erste Kulturstadt Europas, so hieß der Titel bis 1999, war Athen. Und schon 2025 ist Deutschland wieder an der Reihe: Die nächste Kulturhauptstadt Europas wird Chemnitz gemeinsam mit Nova Gorica in Slowenien sein.

Von Grau zu Bunt: Leitplanken werden eingehäkelt

Alleine 20.000 Tische finden 2010 laut des Regionalverbandes Ruhr auf der A40 Platz. Und nicht nur das: Eine Gruppe von Seniorinnen macht aus Grau einfach Bunt. Liebevoll umhäkeln die Frauen 150 Meter Leitplanke und jede Menge Autobahnschilder in den Farben des Kulturhauptstadtlogos. Stolz macht sie das, erzählen sie damals. Jetzt können sie erst recht sagen: "Ich war dabei." So hat jeder seine eigene Geschichte, die ihn mit diesem Tag verbindet. Allen gemein ist der Moment, sich einmal die A40 zurückerobert zu haben.