Inklusiver Sport: Hier sind alle Sieger

Lippe | Füreinander

Stand: 10.05.2023, 09:36 Uhr

Maria Ravn-Jörgensen trainiert ehrenamtlich eine inklusive Handballmannschaft in Bad Salzuflen und hat dazu gleich eine ganze Liga gegründet. Unsere Autorin war bei einem Training dabei.

Von Lena Breuer

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Eine Umarmung zum Start

"So, Anna und Amy, ihr beide macht Euch jetzt mal zusammen warm," ruft Maria Ravn-Jörgensen durch die Halle. Ihr Stimme ist laut – das muss sie auch sein, denn es ist viel los in der Halle Aspe in Bad Salzuflen. Rund 25 Kinder, manche davon in türkisgrünen Trikots, auf denen "Superkidz" steht, rennen wild durch die Halle, rufen, lachen. Dazwischen steht die 27-jährige Ravn-Jörgensen, blonde lange Haare in einem Pferdeschwanz, einen blauen Trainingsanzug an. "Klar, das ist manchmal chaotisch, aber ich freue mich immer. Das macht einfach gute Laune", lacht sie und läuft dann zu einem Jungen, der sich einfach auf den Boden gesetzt hat. "Komm Theodor, wir machen uns warm", sagt sie, beugt sich zu ihm runter und nimmt ihn in den Arm.

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Warum die Idee aus Dänemark stammt

Sofort fängt der Sechsjährige an zu lachen. Die "Superkidz" gibt es seit Juli 2021. Ravn-Jörgensen selbst hat sie gemeinsam mit Andreas Stolle, dem Vorsitzenden des Verein "Handball Bad Salzuflen" ins Leben gerufen. Es ist eine Mannschaft in der Kinder mit körperlichen und geistigen Einschränkungen einmal in der Woche Handball trainieren können. Die Idee stammt ursprünglich aus Dänemark, hier gibt es die sogenannte "Lykkeliga" schon seit rund fünf Jahren.

Was ist die Lykkeliga?

"Lykkeliga" ist ein dänischer Begriff und bedeutet übersetzt "Glücksliga". Der Name wird in Dänemark für inklusive Sportmannschaften verwendet. Dort gründete die ehemalige Handball Nationalspielerin Rikke Nielsen, die selbst Mutter von einem Kind mit Down Syndrom ist, im Jahr 2017 das erste Handballteam für behinderte Kinder.

Mittlerweile ist es 9:30 Uhr in der Sporthalle in Bad Salzuflen und Ravn-Jörgensen und ihre Co-Trainerin haben kleine Handballtore auf das Spielfeld gezogen. "Los ihr drei", ruft Ravn-Jörgensen drei Jungen zu, die sich am Rande des Spielfeldes auf dem Boden hin und her rollen. "Zeit für ein Handballspiel!" Die Jungen springen auf, rennen zu ihrer Trainerin und beginnen sich darum zu streiten, wer ins Tor darf. Ravn-Jörgensen schlichtet solche Situationen mit einem Lachen und sanfter Stimme: "Theo, komm, heute bist Du mal auf dem Feld, ja?" Und Theo lässt sich überzeugen. Amy und Anna sind in der gegnerischen Mannschaft, ziehen sich gerade rote Leibchen über. Das Spiel kann beginnen.

Handballtrainerin Ravn-Jörgensen erklärt den Kindern geduldig, was zu tun ist. | Bildquelle: Lena Breuer/klarlogo GmbH

Ravn-Jörgensen stammt selbst aus Dänemark und Handball gehörte für sie schon immer dazu. "Mich hat es einfach traurig gemacht, dass es für Kinder mit Einschränkung keine Möglichkeit gibt, Handball zu spielen, dass diesen Kindern das einfach genommen wird", sagt die 27-Jährige. "Sport ist so wichtig und muss einfach für jeden oder jede möglich sein."

Maria Ravn-Jörgensen über ihr Ehrenamt 01:20 Min. Verfügbar bis 14.04.2025

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Das Spiel kann beginnen

"Es ist einfach so schön, dass mich hier niemand komisch anschaut", sagt die 12-jährige Amy. "Ich war mal bei einem Turnverein, da haben mich alle anderen Kinder angeschaut, weil ich eben anders bin. Hier passiert das nicht und das ist echt cool." Dann dreht sie sich um, läuft zurück zu ihrer Mannschaft.

Mittlerweile gibt es neun Handballmannschaften für Kinder mit Einschränkungen in ganz Deutschland, die sich in der sogenannten Glücksliga organisieren. Und auch hier spielt Maria Ravn-Jörgensen eine Rolle: Denn nach der Gründung ihrer eigenen Mannschaft, wollte die 27-Jährige mehr – und gründete gleich eine ganze Liga, ebenfalls nach skandinavischem Vorbild. Im Oktober 2022 fand in Bad Salzuflen das erste Turnier für die Mannschaften der Glücksliga statt. Ein großes Event, auf das die Ehrenamtlichen hier sehr stolz sind.

Für ihr ehrenamtliches Engagement erhielt Maria Ravn-Jörgensen den Ehrwin des Monats Februar. | Bildquelle: Lena Breuer/klarlogo GmbH
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Spiel, Spaß - Spielstand?

Das Handballspiel ist inzwischen im vollen Gange. Der Spielstand trotzdem unwichtig. "Sportlich haben wir gar keinen Ehrgeiz, die Kinder sollen Spaß haben, sich bewegen. Und wenn das ein bisschen was mit Handball zu tun hat ist das super, mehr brauchen wir nicht", sagt Ravn-Jörgensen.

Wenn sie gerade nicht hier in der Halle ist, arbeitet sie als Erzieherin, doch Handball war schon immer ihre Leidenschaft. "Ich bin in der Halle groß geworden, mir macht es so viel Spaß, etwas zu teilen, das ich gut kann." Am Rand sitzen die Eltern und Geschwisterkinder, trinken Kaffee, unterhalten sich.

Manchmal klatschen sie wenn ein Tor fällt, doch auch hier geht es vor allem um den Austausch. "Ich bin so froh, dass meine kleine Tochter hier sehen kann, dass es noch andere 'besondere' Kinder gibt, so wie ihr Bruder. Das ist wichtig für uns als Familie.", sagt Sandra Müller (Name von der Redaktion geändert). Sie ist die Mutter von Theodor, der sich gerade im Tor auf den Boden setzt. "Jetzt hat er keine Lust mehr", sagt sie lachend. "Aber das macht ja nichts. Die Kinder hier spielen in einer ganz anderen Liga."

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 25.02.2023: Lokalzeit am Samstag, 19.30 Uhr.