Ehrenamtlerin Barbara Moritz sitzt vor dem Eingang des "Vringstreff" in der Kölner Südstadt

"Es macht mich fassungslos, dass Schwarzfahren eine Straftat ist"

Köln | Ehrenamt

Stand: 21.09.2023, 09:21 Uhr

Obdachlose in Köln: Eine Initiative kämpft gegen die harten Strafen für Fahren ohne Ticket. Statt ins Gefängnis zu kommen, sollen Betroffene freigekauft werden. Wie Barbara Moritz im "Vringstreff" von Armut betroffenen zur Freiheit verhilft. Ein Protokoll.

Von Lisa Kowalski (Protokoll)

Ich lebe seit Langem in der Südstadt in Köln und engagierte mich in den 80er-Jahren in einer Bürgerinitiative, die sich für verschiedene Anliegen einsetzte. Als das Viertel saniert wurde, gerieten die Obdachlosen aus dem Blickfeld. Deshalb haben wir uns bei der Stadt dafür eingesetzt, Räume für den "Vringstreff" zu bekommen.

Im "Vringstreff" treffen sich Obdachlose zum Mittagessen, haben eine Postadresse oder können ihre Handys aufladen. Zudem bieten wir kulturelle Angebote für sie. Dadurch habe ich viel über das Leben von Obdachlosen erfahren. Was mich dabei wirklich schockiert hat: Wer mehrfach ohne Fahrschein erwischt wird, muss ins Gefängnis. Das Fahren ohne Ticket gilt als Straftat. Es droht bis zu einem Jahr Freiheitsentzug. Bundesweit müssen schätzungsweise 7000 Menschen pro Jahr deswegen ins Gefängnis. Im Moment wird überall in der Bundesrepublik darüber diskutiert und deswegen haben wir beschlossen, die "Freikauf-Aktion" ins Leben zu rufen.

Viele Obdachlose können die Geldstrafe für das Fahren ohne Ticket nicht bezahlen. Sie müssen stattdessen eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Mit der "Freikaufen Köln"-Initiative sammeln wir das benötigte Geld und kaufen sie frei.

Wir haben bereits vier Personen sozusagen freigekauft und die fünfte Person befindet sich auf dem Weg in die Freiheit. Alle sind sehr glücklich darüber. Das Schöne an unserer Arbeit ist, dass die Menschen unglaublich dankbar und freundlich sind. Sie wissen, dass wir ihr Leben genauso wertschätzen wie das jedes anderen Menschen.

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Obdachlose fahren ja nicht deshalb ohne Ticket, weil sie keine Lust haben zu bezahlen, sondern weil sie einfach kein Geld haben. Sie können sich kaum selbst ernähren, daher haben sie keine andere Wahl. Die Strafe bewirkt auch keine Verhaltensänderung, da Obdachlose sich danach auch weiterhin kein Ticket leisten können. Sie haben kein Auto, kein Fahrrad für weitere Strecken. Für diese Wege sind sie auf die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) angewiesen. Und die KVB bekommt ja durch die Haftstrafen am Ende trotzdem kein Geld. Auch der Staat hat davon aus meiner Sicht keine Vorteile. Schließlich ist es sehr teuer, jemanden in einer Justizvollzugsanstalt unterzubringen.

Wir fordern ja nicht, dass es völlig straffrei und ohne Konsequenzen ist, sondern, dass Fahren ohne Ticket eine Ordnungswidrigkeit ist wie beim Falschparken. Wenn jemand die Parkgebühren nicht bezahlt, ist das auch nicht legal. Aber man wird nicht bestraft, indem man ins Gefängnis kommt.