In den verlassenen Gemäuern von Schloss Senden hängt ein Hauch von Geschichte und Verfall. Abblätternde Tapeten, freiliegende Balken und ein muffiger Geruch erzählen von vergangenen Zeiten. Hier wohnt schon lange niemand mehr. Franz Waldmann, 76 Jahre alt, steht mitten in dem historischen Ambiente. Die staubigen Aktenordner, die auf dem Boden verstreut liegen, sind wie Zeitkapseln. Sie erzählen von der bewegten Geschichte des Schlosses. Von einer Zeit, als es einer Adelsfamilie gehörte, Hotel und Internat war. Waldmann nimmt einen Ordner in die Hand. "Diese ganzen alten Unterlagen müsste man eigentlich mal sichten und sortieren", meint der Rentner. Bloß - wann soll er das noch machen?
Das Schloss Senden, in dem Waldmann steht, hat eine bewegte Vergangenheit. Seine Ursprünge reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert. Eine Adelsfamilie ließ das Wasserschloss errichten und baute es immer weiter aus. 1957 baute ein Investor das Schloss zu einer Privatschule mit Internat und Hotel um. Mauern aus dem Mittelalter wurden mit grauem Zementputz überzogen, Wandmalereien überpinselt und Holzbalken aus dem Dachstuhl gesägt. Ende der 1990er wollten die Erben das verfallene Schloss verkaufen. Die Gemeinde Senden winkte ab, fürchtete die hohen Sanierungskosten. Diese Entscheidung rief Franz Waldmann auf den Plan.
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Waldmann wohnte bereits in Senden und fuhr fast jeden Tag am Schloss vorbei. "Wir haben eine endlose Diskussion darüber gehabt, 15 Jahre lang, was man tun müsste. Die Spirale ging immer nur abwärts." Bis der ehemalige Chemiker mit einer Leidenschaft für Ordnung den Untergang des Schlosses nicht mehr mit ansehen konnte. "Da blieb eigentlich nur eins: Wenn ich etwas ändern möchte, muss ich es selbst tun."
Franz Waldmann hat seinen Rundgang durchs Schloss beendet. Er klettert das Baugerüst außen an der Fassade hinauf, unterwegs zum Maurer, der an einer Giebelwand die Fenstersimse aus Sandstein erneuert. "Wie schön das aussieht, das ist echte Handwerkskunst." Waldmann blickt vom Baugerüst rüber zum Turm des Schlosses. Dort haben Dachdecker das Dach neu gedeckt. "Diese Schritte, ob klein oder groß, sind einfach wichtig. Sie zeigen, dass es weiter geht. Wir retten das Denkmal." Zuerst müssen Dächer gedeckt, Fenster erneuert, historische Fassaden restauriert werden. Die Liste ist lang. Erst, wenn sie abgearbeitet ist, kann er sich Kleinigkeiten wie die alten Unterlagen in den Aktenordnern auf dem Fußboden widmen.
Geld für die Restaurierung sammelt der Rentner über einen gemeinnützigen Verein, den er gemeinsam mit Freunden beim Kauf des Schlosses gegründet hat. 500.000 Euro brauchten sie für den Kauf des Gebäudes. Ein kleiner Teil im Vergleich zu dem, was in die andauernde Renovierung geflossen ist. Bis heute kamen rund sechs Millionen Euro zusammen.
Fördermittel von Bund, Land und Stiftungen, aber auch viele private Spenden. Aus dem Schloss soll irgendwann einmal ein öffentlicher Ort für Begegnung, Bildung und Kultur werden.
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Die Rettung des Schlosses hat sein Leben verändert
Die Rettung des Schlosses ist eine Mammutaufgabe. "Es hat mein gesamtes Leben verändert", sagt Waldmann. "Ein Gebäude in diesem Zustand, mit diesem Sanierungsbedarf, erfordert unglaublich viel an Energie, Arbeit und Zeit. Ich bin sieben Tage in der Woche in irgendeiner Form hier eingespannt." Waldmann schaut auf seine Armbanduhr. Der 76-Jährige ist seit fast zehn Stunden auf den Beinen, hat aber noch nicht Feierabend. "Ich treffe mich gleich noch mit einem potenziellen Spender. Mal sehen, was dabei herausspringt."
Trotz der vielen Arbeit hat Franz Waldmann nie bereut, das Schloss zu retten: "Kontinuität ist wichtig, Kraft ist wichtig, positive Einstellung ist wichtig, Hoffnung ist wichtig. Und dann funktioniert das auch."
Über dieses Thema haben wir am 04.11.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.