Porträt eines kleinen Jungen, der auf einem Schiff sitzend über das Meer fährt.

Organspende eines Siebenjährigen: "Damit etwas von Felix weiterlebt"

Minden-Lübbecke | Füreinander

Stand: 22.03.2025, 09:12 Uhr

An Pfingsten 2024 verändert sich das Leben von Familie Aust schlagartig. Im Urlaub klagt der siebenjährige Sohn Felix nach dem Schwimmen in einem See über Kopfschmerzen. Tage später ist der Junge hirntot. Seine Mutter Antje Aust trifft eine Entscheidung: Felix' Organe sollen gespendet werden. Warum sie heute wieder so entscheiden würde.

Von Julia Schlöpker

Unbekümmert scheint die Sonne am Pfingstmontag 2024 auf den Dümmer-See in Niedersachsen. Am sandigen Ufer haben Felix, seine Mutter Antje Aust und sein Stiefvater ihre Handtücher ausgebreitet. Der See sei immer einer der Lieblingsorte ihres Sohnes gewesen, sagt Aust. Als Felix an diesem 20. Mai aus dem Wasser kommt, erzählt er seiner Mutter von starken Kopfschmerzen. Dann verliert er das Bewusstsein.

Antje Aust erinnert sich noch gut an den Moment, als sie merkte, dass etwas mit Felix nicht stimmte

00:21 Min. Verfügbar bis 22.03.2027

Was da noch keiner wusste: Ein Aneurysma war in Felix' Kopf geplatzt. Danach geht am See alles ganz schnell. Ein Hubschrauber bringt den Jungen ins Johannes Wesling Klinikum nach Minden. Die Ärzte kämpfen um das Überleben des Jungen, der damals gerade in die erste Klasse ging. Der Katzen liebte, und Superhelden. Doch sie können die starke Blutung im Kopf nicht stoppen. Einen Tag später erhält die Familie aus Lemförde die schreckliche Nachricht: Felix ist hirntot. In dieser Ausnahmesituation trifft Antje Aust eine Entscheidung. Felix' Organe sollen gespendet werden. "Mich hat keiner darauf angesprochen, ich habe den Entschluss von mir aus geäußert", sagt die 30-Jährige.

Organspende in Deutschland: Tausende Menschen warten auf Spenden

Felix wird zu einem der 953 Menschen in Deutschland, die im Jahr 2024 ihre Organe gespendet haben, um anderen Menschen ein Weiterleben zu ermöglichen. Diese Zahl hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) veröffentlicht. Davon stammen etwa 170 aus NRW. Viel zu wenig für den Bedarf. Denn in Deutschland stehen rund 8500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Seit Jahren gibt es zu wenige Organspenden in Deutschland. Zwar sind über 80 Prozent der Menschen dafür, zugleich hatten 2024 laut der DSO aber nur 15 Prozent ihren Willen auch schriftlich festgehalten. Anders als Aust entscheiden sich Angehörige aus Unsicherheit im Ernstfall häufig gegen eine Organspende.

Antje Aust kann das gut nachvollziehen. Auch wenn sie sich am Ende für eine Spende entscheiden, hat die Mutter mit der Entscheidung gerungen. Vor allem in den drei Tagen, die es dauert, bis sie sich im Krankenhaus von Felix verabschieden kann. Der Junge hatte eine Lungenentzündung entwickelt. Eine quälend lange Zeit für die Mutter.

Der Moment, als Antje Aust Abschied von ihrem Sohn nehmen musste

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Antje Aust gibt alle Organe bis auf das Herz und die Augen zur Spende frei. Die beiden Nieren und die Leber wurden erfolgreich verpflanzt. Das Wissen, dass Felix' Spende das Leben anderer Menschen verbessert hat, gibt Aust Kraft. Als sie begann, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen, ließ sich die Mutter sogar das Organspende-Symbol auf den Arm tätowieren. Sie hofft zudem, dass der Bundestag noch einmal über die Widerspruchslösung bei Organspenden abstimmt. Wer zu Lebzeiten nicht widerspricht, würde dann automatisch zum Organspender werden. Aust findet diese Widerspruchslösung richtig.

Was Antje Aust heute über ihre schwere Entscheidung von damals denkt

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Ein Zuhause ohne Felix

In der Wohnung von Antje Aust in Lemförde erinnert fast ein Jahr nach dem Tod des Jungen vieles an Felix. Ein liebevoll eingerichteter Tisch steht im Wohnzimmer. Darauf sind Fotos mit Felix und ein Flugzeug aus Holz, das der 7-Jährige kurz vor seinem Tod baute, daneben sein Kindersitz. Sein früheres Zimmer ist voller Spielzeug, auch wenn Antje Aust einige Spiele sowie das Kinderbett verschenkt hat. Seit Felix' Tod schläft sie selbst hier, fühlt sich ihrem Sohn dadurch näher.

Zweimal ist sie seit dem Vorfall wieder am Dümmer gewesen. Inzwischen kommen auch die schönen Erinnerungen zurück, die glücklichen Momente mit Felix. Im Alltag bekommt Aust, die beruflich Lebensmittel verkauft, nicht nur von ihrem langjährigen Partner viel Unterstützung, sondern auch von der ambulanten Lebenshilfe Lemförde. Die Familie hatte es in der Vergangenheit nicht leicht. Felix hatte früh Sprachprobleme und ADHS. Deshalb begleitet die Lebenshilfe die Familie bereits seit sechs Jahren. Auch in der Klinik und in der Zeit danach.

Mit dem Verlust leben, den Schmerz aushalten - an manchen Tagen fällt ihr das schwer. Doch sie möchte nach vorne blicken. Und anderen Mut machen, einen Organspendeausweis auszufüllen oder sich in das neue Organspende-Register online einzutragen. Für Antje Aust ist die Entscheidung bis heute ein Trost. "Ich möchte, dass andere das haben, was Felix hatte: ein schönes Leben."

Über dieses Thema haben wir auch am 13.02.2025 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.