Zwei Frauen stehen in einem großen Kleintiergehege

Zweite Chance für ungeliebte Haustiere

Steinfurt | Ehrenamt

Stand: 06.04.2023, 18:49 Uhr

In Rheine kümmern sich zwei Tierfreundinnen ehrenamtlich um Kaninchen und Meerschweinchen. Oft sind die beiden die letzte Hoffnung für die Tiere.

Von Philipp Blanke (Text) und Simon Schoo (Multimedia)

Als Kaninchen "River" in die Notstation Glückspfötchen kommt, sind seine Zähne krumm und schief. Er frisst kaum noch, weil er es nicht mehr richtig kann. Seine Besitzer haben sich nicht um ihn gekümmert. "River" ist eines von dutzenden Kaninchen und Meerschweinchen, die von Melissa Reimer (30) und Katja Thalmann (34) aus eigener Tasche aufgepäppelt werden. Ihre private Kleintierhilfe ist Pionierarbeit. Die beiden sind die ersten Tierretterinnen in Rheine und Umgebung.

Viele Corona-Haustiere werden abgegeben

Ohne ihre Auffangstation würden noch mehr Kleintiere in NRW in überfüllten Tierheimen stecken. Denn mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht gaben viele Besitzer ihre Tiere ab. Dabei waren Hund, Katze oder eben Meerschweinchen in der Corona-Pandemie kleine Überlebenshelfer. In einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage von YouGov (April 2022) gab fast die Hälfte der Menschen an, dass sie Gesellschaft brauchten und deshalb ein Haustier angeschafft haben. Jeder Fünfte derselben Umfrage bereute die Anschaffung zu diesem Zeitpunkt schon wieder. Nicht nur viele Corona-Katzen und -Hunde verlieren deshalb nach der Pandemie ihr zu Hause, sondern auch viele Kleintiere.

"Meine Vermutung ist, dass die Leute ein schlechtes Bild von Tierheimen haben", sagt Melissa Reimer. Es stimme, dass einige vor allem mit Kaninchen und Meerschweinchen wenig Erfahrung haben, doch das treffe nicht auf alle zu. Sie rät bei den Heimen nachzufragen. Trotzdem können kleine Initiativen wie ihre in Rheine besser auf die Bedürfnisse der Tiere eingehen.

Ein hellgraues Kaninchen sitzt auf dem Boden eines Stalls. Es knabbert an einem grünen Salatblat.

In der Notstation bekommt "River" artgerechtes frisches Futter

Auch deshalb bekommen beide Retterinnen täglich Mails von Besitzern, die ihre Haustiere loswerden wollen. Die häufigsten Gründe neben Pandemie-Ende: die Kinder sind älter geworden, ein Umzug steht an oder das Herrchen ist verstorben. Krasse Fälle wie der abgemagerte "River" kommen laut Reimer jedoch nur selten vor. Aber auch alle Tiere, die gut aussehen, werden genau durchgecheckt.

Jedes Tier bekommt, was es braucht

lokalzeit.de 00:48 Min. UT Verfügbar bis 04.04.2025

Vor vier Jahren lernen sich Reimer und Thalmann in den Sozialen Medien kennen, weil beide Tier-Sitter für den Urlaub suchen. Sie werden Freundinnen. Aus ihrer Liebe zu kleinen Haustieren wird Engagement. Sie entdecken auf Kleinanzeigen-Portalen im Netz Tiere, die abgegeben werden sollen. Aus einem aufgenommenen Schützling werden schnell mehr. Es spricht sich rum. Aus der kleinen Hilfe wird ihre Notstation, die sie vor zwei Jahren offiziell beim Veterinäramt anmelden. Beide räumen dafür ihre Gärten für die Ställe frei. So hat die Notstation gleich zwei Standorte: Rheine und Hörstel.

So funktioniert die Notstation für Tiere

Futter, Ställe und Tierarztbesuche bezahlen die Retterinnen größtenteils selbst. Spenden machen nur einen kleinen Teil ihres Budgets aus. Nachdem sie die ersten mit ihrer Notstation waren, gründete sich noch eine weitere. Reimer und Thalmann hoffen, dass es noch mehr Tierfreunde wie sie geben wird. Bisher konnten sie 160 Tiere in ein neues Zuhause vermitteln.

Es macht einfach glücklich zu sehen, wenn das Tier artgerechter leben kann. Katja Thalmann, ehrenamtliche Tierretterin

Viele Plätze in ihren Gehegen sind dauerhaft besetzt. Dabei kommen aktuell mehr Menschen, die ihre Kleintiere abgeben wollen, als solche, die sie adoptieren möchten. Reimer und Thalmann hoffen, dass es zukünftig mehr Anfragen gibt.

Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 29.03.2023: Lokalzeit aus Münster, 19.30 Uhr.