Günther Kemper hält den Ehrwin in die Luft und lächelt

Wenn der letzte Wunsch wahr wird

Münster | Ehrenamt

Stand: 08.03.2023, 16:27 Uhr

Günter Kemper kümmert sich um Menschen, die bald sterben werden. Ehrenamtlich erfüllt er ihnen ihren letzten Wunsch. Unsere Autorin ist dabei, als er eine Patientin zum wohl letzten Familientreffen ihres Lebens fährt.

Von Lena Breuer

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Was sich Menschen am Ende wünschen

"Ich bin jedes mal selbst ein bisschen aufgeregt", sagt Günter Kemper. "Wir begleiten heute eine Seniorin zu ihrer nachgeholten Geburtstagsfeier." Es ist Sonntagmorgen, kurz nach 10 Uhr auf dem Parkplatz des Seniorenzentrums Kastanienhof in Münster. Auf dem Hof steht ein Krankenwagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Es ist nicht irgendein Wagen, auf der Seitentür steht in großen Buchstaben "Letzte Wünschewagen". Kemper und sein Kollege sind damit zum Seniorenzentrum gefahren. "Seit Monaten wartet sie auf diesen Tag heute, und jetzt geht es endlich los", sagt Kemper.

Günter Kemper ist einer von fast 150 ehrenamtlichen Wunscherfüllern für den Wünschewagen. Das Projekt des ASB hat den 60-Jährigen sofort fasziniert. Menschen in den letzten Wochen ihres Lebens können sich bei der Initiative melden. Mit dem Wünschewagen hilft der ASB ihnen dann, wenn Angehörige überfordert sind, wenn ein Fahrgast nur liegend transportiert werden kann oder pflegerische medizinische Betreuung nötig ist. Die Wünsche sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst: eine letzte Fahrt zum Meer, ein Besuch im Zoo oder einfach noch einmal den Wald sehen.

Günter Kemper über sein Ehrenamt

01:33 Min. Verfügbar bis 14.04.2025

Marianne Buddendieck hat sich extra für ihren letzten Wunsch schick gemacht. Die 85-Jährige trägt ihre rosa Lieblingsjacke, Perlenschmuck und hat sogar ein bisschen Schminke aufgelegt. Ohne medizinische Begleitung darf sie nicht mehr transportiert werden und hat sich deswegen an den ASB-Wünschewagen gewandt. Ihr letzter Wunsch: Noch einmal richtig Geburtstag feiern. Kemper geht auf die Seniorin im Rollstuhl zu, beugt sich zu ihr und begrüßt sie mit einem Lachen. "Freuen Sie sich schon?", fragt er. Buddendieck lacht ebenfalls und sagt: "Sie haben aber warme Hände."

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Über die Wünschewagen

Seit 2014 fahren die ASB-Wünschewagen durch Deutschland. Günter Kemper ist von Anfang an dabei. Eigentlich arbeitet er Vollzeit als Verkaufsleiter in einem Unternehmen in Münster. Mindestens einmal im Monat wird er in seiner Freizeit aber zum Wunscherfüller. "Für mich ist das nie stressig, auch wenn es mal bedeutet, dass ich kein Wochenende habe", sagt er. Ohne Menschen wie Kemper ginge es nicht. Das Projekt wird nur von Ehrenamtlichen umgesetzt und ist spendenfinanziert. Mittlerweile gibt es 24 der Wünschewagen in ganz Deutschland.

Buddendieck liegt jetzt in einem davon. Kemper sitzt neben ihr. Er hält ihr, bei ihrem wahrscheinlich letzten Ausflug, die Hand. "Für mich ist das eine große Ehre, eigentlich fremde Menschen bei so wichtigen, so schönen Momenten zu begleiten," sagt er. "Natürlich ist der Tod auch irgendwie ein schwieriges Thema für mich, aber Dank des Wünschewagens habe ich nicht mehr so viel Angst davor."

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Mit dem Tod leben lernen

Das war nicht immer so. Als ein enger Freund vor sieben Jahren im Sterben liegt, bringt das Kemper an seine Grenzen. "Ich hatte unglaubliche Angst vor dem Tod und konnte meinen Freund in den letzten Wochen gar nicht mehr besuchen." Ein Gefühl, dass Kemper nicht mehr loslässt. "Als er dann gestorben ist, habe ich angefangen, über den Tod nachzudenken, mich wirklich damit auseinanderzusetzen und dann habe ich vom Wünschewagen erfahren und wusste – das ist es."

Auszeichnung

Für sein ehrenamtliches Engagement wurde Günter Kemper mit dem Ehrwin des Monats Januar ausgezeichnet. Mit diesem Preis würdigt der die Lokalzeit des WDR Menschen aus NRW, die sich stark für andere machen.

Die Fahrt bis zum Restaurant, in dem heute Geburtstag gefeiert wird, dauert nur 20 Minuten. Vorsichtig schiebt Kemper die Liege aus dem Wagen, hilft Buddendieck in den Rollstuhl. Als die beiden durch die Tür in den Saal mit den gedeckten Tisch fahren, ist der Jubel bei ihr und ihren Verwandten groß. "Ich brauche erstmal ein Glas Prosecco", sagt die 85-Jährige. "Wie schön, dass Ihr alle da seid!"

Günther Kemper hilft einer Patientin beim Gehen - auf dem Weg zu ihrem letzten Wunsch

Günter Kemper (links) und ein Kollege helfen Marianne Buddendieck

Kemper bleibt im Hintergrund, lächelt, genießt die Atmosphäre. "Das ist schon immer etwas Besonderes, so viel Lebensfreude – und dabei geht es ja um den Tod", sagt Kemper. "Das ist das Tolle am Wünschewagen."

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 26.11.2022: Lokalzeit am Samstag, 19.30 Uhr.