Nachbarschaftshilfe in NRW: Die wichtigsten Fragen und Antworten

NRW | Ehrenamt

Stand: 02.09.2024, 07:24 Uhr

Nachbarn helfen Nachbarn. Ein lange bewährtes und einfaches Prinzip. Aber nicht ganz ohne Fallen. Denn ein paar Dinge müssen helfende Nachbarn beachten. Bei Geld und Versicherung zum Beispiel. Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten zur Nachbarschaftshilfe.

Von Stefan Weisemann

Mal eben eine Glühbirne wechseln. Mal eben ein Bild aufhängen. Mal eben die fleckige Wand überstreichen. Mal eben? Von wegen. Für viele Menschen sind auch kleinere Handwerksarbeiten eine größere Herausforderung. Glücklich also, wer Nachbarn hat, die tatsächlich mal eben helfen können. So wie die "Nachbarschaftswerkstatt" in Moers. Eine Gruppe, die sich extra gegründet hat, um mit Pinsel, Heckenschere und Hammer zu unterstützen.

Uwe Neidling ist von Anfang an mit dabei. Über eine Gewerkschaft haben er und seine Kollegen die Nachbarschaftshilfe gegründet. Und zwar "mit Herz", so steht es jedenfalls auf ihren blauen T-Shirts. "Das ist ein Bergleute-Ding, Nachbarn zu helfen", sagt er. "Man hat uns früher viel beigebracht und da wollen wir einfach was zurückgeben". Die Gruppe hat schon Plätze in Moers verschönert und veranstaltet regelmäßig ein Reparaturcafé. Ihr Motto: Zusammen anpacken.

Warum Nachbarschaftshilfe? 00:12 Min. Verfügbar bis 02.09.2026

Wiederbelebte Nachbarschaftshilfe also in Moers. Worauf muss man achten, wenn man Nachbarn hilft oder Nachbarn Hilfe brauchen? Was passiert bei Schäden? Und wie gibt es für die Nachbarschaftshilfe ganz offiziell etwas Geld? Hier die Antworten zu den wichtigsten Fragen.

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Welche Formen der Nachbarschaftshilfe in NRW gibt es?

Sonntags fehlt ein Ei für den Kuchen. Die Nachbarin hat eins übrig. Während des Urlaubs muss der Briefkasten geleert werden. Der Nachbar übernimmt. Schnee schippen, die Kinder von nebenan für eine Stunde betreuen, Pflanzen gießen. Nachbarschaftshilfe kann so vielfältig und so einfach sein. Nebenan klingeln genügt.

Nachbarschaftshilfe kann auch richtig organisiert sein, so wie bei der "Nachbarschaftswerkstatt" in Moers. Oder bei den "Öcher Frönnde" in Aachen mit einem ganz besonderen Konzept. Wer dort ehrenamtlich seine Nachbarn, Freunde oder Bekannten unterstützt, bekommt Stunden auf einem Zeitkonto gutgeschrieben. Diese Stunden kann man abrufen, wenn man selbst mal Hilfe braucht. Ein cleveres Tauschsystem. Auch für Rita Erken und Bernhard Fröhlig, die viel zusammen unternehmen.

Was die Öcher Frönnde zusammen unternehmen 00:30 Min. Verfügbar bis 02.09.2026

Eine Nummer größer sind verschiedene Nachbarschafts-Netzwerke im Internet. Sie bringen ganze Straßenzüge zusammen. Das größte in Deutschland ist nebenan.de. Nach Angaben des Betreibers sind deutschlandweit drei Millionen Menschen angemeldet. Die Plattform funktioniert wie ein schwarzes Brett: Die Mitglieder können kostenlos Dinge verleihen, verkaufen, tauschen oder verschenken. Und gegenseitige Nachbarschaftshilfe organisieren.

Offizieller wird es bei der anerkannten Nachbarschaftshilfe. Dabei geht es darum, pflegebedürftige Nachbarn oder Bekannte im Alltag zu unterstützen. Also den Einkauf für sie übernehmen oder sie zu einem Arzttermin fahren zum Beispiel. Wer sich regelmäßig so engagiert, kann dafür ganz offiziell Geld bekommen. Es ist ein Ausgleich für die entstandenen Kosten.

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Darf ich für Nachbarschaftshilfe Geld annehmen?

Im Rahmen der alltäglichen Nachbarschaftshilfe bleibt es meistens bei einem herzlichen "Dankeschön". Oder einer Einladung zum Bier oder Kaffee. Was aber, wenn doch mal ein Zehner als zusätzliche Anerkennung den Besitzer wechselt? Grundsätzlich kein Problem. "Es gibt keinerlei rechtliche Einschränkungen für Nachbarschaftshilfe, Gartenpflege oder unregelmäßiges Babysitten für ein kleines Dankeschön finanzieller Art", sagt Michael Sittig von der Stiftung Warentest.

Eine kleine Bezahlung, etwa fürs Blumengießen während des Urlaubs, ist kein Problem | Bildquelle: WDR / dpa

Das Geld muss auch nicht versteuert werden. Aber Achtung: Aus der kleinen Nachbarschaftshilfe darf am Ende nicht doch eine regelmäßige größere Arbeit werden. Und die Arbeit darf auch nicht darauf abzielen, damit Geld zu verdienen. Denn dann kann aus der gut gemeinten Hilfe am Ende sogar illegale Schwarzarbeit werden. Solange die Hilfe unregelmäßig bleibt und maximal ein bisschen Geld den Besitzer wechselt, ist alles in Ordnung.

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Wer haftet, wenn Nachbarn etwas kaputtgeht?

Wer sich eine Bohrmaschine vom Nachbarn leiht, geht damit sicher besonders vorsichtig um. Aber passieren kann immer was. Fällt die Bohrmaschine herunter und geht kaputt, ist die große Frage: Zahlt das die Haftpflichtversicherung? "Geliehene oder gemietete Dinge sind oft vom Versicherungsschutz ausgenommen", sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW. Das heißt: Der Schaden muss selbst gezahlt werden. Allerdings bieten mittlerweile immer mehr Versicherungen an, auch geliehene oder gemietete Sachen abzusichern. Hier hilft ein Blick in die Versicherungsbedingungen.

Nachbarschaftshilfe ist beliebtes Ehrenamt in NRW

Der Ehrenamtatlas 2024 zeigt es: In NRW engagieren sich 54 Prozent der Menschen ehrenamtlich. Ganz vorne sind die Arbeit im Sportverein und in der Kirche. Auf Platz drei folgt schon die Nachbarschaftshilfe. 18 Prozent der Ehrenamtlichen haben angegeben, dass sie hier aktiv sind. Sie helfen nicht nur ihren Nachbarn, sie verschönern auch Plätze in der Nachbarschaft oder organisieren Tauschbörsen.

Bis vor einigen Jahren waren auch so genannte Gefälligkeitshandlungen nicht abgesichert. Dazu zählt auch die klassische Nachbarschaftshilfe. Wenn dabei etwas kaputtgegangen ist, haben Versicherungen lange nicht gezahlt. Zum Beispiel, wenn den freiwilligen Umzugshelfern der teure Fernseher aus der Hand rutscht. Mittlerweile springen Haftpflichtversicherungen aber auch in solchen Fällen ein. Denn: "Die Versicherungen sehen das Konfliktpotenzial, das gerade bei Bekannten oder Nachbarn besteht", sagt Weidenbach.

Grundsätzlich gilt aber: Nur wer mit Sachen vorsichtig umgeht, kann auf Schadenersatz durch die Versicherung hoffen. Bei grober Fahrlässigkeit oder wenn jemand sogar absichtlich etwas kaputt macht, dann zahlen die Versicherungen nicht. Egal, was das dann für den nachbarschaftlichen Frieden bedeutet.

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Was ist anerkannte Nachbarschaftshilfe?

Der ältere Nachbar ist nicht mehr so gut zu Fuß. Die jüngere Nachbarin bringt ihm deshalb regelmäßig etwas vom Einkaufen mit. Sie hat ihn auch schon öfter mit dem Auto zu einem Arzttermin mitgenommen. Ein typischer Fall von Nachbarschaftshilfe, für die die jüngere Nachbarin eigentlich keine Gegenleistung erwartet. Die kann sie aber bekommen. Wenn aus der Nachbarschaftshilfe nämlich eine anerkannte Nachbarschaftshilfe wird.

"Die Hilfe bezieht sich auf die Unterstützung alltäglicher Tätigkeiten wie Hilfe bei Einkäufen, Begleitung beim Spazierengehen oder zu Arztterminen, Unterstützung bei Behördengängen oder dem Postverkehr oder auch auf Unterstützung im Haushalt", erklärt Martin Schieron von der Verbraucherzentrale NRW. Für diese anerkannte Nachbarschaftshilfe kann der Helfer oder die Helferin bis zu 125 Euro Erstattung im Monat bekommen. Und damit zum Beispiel die eigenen Spritkosten ausgleichen.

Willkommene Hilfe im Alltag: Die anerkannte Nachbarschaftshilfe | Bildquelle: mauritius images / Chromorange

Die 125 Euro sind keine Pauschale, sondern ein Maximalbetrag. Das heißt: Wie viel Geld es für die Nachbarschaftshilfe am Ende genau gibt, vereinbaren Pflegebedürftige und helfende Nachbarn unter sich. Die pflegebedürftige Person muss das Geld vorstrecken. Sie kann es dann im Anschluss von der Pflegekasse zurückbekommen, wenn sie Belege vorlegt.

Was sind die Voraussetzungen für anerkannte Nachbarschaftshilfe?

Bei der anerkannten Nachbarschaftshilfe gibt es also Papierkram. Und auch noch einige Regeln zu beachten. Ganz wichtig ist, dass die pflegebedürftige Person einen Pflegegrad hat. Ob er bei der niedrigsten Stufe 1 oder der höchsten Stufe 5 liegt, spielt keine Rolle.

Außerdem müssen die Helfer bei der Pflegekasse gemeldet werden. Die überprüft dann, ob sie überhaupt als anerkannte Nachbarschaftshelfer in Frage kommen. Helfer dürfen nämlich nicht bis zum 2. Grad mit der pflegebedürftigen Person verwandt sein, also nicht Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel oder Geschwister sein. Und sie dürfen auch nicht im selben Haushalt leben.

Immerhin wurde zuletzt etwas Bürokratie abgebaut. Bis 2023 mussten die Helfer noch an einem Pflege- und Nachbarschaftskurs teilnehmen. Das hat die NRW-Landesregierung gekippt. Jetzt reicht es aus, die entsprechende Info-Broschüre gelesen zu haben. Auf rund 50 Seiten steht dort alles über die Rahmenbedingungen der anerkannten Nachbarschaftshilfe. Ebenso, wie man mit älteren oder behinderten Menschen am besten umgeht.

Wichtig ist auch, dass die anerkannte Nachbarschaftshilfe trotz der bis zu 125 Euro möglichen Erstattung ein Ehrenamt bleibt. Deshalb dürfen Helfer maximal zwei Pflegebedürftige unterstützen, ohne auf die Erstattung Steuern zahlen zu müssen. Bei mehr fallen Steuern an. Denn das hat dann mit klassischer Nachbarschaftshilfe nur noch wenig zu tun.