v.l. Sabine Borkmann und Jana Trittner

1,90 Euro für ein Stück Normalität: Ehrenamtliche schmeißen Frühstück für Wohnungslose

Mettmann | Ehrenamt

Stand: 30.04.2024, 09:39 Uhr

"Unglaublich dankbar." So beschreibt Jana Trittner die Reaktion der Wohnungslosen auf ihr Engagement beim Freitagsfrühstück der Caritas Mettmann. Wie sie ihnen mit einfachen Mitteln ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.

Von Inke Köster

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Wohnungslosigkeit: Ein wachsendes Problem

Jana Trittner weiß, wie es ist, wenn einem der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Trittner hat eigentlich einen anderen Nachnamen. Vor zwei Jahren starb plötzlich ihr Mann, beruflich nimmt sie sich gerade eine Auszeit. "Ich habe gerade Zeit. Und die möchte ich sinnvoll nutzen", sagt die 50-Jährige. Bei der Wohnungslosenhilfe der Caritas in Mettmann wird sie fündig. Jeden Freitag hilft sie beim Frühstück für Wohnungslose und Bedürftige. Ihr erstes Ehrenamt überhaupt.

Warum sich Jana Trittner bei der Wohnungslosenhilfe engagiert

00:20 Min. Verfügbar bis 30.04.2026

Der Bedarf an Angeboten wie dem der Caritas in Mettmann wächst stetig. Laut Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales erreicht die Zahl an Wohnungslosen in Nordrhein-Westfalen regelmäßig einen neuen Höchststand. Mehr als 84.000 Menschen hatten im Januar 2023 keine eigene Wohnung. Die hohe Zahl ist auch Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine.

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Frühstück mit Herz

Das spüren auch die Ehrenamtlichen in Mettmann. Zum Frühstück zwischen 10 und 12 Uhr kommen häufig Menschen aus Osteuropa. Das Freitags-Frühstück in Mettmann soll für alle Besucher ein geschützter Rückzugsort sein, egal woher sie kommen. Seit März dieses Jahres gibt es das Angebot.

Der Raum ist groß, 100 Quadratmeter, darin zwei große Holztische mit Stühlen. In der hinteren Hälfte steht eine Küchenzeile in U-Form. Dort nehmen Trittner und ihre Kollegin Sabine Borkmann die Frühstücks-Wünsche der Besucher entgegen. Es gibt verschiedene Brötchen, Kaffee, Tee und Eier. Bestellung aufgeben, Platz nehmen, bedient werden. Für die Ehrenamtlerinnen wesentlich aufwendiger, als einfach alles auf den Tisch zu stellen und die Gäste selbst schmieren zu lassen. Aber genau das war die Grundidee ihres Konzepts: "Wir wollten diesen Café-Charakter. Dass die Gäste sich einfach mal bedienen lassen können, sich als wertige Mitglieder der Gesellschaft fühlen."

Der erste Gast kommt um kurz vor 10 Uhr. Ein Mann, über 80 Jahre. Er bestellt zwei halbe Brötchen mit Käse, ein Ei und einen Kaffee. Trittner garniert die Brötchen mit Salat, Gurke, Tomate und Radieschen. 1,90 Euro kostet ihn das. In einem Café hätte er wohl mindestens das Dreifache gezahlt.

Zwei belegte Brötchenhälften.

Die Wohnungslosenhilfe schafft bezahlbares Frühstück in Gesellschaft

Die beiden Ehrenamtlerinnen stört es nicht, dass der Mann ein bisschen zu früh dran ist. Ihre Arbeit hat ohnehin schon um 8.30 Uhr begonnen. Einkauf beim Discounter. Das Geld dafür stammt aus Spenden und ist nicht üppig, deshalb achten sie auf Angebote.

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Unglaubliche Dankbarkeit

Nicht alle Besucher, die in die Wohnungslosenhilfe zum Frühstück kommen, sind tatsächlich wohnungslos. Manche suchen nach Gesellschaft, bei anderen ist das Geld so knapp, dass sie sich nichts anderes leisten können. Ehrenamtlerin Trittner ist egal, warum die Besucher kommen. Sie ist interessiert an ihnen als Menschen, möchte etwas über sie erfahren, ohne aufdringlich zu sein. Was sie erzählen, sollen sie freiwillig erzählen.

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Wer wohnungslos ist, werde das meist nicht ohne Grund, weiß sie deshalb inzwischen. Scheidung, Tod, Unfall, Sucht, Krankheit - ein schlimmes Erlebnis reicht, um ein geordnetes Leben aus der Bahn zu werfen. Trittner ist es wichtig, Betroffenen zu zeigen, dass sie weiter zur Gesellschaft gehören, keine Menschen zweiter Klasse sind. "Dafür sind sie unglaublich dankbar."

Vier Personen sitzen an zwei Langen Tischen bei der Wohnungslosenhilfe.

Das Frühstücksangebot der Wohnungslosenhilfe wird gerne angenommen

Im Laufe des Vormittags kommen immer wieder vereinzelt Gäste in den Raum der Caritas. Trittner und Borkmann arbeiten jede Bestellung routiniert ab. Während die eine schmiert, kümmert sich die andere um Kaffee und Tee. Ganz wichtig: auf jedes gekochte Ei, das sie herausgibt, malt Trittner einen Smiley. So viel Zeit muss sein.

Darum bekommt jedes Ei einen besonderen Smiley

00:11 Min. Verfügbar bis 30.04.2026

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Es ist egal, warum jemand kommt

Insgesamt neun Menschen kommen zum Frühstück - zwei Frauen, sieben Männer. Die meisten sind zwischen 50 und 60 Jahre alt. Einer von ihnen ist Karsten Hoberg. Hoberg ist 63 Jahre alt und arbeitet Teilzeit als Reinigungskraft in einem Kindergarten. Das Geld ist knapp. In einem richtigen Café frühstücken zu gehen, kann er sich nicht leisten – hier schon. Und vom Ambiente sei es mindestens genauso schön, findet er.

Karsten Hoberg: "Wer kann sich frühstücken gehen heute noch leisten?"

00:19 Min. Verfügbar bis 30.04.2026

Einige der Frühstücksbesucher hatte Trittner schon vor ihrem Ehrenamt in der Stadt gesehen. Sie sitzen am Busbahnhof in Mettmann oder in der Innenstadt. Früher schenkten sie einander keine große Beachtung. Heute grüßen sie sich, auch außerhalb der Caritas-Räume. "Erst war es ungewohnt", erzählt sie, "aber irgendwie ist es auch schön."

Die Wohnungslosenhilfe der Caritas in Mettmann bietet neben dem Freitags-Frühstück jeden Mittwoch ein Frauen-Frühstück an. Montags bis donnerstags gibt es einen Mittagstisch. In der Beratungsstelle an der Lutterbecker Straße können sich Wohnungslose Hilfe suchen und zum Beispiel eine Adresse für Briefe und Pakete einrichten lassen. Aktuell betreut die Wohnungslosenhilfe in Mettmann rund 400 Menschen aus Mettmann, Erkrath und Haan.