Ehrenamtlich gegen den Krebs: Geretteter wird selbst zum Retter

Oberbergischer Kreis | Füreinander

Stand: 02.08.2023, 10:04 Uhr

Michael Enders aus Bergneustadt hat durch eine Krebserkrankung seine Lebensaufgabe gefunden. Er engagiert sich ehrenamtlich in der Leukämie- und Lymphomhilfe NRW. Für manche wurde er dabei zum Lebensretter.

Von Christine Roskopf

Michael Enders und Stefania Herod sind zum Kaffeetrinken verabredet. Wie so oft, wenn sich die beiden treffen, sprechen sie über ihr schicksalhaftes Kennenlernen vor sechs Jahren. Enders und Herod verbindet seitdem eine besondere Freundschaft. Vielleicht sogar eine lebensrettende. Denn die 70-Jährige ist überzeugt: Ohne Enders unermüdlichen Einsatz wäre sie heute nicht mehr am Leben.

Diagnose Krebs und wenig Hoffnung

2017 bekam Herod die Diagnose, sie habe ein unheilbares multiples Myelom. Der komplexen Fachbegriff bezeichnet einen bösartiger Tumor im Knochenmark. Ihre Blutwerte waren katastrophal, ihr Gesundheitszustand wurde immer schlimmer.

Sie erinnert sich an ein Wochenende im Krankenhaus, an dem sie mit hohem Fieber fast gestorben wäre. Ihre Ärzte sahen keine Behandlungsmöglichkeit mehr. Enders dagegen schon. Er gab Herod damals etwas ganz wichtiges im Kampf gegen ihre Krankheit: Hoffnung.

Engagement für Selbsthilfe seit 25 Jahren

Enders wusste aus eigener Erfahrung, wie wichtig der Austausch mit Betroffenen sein kann. Der heute 59-Jährige war im Alter von 34 Jahren selbst an Leukämie erkrankt. Er brauchte eine Stammzellspende, doch bei Datenbanken wie der DKMS waren zu dem Zeitpunkt noch vergleichsweise wenig Menschen registriert. Die Chance, einen passenden Spender für ihn zu finden, war 1999 eins zu fünfzehn Millionen, schätzt Enders. Aber wie durch ein Wunder fanden sich gleich zwei genetisch passende.

Michael Enders über seinen Spender und seine Motivation 00:49 Min. Verfügbar bis 15.06.2025

Schon kurz nach der Transplantation war ihm klar, dass er etwas von seinem Glück zurückgeben möchte. Er fing an, ein Netzwerk zu spinnen mit Selbsthilfegruppen, Broschüren, Fachvorträgen und Ärzten, die bei Notfällen schnell erreichbar sind. Zwischenzeitlich war er Vorsitzender der Leukämie- und Lymphomhilfe Köln, schrieb nach seiner Erkrankung ein Buch mit dem Titel "Leukämie was nun?". Heute ist er beim Verband Leukämie- und Lymphomhilfe tätig.

Michael Enders hat auch eine Selbsthilfegruppe für Erkrankte gegründet | Bildquelle: WDR / Christine Roskopf

Ein Flyer rettet ihr Leben

Durch Zufall fand Herod im Krankenhaus 2017 einen Flyer des Selbsthilfeverbands. Ohne allzu große Hoffnung rief sie dort an. Und der Mann am anderen Ende des Telefons klang viel optimistischer als ihre Ärzte. Lachend erinnert sie sich heute daran, wie gut das damals tat:

"Da lernen sie einen Menschen kennen, der zuhört und sagt, da muss es eine Möglichkeit geben. Bislang haben sie nur gehört: 'Sie sterben' und dann sagt einer: 'Nicht aufgeben.' Das war ein riesiger Wendepunkt."

"Er hat mir mein Leben zurückgegeben" 00:32 Min. Verfügbar bis 15.06.2025

Enders konnte Herods Sorgen nicht nur nachempfinden, er konnte ihr auch einen Arzt aus seinem Netzwerk empfehlen und sorgte dafür, dass sie in die Uniklinik Köln verlegt wurde. Dort bekam sie eine Stammzelltransplantation mit eigenen Stammzellen. Und endlich ging es bergauf. Die Krankheit hat Spuren hinterlassen, aber heute geht es ihr gut, sagt sie: "Ich bin da, ich bin lebendig, besser kann es mir nicht gehen."

Der Austausch mit anderen Erkrankten hilft

Seit 25 Jahren engagiert sich Enders inzwischen in der Krebs-Selbsthilfe. "Aufgrund meiner eigenen Erkrankung habe ich mir zur Aufgabe gemacht, Leute zu unterstützen, die betroffen sind und nicht wissen: Was passiert mit mir? Und die eine Menge Fragen haben", sagt er.

DKMS: Kampf gegen den Blutkrebs

Die DMKS (ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei) vermittelt seit 1991 Stammzellspender. Das Ziel: Blutkrebspatienten auf der ganzen Welt sollen mit einer Stammzelltransplantation geheilt werden. Registrieren kann man sich unkompliziert durch einen Wangenabstrich. Weltweit sind über elf Millionen Menschen bei der DKMS als potenzielle Knochenmark- und Stammzellspender registriert, alleine in Deutschland sind es über sieben Millionen.

Ihm und vielen anderen Ehrenamtlichen ist es zu verdanken, dass es mittlerweile 20 Selbsthilfegruppen in ganz NRW gibt. Dabei kämpft er auch gegen das weit verbreitetes Vorurteil, Selbsthilfegruppe seien ein Ort des Selbstmitleids. "Viele denken, da kommen Menschen, die sich gegenseitig runterziehen oder weinend da sitzen. Das habe ich in der ganzen Zeit nie erlebt", sagt Enders.

Über das Thema berichten wir am 15.06.2023 auch im WDR-Fernsehen: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.