Um kurz vor 19.30 Uhr schaltet Patientin Erika Block den kleinen Fernseher an, der in ihrem Zweibettzimmer an die Wand montiert ist. Neben dem Fernsehprogramm kann sie mit dem Gerät auch Radio empfangen. Block tippt drei Zahlen auf der Fernbedienung ein. Sie weiß genau, welches Programm sie ansteuern will. "Das ist für uns Patienten schön, etwas anderes zu hören und nicht nur hier im Bett zu liegen", sagt die Seniorin. "Es ist 19.30 Uhr", sagt plötzlich eine Stimme aus dem Fernseher. Einige Stockwerke über dem Zimmer, im Dachgeschoss des Krankenhauses, springt in diesem Moment eine Ampel von Grün auf Rot. Es geht los.
Ablenkung vom Krankenhausalltag
Die Stimme, die gerade die Zeit angesagt hat, gehört Wolfgang Nagel. Er ist einer der beiden Moderatoren des Radiosenders im Cellitinnen-Krankenhaus St. Hildegardis in Köln. Sieben Tage bleiben stationäre Patienten laut Statistischem Landesamt im Durchschnitt im Krankenhaus. Da ist Ablenkung, wie die der Sendung, willkommen. Alle arbeiten dabei komplett ehrenamtlich am Programm mit. Moderator Wolfgang Nagel kann sich kein schöneres Ehrenamt vorstellen. Der 74-Jährige wurde hier im Krankenhaus selbst schon an der Niere operiert und weiß, was das Radio den Patienten bedeutet.
Warum es für Wolfgang Nagel kein schöneres Ehrenamt als den Krankenhaussender gibt
00:23 Min.. Verfügbar bis 14.10.2026.
Nagel moderiert die Sendung gemeinsam mit Sabine Lerche. Sie sitzen sich an einem großen Tisch gegenüber, hinter der 27-Jährigen hängen noch einige Luftballons von der Jubiläumsfeier. Vor dem Sendestart sind beide noch den Ablauf durchgegangen, haben sich wichtige Stellen markiert und kleine Änderungen vorgenommen. "Du kannst gerne die Musik nach meinem Text ansagen, Wolfgang", sagt Lerche. Nagel nickt. Er möchte im Sende-Ablauf noch etwas ändern: "Ich würde gerne am Anfang noch einmal von unserer Veranstaltung zum 50. Jubiläum des Krankenhaussenders erzählen."
Sabine Lerche und Wolfgang Nagel moderieren den Krankenhaussender in ihrer Freizeit
00:20 Min.. Verfügbar bis 14.10.2026.
In diesem Jahr feiert der Sender sein 50-jähriges Jubiläum. An den meisten Tagen gibt es Musik, Informationen, Talk und Unterhaltung vom Band. Früher sogar nur. Aber inzwischen sendet der Kölner Krankenhaussender auch zwei Mal pro Woche live. Samstags mit Musikwünschen der Patienten und mittwochs "Guten Abend um halb acht".
1500 Stunden Ehrenamt
Das Studio, in dem Sabine Lerche und Wolfgang Nagel moderieren, ist durch ein Glasfenster mit der Regie verbunden. Tontechniker Michael Gerich sitzt am Mischpult und kontrolliert die verschiedenen Regler und blinkenden Lichter. Zudem legt der 49-Jährige die Musiktitel für die Sendung vor. Auch er engagiert sich ehrenamtlich. "Ich habe einfach wahnsinnig viel Spaß daran, Radio zu machen", sagt Gerich. Außerdem hat er einen großen Teil der nötigen Technik gebaut. Seit 33 Jahren ist er dabei, mit 15 Jahren hat er beim Krankenhausradio angefangen.
Michael Gerich geht zweimal pro Woche mit dem Krankenhaussender live
Damit ist Gerich ein alter Hase beim Sender. Trotzdem ist er noch nicht so lang dabei, wie Rolf Krahforst. Krahforst hat den Sender vor 50 Jahren mit gegründet. "Da gab es ein paar junge Leute, die hatten Spaß am Radio machen. Und wir haben uns überlegt, wie wir das sinnvoll umsetzen können, ohne dass es gleich zum Beruf wird?", erinnert sich der 68-Jährige. Dann sei ihnen die Idee mit dem Krankenhaussender gekommen.
Rolf Krahforst sorgt für die passende Musik
Seitdem stecken alle gerne ihre Freizeit in den Sender. "Wir wollen den Patienten Freude und Ablenkung bereiten. Und unser Lohn ist das positive Feedback der Kranken", sagt Krahforst. Er hat einmal ausgerechnet, dass sie gemeinsam rund 1500 Stunden im Jahr für den Sender im Einsatz sind.
Ein kleines bisschen Nostalgie
"Rolf, kannst Du mir mal die LP 723 raussuchen?", bittet Tontechniker Gerich seinen Kollegen Krahforst. Rund 8000 Langspielplatten und Singles stehen in den Regalen, alle erfasst und nummeriert. LP 723 sind die "Wiener Spaziergänge" von Peter Alexander. Schließlich geht es in der heutigen Sendung um das Reisen auf und an der Donau. Natürlich gibt es auch MP3 und CDs im Krankenhaussender, aber "die klassischen Tonträger werden wir hier nicht abschaffen", sagt Krahforst, "ein kleines bisschen Nostalgie möchten wir auf jeden Fall beibehalten."
Über dieses Thema haben wir auch am 04.09.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Köln, 19.30 Uhr.