Nino Hochstein mit Frühchen in der Hand

Ehrenamtliche "Frühchenkuschler" geben Babys Nestwärme 

Essen | Füreinander

Stand: 23.05.2024, 11:47 Uhr

Vorsingen, kuscheln, einfach da sein: Am Universitätsklinikum Essen begleiten ehrenamtliche Helferinnen vom Kinderschutzbund Babys und Kinder am Krankenbett. Sie sind da, wenn sich Angehörige zuhause um Geschwisterkinder kümmern oder arbeiten müssen. Ein Besuch auf der Frühchenstation.

Von Solveig Bader

Immer, wenn Nino Hochstein die kleine Yavica auf dem Arm hat, verbessern sich schlagartig die Werte auf dem Überwachungsmonitor. Herzschlag und Atmung des Frühchens werden ruhiger. Entspannt liegt das Mädchen im Arm der 42-Jährigen. Die Ehrenamtliche streichelt das Mädchen sanft am Kopf, fährt ihr mit den Fingern vorsichtig durch die schwarzen Haare. 

Was mögen die Frühchen am liebsten?

00:26 Min. Verfügbar bis 23.05.2026

"Das sind so zarte Wesen, einfach wunderschön, wie sehr die Kleine die Nähe genießt", sagt Hochstein. Yavica ist ein Drilling und Frühchen. Sie und ihre Schwestern wurden schon in der 24. Schwangerschaftswoche geboren. Bei der Geburt wogen die Mädchen nur je 600 Gramm.  

Ein- bis zweimal in der Woche kommt Hochstein in die Kinderklinik. Sie gehört zum 14-köpfigen Team vom Essener Kinderschutzbund. 1982 hat dieser den ehrenamtlichen Krankenhausbesuchsdienst ins Leben gerufen. Der ist für Kinder da, die nur wenig Besuch von Eltern oder Angehörigen erhalten, wenn Eltern zum Beispiel lange Anfahrtswege haben, arbeiten gehen oder Geschwisterkinder zuhause versorgen müssen.

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Hochstein arbeitet in der Verwaltung eines anderen Essener Krankenhauses. Neben ihrem Job und ihrer eigenen Familie füllt das Ehrenamt ihr Leben voll aus. "Ich habe selber eine zehnjährige Tochter", sagt Hochstein. "Ich finde es sehr schön, andere Eltern in schwierigen Lebensphasen zu unterstützen. Das gibt nicht nur Kindern und Eltern ein gutes Gefühl, sondern auch mir selbst." 

Drillingskinder werden gekuschelt

Manchmal werden alle Drillingskinder gleichzeitig gekuschelt

In Deutschland kommen laut der Krankenkasse AOK jedes Jahr rund 64.500 Kinder zu früh auf die Welt. Als Frühchen gelten die Kinder, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden. Damit sind zwischen sieben und acht Prozent der in Deutschland geborenen Babys Frühchen. Bei Zwillingen kommt es deutlich häufiger vor. Drillinge und weitere Mehrlinge kommen fast immer zu früh zur Welt. 

Nur 60 Prozent der Frühchen, die wie die Drillingsmädchen 16 Wochen zu früh geboren werden, überleben. Doch die drei Schwestern Yavica, Yatika und Yasheka haben es geschafft. 

Die ehrenamtlichen Helferinnen werden für diese besondere Aufgabe fachlich geschult und arbeiten eng mit dem Pflegepersonal des Krankenhauses zusammen. "Da sind wir um jede helfende Hand dankbar", sagt Schwester Sylvia Ludwig, die auf der Frühgeborenen-Station im Einsatz ist. Auch am Uniklinikum Essen sind die Pflegekräfte voll eingespannt und leiden unter dem Personalmangel. 

Warum sind Frühchenkuschler so wichtig?

00:31 Min. Verfügbar bis 23.05.2026

Kuscheln ist wichtig für Babys, die zu früh auf die Welt gekommen sind. Seit 2022 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass Frühchen noch vor der Versorgung in einem sogenannten Brutkasten direkten Hautkontakt mit ihrer Mutter oder einer Bezugsperson haben. Auch später ist der Kontakt wichtig. So sinkt demnach bei den Kindern das Infektionsrisiko und sie legen schneller an Gewicht zu. 

Herausforderung Drillingsmädchen 

Die Mutter der Drillinge, Lavanya Mehar, hat mit ihren drei Mädchen alle Hände voll zu tun. Sie hat indische Wurzeln und kommt jeden Tag in die Essener Klinik zu ihren Kindern. Dort stillt sie ihre Drillinge, nimmt sie auf den Arm und singt ihnen indische Lieder vor. 

Lavanya Mehar hält eines ihrer Drillings-Frühchen

Mutter Lavanya Mehar mit einem ihrer Drillings-Frühchen

Mehar ist froh über die Unterstützung der ehrenamtlichen Helferin. Sich um alle drei gleichzeitig zu kümmern, ist unmöglich. Manchmal sitzen sie und die ehrenamtlichen Kuschler zwei Stunden im Frühchenzimmer und halten abwechselnd einen Drilling im Arm. Der Vater arbeitet als Softwareingenieur und kann nur an den Wochenenden dabei sein. 

Immerhin haben es die drei Mädchen fast geschafft. Yatika, Yavika und Yasheka haben ordentlich an Gewicht zugelegt und bald geht es nach Hause.

Über das Thema haben wir am 30.01.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.