Daniela Teschner steht mit einer Kollegin auf der Rasenfläche eines Wohngebiets. Sie befüllen eine Lebendfalle mit Frikadellen, Leberkäse und Thunfisch. Alles darf rein, Hauptsache geruchsintensiv. Normales Hundefutter würde Fluffy nicht anlocken. Die Hündin ist vor drei Monaten entlaufen, ihr Besitzer hat die Suche bereits aufgegeben. Anders als Teschner.
Wie viele Hunde in NRW jährlich entlaufen, lässt sich nur schwer schätzen. Im Jahr 2022 gingen bei Tasso, einem der größten Haustierregister Europas, deutschlandweit mehr als 30.000 Vermisstenfälle ein. Die Dunkelziffer dürfte weit darüber liegen. Dass ein Halter seinen verschwundenen Hund nicht mehr wiederhaben möchte, erlebt Teschner selten, trotz ihrer langen Erfahrung. Die Krankenschwester spürt seit zehn Jahren verschwundene Hunde auf, ehrenamtlich. Über 300 entlaufene Tiere brachte sie so zurück zu ihren Besitzern.
Ein Ehrenamt wie ein Full-Time-Job
Hinweise zu verschwundenen Tieren bekommt sie über Facebook oder telefonisch. In den sozialen Medien sucht sie täglich nach neuen Vermisstenfällen. Die Suche läuft immer gleich ab: "Wir bekommen Sichtungen des Hundes gemeldet, die ich eine Karte einpflege, um ein Laufprofil zu erstellen. Daraus kann ich entnehmen, ob der Hund an bestimmte Stellen zurückkommt", erklärt Teschner. Hunde laufen meist im Kreis und kommen irgendwann wieder an den Ausgangspunkt der ersten Sichtung zurück. Wenn das der Fall ist, bauen Teschner und ihre Helfer dort eine Futterstelle samt Falle auf und installieren Kameras.
Was mache ich, wenn ich meinen Hund verloren habe?
"Man sollte nicht hinterherlaufen und den Hund rufen, das triggert ihn nur und er läuft weiter", rät Hundesucherin Daniela Teschner. Stattdessen solle man als Halter Ruhe bewahren und am Ort des Entlaufens stehen bleiben. "In der Regel kommen Hunde zurück, wenn die Bindung da ist. Ansonsten Tür und Tor zu Hause offen lassen. Die Hunde wissen, wo sie hingehören und folgen ihrem eigenen Geruch." Wenn der Hund nach einiger Zeit nicht zurück ist, rät Teschner, einen Hundesucher anzurufen. Wer einen entlaufenen Hund findet, solle am besten die Polizei rufen oder ein Tierheim informieren.
Anrufe und Mails beantworten, Fällen recherchieren, zu den Fundstellen fahren, Lebendfallen aufbauen, Videos der Überwachungskamera auswerten und die Tiere sichern: Das Ehrenamt schluckt fast Teschner komplette Freizeit. Ob es das wert ist? "Absolut", sagt Teschner mit Nachdruck.
Vor allem Angsthunde fliehen
Teschner kann zudem gut nachfühlen, was in den Haltern der vermissten Tiere vorgeht. Wie es ist, wenn der eigene Vierbeiner verloren geht, hat die 40-Jährige selbst erlebt. Vor vier Jahren rettete sie Hündin Lotte aus einer Tötungsstation in Rumänien. Als Teschner einen kurzen Moment die Tür offen stehen lässt, flitzt die Hündin los und verschwindet. Der Beginn einer Odyssee durch ganz Deutschland.
Oft seien es Angsthunde wie Lotte, die Reißaus nähmen, erklärt Teschner. Tiere, die aus fremden Ländern kämen und noch keine Beziehung zu Menschen aufgebaut hätten, die mitunter überfordert vom Lärm und der Hektik in Deutschland seien.
"Viele sagen, ich wäre verrückt"
Auch Zeus ist so ein Angsthund. Er war beim Spaziergang von einem fremden Hund angegriffen worden, erschreckte sich und lief weg. Einen Monat suchte Daniela Teschner nach ihm. Mit Erfolg, inzwischen ist der Hund zurück bei Besitzerin Laura Schäfer in Herford. Schäfer ist Teschner bis heute für die Hilfe bei der Suche dankbar und erinnert sich an das erste Wiedersehen mit ihrem Hund: "Er hat geweint, sich ans Gitter gedrückt und versucht, sich streicheln zu lassen", erzählt Laura Schäfer. "Ich hatte das Gefühl, dass er aus der Falle raus möchte, aber gleichzeitig auch furchtbar erleichtert ist."
Die meisten Halter fragten, warum sie so viel Zeit in die Suche investiere, erzählt Teschner. "Viele sagen, ich wäre verrückt", sagt sie und muss lachen. Aber der Moment, in dem man das Tier wieder zurückbringen könne, sei alle Mühen wert. Laura Schäfer sitzt neben ihr auf dem Sofa und versteht das. "Es ist nichts, was man mit Geld bezahlen kann", sagt sie. Daniela Teschner nickt und krault Zeus, der sie zufrieden anschaut.
Über das Thema haben wir am 16.01.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.