Vorsichtig nähern sich Antje Woocker und ihr Hund Herr Schoki einer Dame, die sich gebrechlicher bewegt, als es ihr Alter vermuten lässt. "Hallo Frau Müller, wie geht es Ihnen?", fragt Woocker. Frau Müller ist dement. Zumindest tut sie so. "Wohnen Sie auch hier?", fragt sie. "Ja. Schauen Sie mal hier. Ich habe Herrn Schoki mitgebracht. Er freut sich schon auf Sie", sagt Woocker mit ruhiger Stimme.
4 Pfoten für Sie: Ehrenamt gegen Einsamkeit
Erwartungsfreudig wedelt Herr Schoki bereits mit dem Schwanz. Alle drei machen gleich einen Spaziergang. Auch wenn Frau Müller nicht mehr so gut zu Fuß ist. Frau Müller heißt eigentlich ganz anders, nämlich Ute Assmacher-Becker. Und sie ist auch nicht dement, sondern arbeitet für den ehrenamtlichen Hundebesuchsdienst "4 Pfoten für Sie". Und die Situation, die Woocker und ihr Hund gerade erleben, ist Teil eines Tests.
Damit demenzerkrankte Menschen nicht alleine ihren Lebensabend verbringen, vermittelt "4 Pfoten für Sie" Besuchsteams aus Hund und Besitzer. 2009 wurde die Initiative in Köln gegründet. Seitdem sind Standorte in Düsseldorf, dem Rhein-Sieg-Kreis, dem Rhein-Erft-Kreis, Krefeld und Hamburg dazugekommen. An jedem Standort finden jährlich Castings statt, bei denen sich neue Teams bewerben können. Im Rheinland sind schon etwa 120 Besuchsteams im Einsatz. Jedes Besuchsteam kümmert sich um eine demenzerkrankte Person. Das soll die Bindung stärken. Die Zeit können sie frei einteilen.
Demenz und Einsamkeit im Alter: Eine wachsende Herausforderung
Damit auch Woocker und Herr Schoki dazugehören, hat sich die 45-jährige Hundebesitzerin gut vorbereitet. "Wir sind regelmäßig auf dem Hundeplatz und machen unsere Übungen. Und ich habe im Vorhinein schon im Internet gelesen, was uns so erwartet", sagt sie. Und sie erklärt, warum sie sich ausgerechnet hier ehrenamtlich engagieren möchte.
Geprüft werden sie von Änne Türke. Sie leitet die Castings. "Wir achten vor allem darauf, dass der Hund gut an der Leine geht", sagt Türke. "Spaziergänge gehören zu den häufigsten Aktivitäten im Besuchsdienst. Es ist wichtig, dass sich der Hund am Tempo der älteren Menschen orientiert - und in erster Linie an seiner Besitzerin oder seinem Besitzer."
In einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft leiden immer mehr Menschen an Demenz. Im Alter von 85 Jahren erkrankt etwa jeder fünfte an Alzheimer-Demenz, der häufigsten Demenzerkrankung. Ab 90 ist es bereits jeder Dritte. Viele demenzerkrankte Menschen sind im Alter einsam. Freunde und Familienmitglieder wenden sich ab. Manche wissen nicht, wie sie mit Demenzkranken umgehen sollen, anderen ist es peinlich.
Ein Besuchsteam auf Probe
Prüferin Türke hat mehrere Tests vorbereitet. Zum Beispiel liegt auf der Spazierroute eine Papiertüte mit Wurststücken. Woocker muss aufpassen, dass ihr Hund nicht zur Stolperfalle wird. Laufen Hunde quer, können die Demenzerkrankten stürzen und sich schwer verletzen. Auch ein Besuch im Seniorenheim gehört zur Prüfung dazu. Dass nicht immer alles so läuft, wie die Besitzer sich das erhofft haben, ist ganz normal. Entscheidend für Türke ist, wie sich der Mensch verhält. Es ist besser, ruhig, aber bestimmt zu handeln, als frustriert zu sein oder gar nichts zu machen.
Für Woocker und ihren Hund hat sich die Vorbereitung gelohnt, sie haben das Casting bestanden. Beide sind glücklich, aber auch geschafft. "Vielleicht gibt es gleich ein schönes Leckerli. Aber ich glaube, eine schöne Mütze Schlaf ist jetzt seine größte Belohnung", sagt Woocker.
Im Laufe des Sommers werden sie und ihr Hund drei Wochenenden an einer Schulung teilnehmen. Danach machen sie ihren Hundeführerschein. Wenn der bestanden ist, werden die beiden wieder ins Seniorenheim gehen. Diesmal aber nicht als Test.
Über das Thema haben wir am 15.06.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Köln, 19.30 Uhr.