Judith Marisch drückt auf die Klingel. Nur wenige Sekunden später öffnet sich die Tür und Waltraud Schulte-Umberg erscheint. Die Seniorin trägt eine rosa Jacke, ihre Lippen sind geschminkt, die Handtasche hängt über der Schulter. Sie hat die 26-jährige Marisch schon freudig erwartet. "Das Dorfauto ist da, das ist ja prima", sagt die 85-Jährige lächelnd. "Das ist mein Highlight des Tages, endlich kann ich hier mal weg." Für sie geht es gleich auf den Markt.
Einkaufen, über den Markt schlendern oder zum Arzt gehen: Für viele Senioren ohne eigenes Auto auf dem Land werden solche alltäglichen Dinge zur Herausforderung. Die Wege sind weit und öffentliche Verkehrsmittel fahren häufig nur zu Stoßzeiten. Genau hier springt das Dorfauto ein. Ehrenamtliche wie die 26-jährige Marisch fahren damit ältere Dorfbewohner zu ihren Terminen.
Lachend öffnet Marisch ihrem heutigen Fahrgast die Tür des orange-weißen Autos. Die beiden kennen sich, sind vertraut. Marisch trägt eine Jeans, ein rotes T-Shirt und passende Turnschuhe dazu, ihre braunen Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden. "Ich freue mich immer, wenn die älteren Menschen ins Erzählen kommen", sagt die 26-Jährige, während sie das Auto routiniert durch Goch steuert. "Wir fahren jetzt zum Markt, dann helfe ich Ihnen noch ein bisschen, okay?" Die Seniorin auf dem Beifahrersitz strahlt, sie genießt die Gesellschaft. "Ich sitze sonst nur zu Hause, das hilft hier sehr gegen die Einsamkeit."
40 Ehrenamtliche helfen in vier Dörfern
Seit über drei Jahren gibt es das Dorfauto in Goch und den umliegenden Dörfern. Das Konzept ist einfach: Insgesamt vier Elektroautos, gesponsort von den Stadtwerken, stehen in vier Dörfern bereit. Bewohner können sich für Fahrten anmelden. Über 40 Ehrenamtliche fahren sie dann kostenlos zu Arztterminen oder zum Einkaufen.
"Kommen Sie, ich nehme Ihnen die Tüte ab", sagt Marisch zu der Seniorin. Die beiden sind mittlerweile auf dem Markt angekommen und die 85-Jährige hat frisches Gemüse gekauft. Ihre 26-jährige Helferin arbeitet eigentlich Vollzeit als Krankenpflegerin und ist nebenbei mehrmals im Monat mit dem Dorfauto unterwegs. "Für mich ist das alles total entspannt und ich kann auch noch etwas Gutes tun. Ich habe ja Schichtdienst, deshalb habe ich auch manchmal vormittags frei", erklärt Marisch. "Mir macht das Autofahren Spaß und ich liebe es, mit den Menschen zu quatschen."
Über dieses Thema haben wir auch am 28.09.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit am Samstag, 19.30 Uhr.