Hanna Kleingünther hilft ehrenamtlich bei der Duisburger Bahnhofsmission

Ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission: "Auch wenn wir Probleme nicht sehen wollen, sind sie trotzdem da"

Duisburg | Ehrenamt

Stand: 22.12.2023, 09:28 Uhr

Bahnhofsmissionen sind wichtige Anlaufstellen für Menschen, die von der Gesellschaft oft übersehen werden. Hanna Kleingünther will nicht wegschauen. Einmal in der Woche kümmert sich die Studentin deshalb am Duisburger Hauptbahnhof ehrenamtlich um Bedürftige.

Von Petra Vennebusch

In der Küche der Bahnhofsmission knubbelt es sich, die Ehrenamtlichen bereiten alles für das Frühstück vor. Die ersten Gäste sind schon da: einsame, kranke, wohnungslose Menschen auf der Suche nach einem warmen Plätzchen. Hanna Kleingünther verteilt schnell Kuchen auf Teller. Dann setzt sich die 22-Jährige mit einem Kaffee in den Gastraum zu Jürgen.

Warum die Bahnhofsmission für Jürgen so wichtig ist

00:17 Min. Verfügbar bis 22.12.2025

Ein erstes Beschnuppern, Small Talk - die beiden kennen sich noch nicht. Jürgen ist psychisch krank, leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der 60-Jährige ist Stammgast in der Bahnhofsmission. Kleingünther ist sehr aufmerksam und zugewandt, schenkt Jürgen häufig ein Lächeln. Zuhören, empathisch sein - das liegt der Duisburgerin. Sie studiert im letzten Semester Soziale Arbeit. "Bisher habe ich nur mit Kindern gearbeitet, aber ich wollte meine Bubble mal verlassen und hab mich ganz bewusst für die Bahnhofsmission entschieden", erzählt sie. 

Tausende Ehrenamtliche im Einsatz

An über 100 Bahnhöfen in Deutschland gibt es die ökumenischen Missionen, viele davon in NRW. Sie sind seit fast 130 Jahren Anlaufstelle für Menschen in Not. Gelebte Nächstenliebe - darum geht es der evangelischen und katholischen Kirche. Auch wenn der Name etwas anderes suggeriert, hier wird nicht missioniert. Jeder Mensch ist willkommen, unabhängig von Glauben und Herkunft. Jeder wird so akzeptiert, wie er ist. Neben den hauptamtlich Tätigen unterstützen rund 2.000 Ehrenamtliche die Arbeit der Bahnhofsmissionen.

Der Gastraum ist inzwischen gut gefüllt. An den mit Blumen geschmückten Tischen sitzen sich verarmte Rentnerinnen und Rentner, Obdachlose, einsame und kranke Menschen gegenüber. Manche wie Max haben einen Job, können sich das Leben da draußen aber nicht mehr leisten. Für 30 Cent bekommt Max hier ein belegtes Brötchen, für 40 Cent einen Kaffee. Wer nichts hat, muss nichts bezahlen.

Hanna Kleingünther bereitet in der Küche der Duisburger Bahnhofsmission mit einem Kollegen Essen vor

Seit über zehn Jahren spendet die örtliche Bäckerei Brötchen und Süßes an die Duisburger Bahnhofsmission.

Kleingünther hat sich das Aufgabenbuch geschnappt. Gleich steht eine Reisebegleitung an. "Wir helfen einer Frau mit einem Elektrorollstuhl auf einen anderen Bahnsteig und in den nächsten Zug zu kommen." Zusammen mit Denny Adolph macht sie sich auf den Weg. Der 44-jährige Gabelstapelfahrer ist über das Jobcenter zur Bahnhofsmission gekommen. Er ist der Erfahrenere, kennt viele der Hilfsbedürftigen.

Hanna Kleingünther und Denny Adolph von der Duisburger Bahnhofsmission

Hanna Kleingünther und Denny Adolph

Unterwegs werden die beiden von einer Passantin angesprochen. Eine hilflose Frau soll im Tunnel auf dem kalten Boden liegen. Weil die ältere Dame mit dem Elektrorolli nicht im Zug war, können Kleingünther und Adolph sich jetzt um die junge Frau in der Unterführung kümmern. Sie bringen der suchtkranken Obdachlosen Decken, belegte Brötchen und etwas zu trinken. "Die Frau ist wahrscheinlich mit Drogen vollgepumpt, aber ansprechbar", erklärt Adolph. Sie will liegen bleiben. Kleingünther legt ihr die Brötchen in greifbare Nähe. Vielleicht kommt die Frau später zum Gastraum, hofft sie. Es sind Begegnungen wie diese, die nicht spurlos an der 22-Jährigen vorbeigehen.

Hanna Kleingünther hat ein gutes Gefühl nach der Arbeit

00:18 Min. Verfügbar bis 22.12.2025

Die Frühschicht geht langsam zu Ende. Haupt- und Ehrenamtliche sitzen in der Küche zusammen und tauschen sich über das Erlebte aus. Alles wird im Tagebuch notiert, jeder Mensch bekommt auch hier seine Aufmerksamkeit. Für Kleingünther gehört das unbedingt dazu, um die Eindrücke gemeinsam zu verarbeiten. "Das sind schon harte Schicksale, mit denen wir hier konfrontiert werden. Aber heute war es ein erfolgreicher Arbeitstag", sagt die 22-Jährige und lächelt.

Über dieses Thema haben wir auch am 20.11.2023 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19.30 Uhr.