Eine junge Frau schreibt einen Brief an einen Häftling

Brieffreundschaft mit einem Häftling

Bielefeld | Ehrenamt

Stand: 13.04.2023, 12:03 Uhr

Inhaftierte haben wenig Kontakt zur Außenwelt. Sophie Ottmann aus Bielefeld möchte das ändern. Seit zwei Jahren schreibt sie zwei Häftlingen Briefe. Warum sie dieses Ehrenamt macht, erklärt sie hier.

Von Joanna Figgen (Protokoll) und Alina Engel (Multimedia)

Mir ist bewusst, dass einige mein Ehrenamt ungewöhnlich finden, vielleicht auch unheimlich oder irgendwie komisch. Aber braucht nicht jeder und jede eine Person, mit der man über Themen reden kann, die einen beschäftigen?

Für mich steht es nicht wirklich im Vordergrund, warum jemand im Gefängnis sitzt. Ich muss das nicht unbedingt wissen. Die Briefe sollen sich nicht um die Tat oder den Haftgrund drehen. Mit den zwei Inhaftierten, mit denen ich schreibe, geht es einfach um Dinge, die einem so im Alltag passiert sind. Zum Beispiel, dass man letzte Woche krank war oder was einem vor kurzem Tollpatschiges passiert ist. 

Brief eines Häftlings

Brief eines Häftlings

Im Gefängnis können manche den Bezug zur "Außenwelt" ein bisschen verlieren. Manche haben ja noch Kontakte nach draußen, aber einige leben sehr in ihrer Gefängnis-Bubble. Ihnen die Möglichkeit zu geben, in Kontakt mit der "Außenwelt" - in dem Fall mir - zu kommen, das ist mir wichtig. Es geht um menschlichen Kontakt. 

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Als ich damals ein Praktikum beim "Kreis 74" gemacht habe, hätte ich auch nicht gedacht, dass ich mich hier ehrenamtlich weiter engagieren werde. Aber ich mache das jetzt schon seit zwei Jahren und will auch unbedingt weitermachen.

Kreis 74 e.V.

Entstanden ist der "Kreis 74" aus einer Gruppe Frauen und Männer, die sich seit 1974 gegen Defizite im Strafvollzug engagieren. Die Arbeit ist heutzutage auf die Verhinderung von Rückfällen ausgerichtet. Dabei ist das Ehrenamt der Briefkontakte nur eine Säule der Arbeit.

Daneben gibt es auch eine Begleitung bei der Haftentlassung und Freizeitgruppen für ehemalige Straftäter. Zudem gibt es eine Beratungsstelle, ein Wohnprojekt und auch ambulante Hilfe.

Was ich aber auch merke: Man muss eigene Psychohygiene betreiben, also auf sich selbst achten. Das bedeutet, auch 'Nein' zu sagen und Grenzen ziehen zu können.

Regelmäßig kommen Ehrenamtliche zusammen und können gemeinsam mit einer Supervisorin reden. Dabei geht es mir gar nicht immer um konkrete Anlässe oder Themen aus den Briefen, die ich unbedingt ansprechen muss. Mir ist vor allem wichtig, mich zu vernetzen und mich mit anderen zu solidarisieren.

Einer meiner ersten Briefkontakte wurde mittlerweile entlassen. Jetzt telefonieren wir hin und wieder. Wenn es sich ergibt, könnte man sich sicherlich auch mal persönlich treffen. Jetzt werden sich sicher einige fragen, warum ich das alles mache. Aber die Frage ist doch eher: Warum nicht?