Berlepsch, Winterforellenbirne, rheinische Schafsnase - das sind keine Lebewesen, sondern uralte Obstsorten. Sorten, die heute kaum noch jemand kennt. Sie sind in den vergangenen Jahrzehnten selten geworden. Manche stehen sogar kurz vor dem Aussterben. Und in einem herkömmlichen Supermarkt sucht man sie vergebens.
Apfelsorte aus dem 17. Jahrhundert in Linnich angebaut
Einer, der sich dafür einsetzt, dass dieses alte Kulturgut erhalten bleibt, ist Klaus Flaskamp. Auf seiner 2.500 Quadratmeter großen Streuobstwiese in Linnich direkt hinter seinem Haus stehen 22 Obstbäume - alles uralte Sorten, hauptsächlich Apfel- und Birnenbäume. Die älteste Apfelsorte, die man auf seiner Wiese findet, ist eine rheinische Schafsnase aus dem 17. Jahrhundert. Die jüngste Sorte: eine Alkmene von 1948.
Klaus Flaskamp ist ausgebildeter Obstbaumwart - also ein Experte rund um das Thema Obstwiese. Er hilft bei der Auswahl standorttauglicher Sorten, gibt Tipps zur richtigen Pflege und bietet Schnittkurse für Obstbäume an. Das alles macht er ehrenamtlich – seit 16 Jahren. Die uralten Sorten erhalten, das tut der 75-Jährige mit viel Herzblut, gerade weil die Sortenvielfalt in den vergangenen Jahrzehnten so massiv zurückgegangen ist.
Für ihn ist das ein großer Verlust, vor allem für die Geschmacksvielfalt. Und: "Die alten Sorten sind viel robuster als die neuen Sorten aus dem Supermarkt. Sie müssen nicht gespritzt werden, sind weniger anfällig für Schädlinge, halten Trocken- und Kälteperioden aus. Nicht ohne Grund haben diese alten Sorten das alles bis heute überdauert", sagt Flaskamp.
Alte Sorten werden immer seltener
Aber seine Obstbäume sind sehr pflegeintensiv. Manche tragen nur jedes zweite Jahr. Andere haben nur kleine Früchte. "Das alles taugt leider nichts für den Großhandel."
Wer trotzdem in den Genuss alter Sorten kommen möchte, wird bei Biologischen Stationen oder bestimmten Baumschulen fündig. Dort gibt es manchmal reife Früchte und auch Setzlinge für die eigene Wiese. Ein weiteres Problem: Es gibt immer weniger Experten wie Flaskamp, die wissen, wie man Obstbäume richtig pflanzt und pflegt.
Dank Schnittkurs: Obstbäume-Pflege für jedermann
Zwei Mitstreiter von Flaskamp, ebenfalls ausgebildete Obstbaumwarte, sind Harry Vollmer aus Linnich und Rainer Schwerdtfeger aus Baesweiler. Die drei sind ein eingespieltes Team. Gemeinsam bieten sie Schnittkurse für Obstbäume auf ihren Streuobstwiesen an und versuchen den Menschen so die Angst vor dem Schneiden am eigenen Baum zu nehmen.
Was jetzt als Nächstes ansteht, ist der Sommerschnitt. Flaskamp greift nach einem der vielen kleinen Triebe an seinem Kaiser-Wilhelm-Apfelbaum, umklammert ihn – und reißt ihn ab. Was rabiat aussieht, ist aber gerade rund um den Juni besonders wichtig. "Wir reißen jetzt die Wassertriebe raus. Diese Wassertriebe nehmen Licht weg, sind keine Fruchtäste, sondern nur Holztriebe. Sie verschatten den Baum unnötig. Deswegen kommen sie weg. Man nennt das auch Juni-Riss", sagt Flaskamp.
Obstbäume propfen statt einfach nur einpflanzen
Was die drei Baumwarte außerdem tun: Sie vermehren die alten Obstsorten. Einfach den Kern eines Apfels einpflanzen: Das funktioniert nicht. Stattdessen müssen neue Obstbäume gepfropft werden. Dabei wird ein Edelreis – also ein einjähriger Trieb des zu vermehrenden Baumes – auf eine sogenannte Unterlage gesetzt. Diese Unterlage kann dabei ein beliebiger Wildapfelstamm mit Wurzeln sein. Mit einer Art Pflaster wird die zusammengesteckte Stelle dann umwickelt. So eingepflanzt wachsen die beiden Teile zusammen und treiben im April aus.
Zum Schluss erinnert sich Klaus Flaskamp fast schon wehmütig an die rote Sternrenette - ein Apfel, der in seiner Kindheit immer auf dem Weihnachtsteller lag. Aber der Klimawandel wirkt sich auch auf die alten Sorten aus. Immer früher wird das Obst mittlerweile reif. "Die rote Sternrenette ist ein typischer Weihnachtsapfel. Heute wäre sie zu dieser Zeit aber schon längst verschrumpelt."
Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 31.05.2023: Lokalzeit aus Aachen, 19:30 Uhr.