Klimaschutz in Krisenzeiten – Wie geht es wieder voran?

Presseclub – Talk Forward

Klimaschutz in Krisenzeiten – Wie geht es wieder voran?

Faktencheck zur Sendung

Behauptung: Fossile Heizungen halten 30-40 Jahre.

Faktencheck: Moderne Gasheizungen haben eine Lebensdauer von mindestens 15 Jahren. Eine Ölheizung sollte mindestens 20 Jahre nutzbar sein, danach sinkt die Energieeffizienz.
(Quelle: wirdaemmendeinhaus.com)

Behauptung: Gebäude und Verkehr werden ab 2027 in den europäischen Emissionshandel aufgenommen.

Faktencheck: Stimmt. Die neuen EU-Richtlinien zum europäischen Emissionshandel sind im Juni 2023 in Kraft getreten. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Reform des EU-Emissionshandels nun in ihr nationales Recht umsetzen, was bis Ende 2026 geschehen soll.
(Quelle: Bundesregierung/Agora Energiewende)

Behauptung: Die Menge von Zertifikaten beim Emissionshandel wird in den kommenden Jahren weiter heruntergesetzt, um den Ausstoß von CO₂ immer weiter zu verringern.

Faktencheck: Stimmt. Bis 2030 sollen die Emissionsrechte im Vergleich zu 2005 schrittweise um 62 Prozent gekürzt werden.
(Quelle: Bundesregierung, 31.01.2025)

Behauptung: Wenn man sich jetzt noch eine Öl- oder Gasheizung einbauen lässt, kann das sehr teuer werden.

Faktencheck: Stimmt. Ab 2027 wird die Menge, wie viel CO₂ ausgestoßen werden darf, von der Regierung festgelegt (dies ergibt sich aus den Klimazielen) – und der Preis bildet sich aufgrund des europäischen Emissionshandels am Markt. Da sich Öl und Gas tendenziell deutlich verteuern, müssen Hauseigentümer und Mieter mit einer erheblich höheren Heizungsabrechnung kalkulieren. Es gibt jedoch eine Einschränkung: Kleine Kommunen müssen bis 2028 Wärmepläne aufstellen, größere bis 2026. Erst wenn die Wärmepläne vorliegen, greifen die Bestimmungen im aktuellen Heizungsgesetz bei den Bestandsbauten, d.h. erst dann kann man Hausbesitzer dazu verpflichten, den festgelegten CO₂‑Preis zu bezahlen. Für neu gebaute Häuser in Neubaugebieten gilt die 65-Prozent-Regel aber schon heute, das heißt, 65 Prozent der genutzten Energie müssen aus erneuerbaren Energien stammen.
(Quellen: Verbraucherzentrale/Bundesministerium für Wohnen und Stadtentwicklung)

Behauptung: Wenn der Verkehrssektor die Klimaziele nicht erreicht, drohen Fahrverbote.

Faktencheck: Falsch. Richtig ist: Der Verkehr ist das Sorgenkind bei den Treibhausgasemissionen. Seit Jahren verfehlt der Sektor seine Einsparziele. Verkehrsminister Volker Wissing brachte zeitweise ein Fahrverbot ins Spiel. Doch die Sektorenziele wurden mit dem Klimaschutzgesetz der Ampel-Koalition abgeschafft. Die Ziele werden jetzt sektorübergreifend kontrolliert. Das aber ist nur die halbe, weil nationale Wahrheit. Denn es gibt da auch noch die Europäische Union und ihren ambitionierten Green Deal. Und deshalb ist ein Ausgleich der hohen Emissionen im Verkehrssektor nur begrenzt möglich, weil zusätzlich zum deutschen Klimaschutzgesetz auch die Regelung auf europäischer Ebene gilt – also die Lastenteilung in der EU. Die Lastenteilungsverordnung schreibt vor, welche Ziele die Mitgliedstaaten jeweils unter Berücksichtigung ihrer Wirtschaftskraft erreichen müssen. Überschreitet Deutschland die EU-Sektorenziele, dann drohen Strafzahlungen aus Brüssel, aber keine Fahrverbote. Fachleute rechnen mit Summen im zweistelligen Milliardenbereich, die in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre fällig werden.
(Quellen: Bundesverkehrsministerium, MDR)

Behauptung: Die AfD sagt, die Menschen müssen gar nichts für den Klimaschutz zahlen.

Faktencheck: Richtig: Im AfD-Wahlprogramm heißt es: „Die AfD lehnt daher jede Politik und jede Steuer ab, die sich auf angeblichen Klimaschutz beruft, denn das Klima kann der Mensch nicht schützen. Wir wollen zudem aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen.“
(Quelle: Wahlprogramm der AfD)

Behauptung: Der Emissionshandel ist im CDU-Programm grundlegend.

Faktencheck: Stimmt. Im CDU-Wahlprogramm heißt es: „Der Emissionshandel kann mehr. Richtig umgesetzt ist er als marktwirtschaftliches Instrument in der Lage, die Emissionsmenge effizient zu begrenzen und das Klima bestmöglich zu schützen. Die CO₂-Bepreisung bauen wir im Instrumentenmix zum Leitinstrument aus und geben deren Einnahmen an Verbraucher und Wirtschaft zurück. Der Markt soll darüber entscheiden, wo und wie Emissionen vermieden werden. Das ist unser Weg: CO₂ einsparen, wo es am effizientesten ist.“
(Quelle: Wahlprogramm der CDU)

Behauptung: Der Klimabonus der Union, der im Wahlprogramm steht und Menschen entlasten soll, ist nur ein anderer Begriff für das Klimageld, will aber letztlich dasselbe Ziel erreichen.

Faktencheck: Richtig. Im CDU-Wahlprogramm heißt es dazu: „Um Verbraucher und Unternehmen schnell und effizient mit einem sozialen Ausgleich zu entlasten, schaffen wir einen Klimabonus. Wir reduzieren mit den CO₂-Einnahmen zuerst die Stromsteuer und Netzentgelte. Höhere Belastungen durch steigende CO₂-Abgaben müssen auch zu höheren Entlastungen führen.“
(Quelle: Wahlprogramm der CDU)

Behauptung: Deutschland will 80 Prozent seines Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien bestreiten.

Faktencheck: Richtig. Dieses Ziel hat sich die Bundesregierung gesetzt. 2024 war ein Rekordjahr für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Mit gut 275 Terawattstunden und einem Anteil von fast 63 Prozent wurde noch nie zuvor so viel Strom nachhaltig produziert, zeigen Daten des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE). Zugleich sank die Menge an Strom, der aus fossilen Energieträgern gewonnen wird. Und zwar auf ein Niveau der 1950er Jahre.
(Quellen: Bundesregierung/Fraunhofer-Institut)

Behauptung: In den kommenden Jahren braucht es mindestens 34 neue Gaskraftwerke, um den Kurs der Erneuerbaren Energien zu flankieren.

Faktencheck: Richtig ist, dass die Bundesregierung eine Kraftwerksstrategie auf den Weg gebracht hat. Insgesamt sollen 12,5 Gigawatt an Kraftwerkskapazität und 500 Megawatt an Langzeitspeichern ausgeschrieben werden. Die neuen Gaskraftwerke sollen nur noch übergangsweise mit Erdgas betrieben werden. Bis 2040 sollen schließlich alle Gaskraftwerke komplett auf Wasserstoff umgestellt werden.
(Quelle: Agentur für erneuerbare Energien)

Behauptung: Mit der Nutzung von Neodym, einer seltenen Erde, in Windrädern machen wir uns von China abhängig. Ein Windrad auf See benötigt 2 Tonnen dieser seltenen Erde.

Faktencheck: Teilweise richtig. Neodym-Windräder verzichten meist auf ein Getriebe. Dafür brauchen sie effizientere Generatoren, die sich besonders gut aus diesem Rohstoff herstellen lassen. Neodym wird nahezu ausschließlich in chinesischen Minen abgebaut. Bei der Trennung des Neodyms vom geförderten Gestein entstehen giftige Abfallprodukte, außerdem werden radioaktives Uran und Thorium beim Abbauprozess freigesetzt. Diese Stoffe gelangen zumindest teilweise ins Grundwasser, kontaminieren so Fauna und Flora erheblich und werden für den Menschen als gesundheitsschädlich eingestuft. Für heutige Windenergieanlagen mit permanenten Generatoren wird ein mittlerer spezifischer Bedarf von Neodym in Höhe von rund 200 kg bei Anlagen mit Direktantrieb (getriebelos), 50 kg bei Anlagen mit Getrieben mittlerer Geschwindigkeit und 25 kg bei Anlagen mit Getrieben hoher Geschwindigkeit ermittelt.
(Quelle: Niedersächsisches Umweltministerium)

Behauptung: Der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist skeptisch, was eine Rückkehr zur Atomkraft betrifft.

Faktencheck: Richtig. Merz hat die Stilllegung zwar als „schweren strategischen Fehler“ bezeichnet, glaubt aber auch nicht mehr daran, dass die drei letzten deutschen Kernkraftwerke wieder zurück ans Netz gehen können. „Die werden abgebaut, die werden dekontaminiert“, sagte Merz im Januar 2025 in Bochum. „Da ist wahrscheinlich nichts mehr zu machen.“
(Quelle: Betriebsrätekonferenz der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA))

Behauptung: Deutschland geht beim Verzicht auf Kernkraft einen internationalen Sonderweg. In vielen Ländern werden neue Atomkraftwerke gebaut.

Faktencheck: Richtig ist, dass in zahlreichen Ländern neue Atomkraftwerke in Planung sind. Allerdings ist die absolute Menge des weltweit in Kernkraftwerken erzeugten Stroms in den vergangenen zehn Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben, ihr relativer Anteil am weltweiten Strommix ist im Jahr 2022 sogar erstmals seit rund 40 Jahren unter die 10-Prozent-Marke gesunken. Dies liegt zum einen darin begründet, dass stetig mehr Strom durch erneuerbare Energien erzeugt wird; Zum anderen hat auch die Stromerzeugung auf Basis fossiler Energieträger gegenüber den vorangegangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich zugenommen.
(Quellen: Bundesumweltministerium/Statista)

Behauptung: Die AfD will keinen Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.

Faktencheck: Stimmt. Im AfD-Wahlprogramm heißt es: „Die heutige einseitige Bevorzugung von Elektromobilität ist sofort zu stoppen, ebenso die Finanzierung der Ladeinfrastruktur aus öffentlichen Mitteln.“
(Quelle: Wahlprogramm der AfD)

Behauptung: Sechs deutsche Atomkraftwerke, hätte man sie am Netz gelassen, hätten 30 Millionen Tonnen CO₂ im Jahr gespart.

Faktencheck: Stimmt, zu diesem Schluss ist eine Studie der Universität Stuttgart im Jahr 2023 gekommen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke betonte dagegen, dass die Atomkraft weder CO2-frei sei noch die CO2-ärmste Art der Energieerzeugung. Denn gerade die energieintensive Brennstofferzeugung sei klimaschädlich. Zudem sei die Kernkraft wegen des enormen Kühlwasserbedarfs nicht robust gegen die Klimakrise.
(Quellen: Universität Stuttgart/Bundesumweltministerium).

Behauptung: Kernkraft ist eine günstige Energieform, und es dürften sich genügend Unternehmen finden, um abgeschaltete Kraftwerke in Deutschland wieder ans Netz zu bringen oder gar neue Kraftwerke zu bauen.

Faktencheck: Teilweise richtig. Es gibt unterschiedliche Studien und Untersuchungen, die sich mit der Wirtschaftlichkeit einer Kernkraft-Renaissance beschäftigen. Das amerikanische Beratungsunternehmen Radiant Energy Group hat jetzt durchgerechnet, was ein Wiedereinstieg in die Kernenergie kosten würde. Das Ergebnis: Mit Investitionen von rund 20 Milliarden Euro könnten neun deutsche Reaktoren wieder ans Netz gebracht werden. Auch die Wirtschaftlichkeit wäre demnach gegeben: Bei einem Stromabnahmepreis von 100 Euro je Megawattstunde könnten die Reaktoren über die kommenden zwanzig Jahre hinweg mehr als 100 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaften, rechnet das Unternehmen vor. In Deutschland könnten gemäß der Studie drei Reaktoren besonders schnell reaktiviert werden. Der Meiler Brokdorf in Schleswig-Holstein könnte bereits Ende 2025 wieder Strom produzieren. Die niedersächsischen Kraftwerke Emsland und Grohnde könnten bis 2028 folgen. Sechs weitere Reaktoren wären bis 2032 wieder betriebsbereit. Anderer Auffassung ist das Fraunhofer-Institut in einer neuen Studie. Zum einen sei Kernenergie nicht notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Hinzu komme, dass bei der Herstellung der Brennelemente ebenso Treibhausgase entstünden wie beim Kraftwerksbau und bei der Endlagerung. Betrachte man die Kosten der Kernenergie über die gesamte Zeitspanne, dann werde diese Form der Energieproduktion teuer und wirtschaftlich uninteressant, denn gerade am Anfang und am Ende des Lebenszyklus eines Atomkraftwerks fielen jeweils hohe Kosten an, so das Fraunhofer-Institut. Zum einen verursacht durch die Baukosten, die zum Beispiel durch hohe Sicherheitsauflagen entstünden. Andererseits würden Wartung, Nachsorge und Rückbau teuer. Auch die Endlagerung der radioaktiven Abfälle verursache hohe Kosten. Rechne man all das mit ein, dann sei Atomstrom eine der teureren Energieformen. Hinzu kommt, dass die Politik das Thema Kernkraft nicht mehr anfassen will. Für Kanzler Olaf Scholz ist sie „ein totes Pferd“. Atomenergie sei nicht wettbewerbsfähig, assistierte Vizekanzler Robert Habeck. Die Union will allenfalls Forschungsaufträge für neue Reaktorkonzepte oder die mögliche Wiederinbetriebnahme von abgeschalteten Meilern vergeben. Ein Neubau wird nicht gefordert. Nur die FDP wendet sich gegen „Denkverbote“ und verlangt „Technologieoffenheit“. Auch die Kraftwerksbetreiber selbst zeigen wenig Interesse an einem Neustart. Der Ausstieg sei „praktisch gesehen irreversibel“, erklärte der EnBW-Kernkraft-Chef Jörg Michels im Dezember 2024 in der „Augsburger Allgemeinen“. Der RWE-Chef Markus Krebber wiederum nannte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Anfang November 2024 einen Wiedereinstieg „unrealistisch“ – es fehle an Genehmigungen, Personal und finanziellen Sicherheiten. Vor allem aber zweifelt Krebber an der Wirtschaftlichkeit: Viele Neubauprojekte würden „aus dem Ruder laufen“.
(Quellen: Neue Zürcher Zeitung/Fraunhofer-Institut)

Einen umfangreichen Fakten-Check zum Thema Kernenergie hat das Fraunhofer-Institut zusammengestellt: Hier klicken.

Behauptung: Die Linke sagt, dass man Deutschland bis 2040 klimaneutral gestalten will.

Faktencheck: Stimmt. Im Linken-Wahlprogramm heißt es: „Wir wollen Deutschland bis 2040 klimaneutral machen.“
(Quelle: Wahlprogramm der Linken)

Behauptung: Pro Kopf sind die CO₂-Emissionen in Deutschland höher als in Indien.

Faktencheck: Stimmt. Während in Indien jeder Einwohner lediglich für 1,9 Tonnen CO₂ verantwortlich ist, verursacht jeder Deutsche 7,1 Tonnen CO₂.
(Quelle: Statistisches Bundesamt)

Stand: 10.02.2025, 20:04 Uhr