In der "Lindenstraße" von Folge 249 bis 451
Mit Ende 50 wird Jaruslav Winicki aus seinem beschaulichen Leben in der polnischen Provinz nach München verpflanzt. Doch an den hektischen Großstadt-Dschungel der Bavaria-Metropole kann Jaruslav sich nie so recht gewöhnen.
Jaruslav Winicki: Die ganze Geschichte
Jaruslav Winicki wird am 07. Juli 1932 in Polen geboren, wo er auf dem elterlichen Bauernhof aufwächst. 1958 heiratet der Landwirt Wanda Kollin, die Liebe seines Lebens. Fünf Jahre später, am 10. Februar 1963, wird die einzige Tochter Urszula geboren. Im September 1990 besucht Jaruslav gemeinsam mit Wanda und der hochschwangeren Urszula das Ehepaar Rosi und Hubert Koch, entfernte Verwandte seiner Frau in München (Folge 249).
Der Anlass für die weite Reise ist ein trauriger: Jaruslav kann auf dem Bauernhof in Czersk, auf dem er bisher seinen Lebensunterhalt bestritten hat, nicht mehr genug verdienen, um Wanda und Urszula zu ernähren. Deshalb plant die Familie Winicki nach Deutschland überzusiedeln.
Dank Huberts Kontakten bekommt Jaruslav schon bald Arbeit auf dem Bauernhof der Wiesenhubers in Bad Reichenhall. Obwohl vom Provinzleben übersättigt, geht zunächst auch die 27-jährige Urszula mit aufs Land. Dort bringt sie am 18. Oktober 1990 die kleine Irina zur Welt (Folge 255).
Schon wenige Wochen nach der Geburt beschließt Jaruslavs Tochter in München bei den Kochs zu leben. Da sie dort noch kein geregeltes Einkommen hat, wächst Irina zunächst auf dem Wiesenhuberhof auf.
Anderthalb Jahre später, im März 1992, wendet sich Hubert Hilfe suchend an Jaruslav: Urszula, die nach wie vor bei den Kochs lebt, wird immer depressiver. Ihr Geliebter, der Afrikaner David Motibe, ist nach Südafrika zurückgekehrt und die junge Frau leidet so heftig unter Liebeskummer, dass Hubert und Rosi sich kaum mehr zu helfen wissen. Deshalb wird arrangiert, dass Jaruslav seine Tochter in Begleitung der kleinen Irina besuchen soll.
Die Idee entpuppt sich als Volltreffer! Beim Anblick der beiden strahlt Urszula wieder (Folge 326). Danach muss Jaruslav allerdings ohne seine Enkeltochter nach Bad Reichenhall zurückkehren, denn Urszula will, dass die Kleine fortan bei ihr in München aufwächst. Da Irina dem alten Mann ans Herz gewachsen ist, fällt ihm der Abschied sehr schwer. Anfang Dezember 1993 führt das Schicksal auch Jaruslav und Wanda in die Lindenstraße Nr.3 zurück.
Auf dem Wiesenhuberhof gibt es nicht mehr genug Arbeit. Ihre Bleibe haben die Winickis bereits verloren und so stehen sie völlig mittellos vor der Kochschen Wohnungstür. Urszula bietet ihren Eltern an, vorübergehend mit ihr und dem Mitbewohner Gung bei Kochs zu leben. Da Rosi und Hubert erst Weihnachten wieder in der Münchener Wohnung erwartet werden, nehmen die beiden das Angebot an (Folge 418).
Eifrig versucht Urszula, ihren Eltern bei der Wohnungsbeantragung unter die Arme zu greifen und klappert mit ihnen die Münchener Ämter ab. Doch auch der Vertriebenen-Ausweis verspricht keine große Hilfe. Die Liste, auf die sich die Winickis damit setzen lassen können, deutet auf eine Wartezeit von bis zu zwei Jahren hin.
Jaruslav ist niedergeschmettert. Wo sollen er und Wanda leben? Weder in Polen noch in Deutschland scheinen sie eine Zukunft zu haben. Immerhin bietet der griechische Wirt Vasily Sarikakis der arbeitslosen Wanda einen Job in seinem Restaurant „Akropolis“ an. Das hilft den Winickis wenigstens in finanzieller Hinsicht ein wenig aus der Bredouille.
Als Hubert und Rosi am zweiten Weihnachtstag aus dem Urlaub heimkehren, ziehen Jaruslav und seine Frau in die Notunterkunft eines Übersiedlerheims (Folge 421). Doch die neue Herberge ist überfüllt, trist und hält eine Reihe von Schikanen für das polnische Ehepaar bereit. Noch am gleichen Abend kehren Wanda und Jaruslav in die Lindenstraße zurück und bitten in der Zenkerschen Wohnung, in der Urszula das Weihnachtsfest verbringt, um Asyl.
Aus Mangel an Alternativen leben Jaruslav und Wanda nun wieder bei den Kochs. Jaruslav findet eine Beschäftigung als Arbeiter in einer Fabrik, doch an das Leben in Deutschland kann sich der 62-Jährige nicht gewöhnen. Schmerzlich vermisst er seine polnische Heimat.
Darüber hinaus beschwört die Enge in der Wohngemeinschaft mit Kochs Konflikte herauf, die dem friedliebenden Jaruslav an die Nieren gehen. Vor allem zwischen Wanda und Rosi steht Zickenalarm auf der Tagesordnung.
Als Wanda ihren Mann im März 1994 in der Fabrik überraschen will, muss sie feststellen, dass ihr Gatte gar nicht auf der Arbeit erschienen ist. Erst am Abend kehrt er in die Lindenstraße heim. Jaruslav berichtet von einem Waldspaziergang, den er anstelle seiner Schicht in der verhassten Fabrik unternommen hat. Alle sind empört über den naiven Leichtsinn, mit dem er seinen Lebensunterhalt aufs Spiel setzt.
Um zu verhindern, dass die Fabrik Jaruslavs Arbeitsverhältnis kündigt, bittet Urszula die Ärztin Dr. Eva Sperling um ein Attest für ihren Vater. Nachbar Franz Wittich, der zur gleichen Zeit im Wartezimmer der Arztpraxis sitzt und Urszulas Bitte belauscht, ist empört. Er droht mit rechtlichen Schritten gegen Jaruslav vorzugehen (Folge 432).
Zur Erleichterung aller setzt der Rentner diese Drohung allerdings nicht in die Tat um. Ende Juni hat sich Jaruslav immer noch nicht in München akklimatisiert. Die Fronten zwischen Wanda und Rosi haben sich verhärtet und mit dem Verhältnis zu seinem Chef steht es nicht zum Besten. Jaruslavs Heimweh wächst und wächst. Es muss etwas unternommen werden, beschließt Ehefrau Wanda. Sie zieht Tochter Urszula ins Vertrauen, der bis dahin nicht bewusst war, wie sehr ihr Vater in Deutschland leidet.
Beherzt kontaktieren die beiden Frauen alte Freunde in Polen und planen die Rückkehr der Winickis in die Heimat. Ehe das Vorhaben allerdings nicht in trockenen Tüchern ist, soll der Plan vor Jaruslav geheim gehalten werden (Folge 447). Einige Wochen später werden die Bemühungen von Mutter und Tochter belohnt:
Freunde aus Danzig bieten an, die Winickis bei sich aufzunehmen. Wie erwartet ist Jaruslav außer sich vor Glück. Die Aussicht, endlich wieder in der geliebten Heimat leben zu dürfen, stimmt ihn so euphorisch, dass er augenblicklich seinen verhassten Fabrikjob an den Nagel hängt (Folge 450).
Am 21. Juli 1994 ist es so weit: Jaruslav und Wanda nehmen von den Bewohnern der Lindenstraße Abschied. Dabei gibt sich Jaruslav ungewohnt ausgelassen. In seinem Übermut legt er sogar mit den Nachbarinnen Else Kling und Elena Sarikakis eine polnische Mazurka aufs Parkett. Die Stimmung lässt auf eine heitere Reise hoffen, doch dann kommt alles anders: Als Andy Zenker, der die Winickis zum Bahnhof bringen soll, Jaruslav zur Abfahrt abholen will, findet er ihn tot im Hinterhof sitzend auf – der alte Mann ist an Herzversagen gestorben (Folge 451).
Die traurige Wanda muss Deutschland ohne ihren geliebten Ehemann verlassen. Doch immerhin die letzte Ruhe soll er in Polen finden. Jaruslav Winicki wird auf dem Friedhof seines Heimatortes Wolka beigesetzt.