"Lindenstraße"-Folge 1695 „Blindes Vertrauen“, Sonntag, 11. November 2018, 18:50 Uhr im Ersten
In der „Lindenstraße“-Folge 1695 „Blindes Vertrauen“ (Buch: Ruth Rehmet, Regie: Iain Dilthey) hadert Andy Zenker (Jo Bolling) damit, dass sein Sohn Timo (Michael Baral) u.a. wegen Stalkings in Untersuchungshaft sitzt. Andy hält diese Entscheidung für ungerecht: Soll Timo etwa ein Monster sein und wie ein Schwerverbrecher behandelt werden und Jack (Cosima Viola) ausschließlich das Opfer sein? Gabi (Andrea Spatzek) holt Andy in einem Gespräch im „Café Bayer“ auf den Boden der Tatsachen zurück: Sie macht ihm klar, dass es hier nicht um Gefühle geht. Gabi zählt Andy gleich mehrere Vergehen auf, mit denen sich Timo objektiv schuldig gemacht hat. Es gehe eindeutig darum, Timos Fehlverhalten zu bestrafen und nicht um individuelle Empfindungen – bei allem Verständnis für Andy als Vater.
Jack wiederum plagen Zweifel, ob sie das Angebot annehmen kann, vorübergehend die Leitung der Werkstatt zu übernehmen, während Timo im Gefängnis sitzt. Wäre das gerecht?
Wie in diesen beiden aktuellen Szenen bezieht die „Lindenstraße“ bereits seit 33 Jahren immer wieder Stellung zu gesellschaftlich brisanten Themen, die polarisieren, beziehungsweise unterschiedlich beurteilt und bewertet werden. Und immer wieder geht es dabei in den unterschiedlichsten Formen um die Frage von Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit.
Schon in ihren Anfängen trat die „Lindenstraße“ für die Gleichstellung von Homosexuellen ein, erzählt über Carsten Flöter (Georg Uecker) oder über Tanja Schildknecht (Sybille Waury), die Liebesbeziehungen zu Männern und Frauen pflegte und nach wie vor pflegt. Seit eineinhalb Jahren spielt das Thema Transgender eine Rolle in der Lindenstraße: Sunny (Martin Walde), die sich als Frau identifiziert, aber im Körper eines Mannes aufwuchs und sozialisiert wurde, spaltete vor allem während ihrer Identitätssuche die Bewohner der Lindenstraße wie auch die Zuschauer der Serie. Sunny muss sich häufig fragen, warum sie als Transfrau nicht das Recht hat, genauso respektvoll behandelt zu werden wie Marek, als der sie vorher gelebt hat.
Der Umstand, dass Frauen für die gleiche Arbeit häufig schlechter bezahlt werden als Männer, hielt mehrfach Einzug in die Drehbücher der „Lindenstraße“. Jüngst wurde diese Ungerechtigkeit erzählt, als Iffi Zenker (Rebecca Siemoneit-Barum) zufällig erfuhr, dass ihr männlicher Kollege bei gleicher Arbeit besser entlohnt wurde als sie.
Die Frage nach Gerechtigkeit stellt sich auch in der Diskussion um den Zuwachs an Flüchtlingen in Europa: Wann gehört man dazu und mit welchem Recht wird vielen Geflüchteten die Zugehörigkeit verwehrt? Bereits 1995 legte die „Lindenstraße“ den Finger in diese Wunde, als Anna Ziegler (Irene Fischer) und Hans Beimer (Joachim Luger) die Nigerianerin Mary (Liz Baffoe) bei sich aufnahmen, die aufgrund der lebensbedrohlichen Lage aus ihrer Heimat fliehen musste. Doch in München wurde die junge dunkelhäutige Frau längst nicht von allen Bewohnern willkommen geheißen.
Unterschiedliche Erfahrungen machte auch der Schwarzafrikaner David Motibe (Ronald Mkwanazi), der 1991 für ein halbes Jahr in der Lindenstraße wohnte und in der Nachbarschaft sowohl Freundlichkeit als auch rassistische Vorurteile und Anfeindungen erlebte, letztere unter anderem durch Else Kling (Annemarie Wendl).