Hass und Gewalt gegen Frauen: Ist Empörung genug?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Während der Sendung bezeichnet die CSU-Politikerin Dorothee Bär Deutschland als „Puff Europas“ und spricht davon, dass es in Deutschland „gesetzlich erlaubt ist, jeden Tag auf der Straße oder im Bordell oder im Laufhaus Frauen bezahlt zu vergewaltigen“. Die Grünen-Politikerin Ricarda Lang entgegnet, dass nach der Gesetzeslage viele dieser Dinge bereits als Straftaten gelten würden, räumt aber gleichzeitig ein, dass es ein großes Dunkelfeld gebe und dass die Sicherheitsbehörden besser ausgestattet sein müssten, um entsprechend durchgreifen zu können.
Nach aktueller Gesetzeslage ist „die freiwillige Ausübung der Prostitution durch Erwachsene sowie die Nachfrage […] in Deutschland zulässig“. Seit 2017 gilt das Prostituiertenschutzgesetz, dass das Gewerbe regulieren und die Prostituierten schützen soll. Für Betreiber von Prostitutionsgewerben sind darin Mindeststandards, wie zum Beispiel sachgerechte Notrufsysteme, festgeschrieben. Für Prostituierte gelten eine Anmeldepflicht sowie die Pflicht zu einer regelmäßigen gesundheitlichen Beratung. Die beratende Behörde soll außerdem bei Anhaltspunkten dafür, „dass eine Person in gravierender Weise gefährdet erscheint“, eine entsprechende Prüfung und gegebenenfalls Einleitung von Schutzmaßnahmen durchführen. Weitere Gesetze, die vor sexueller Ausbeutung schützen sollen sind das Gesetz gegen Menschenhandel (§ 232 StGB) und das Gesetz gegen Zwangsprostitution (§ 232a StGB). Vergewaltigung ist demnach auch im Kontext von Prostitution strafbar.
Die Gesetze zur Prostitution in Deutschland sind vergleichbar mit denen in den Niederlanden oder Österreich. Andere Staaten wie Schweden oder Frankreich praktizieren das sogenannte Nordische Modell. Nach diesem Modell ist Prostitution verboten, allerdings müssen nur diejenigen, die Sex kaufen, mit rechtlichen Konsequenzen rechnen; während diejenigen, die Sex verkaufen, nicht strafrechtlich verfolgt werden. Das Europaparlament hat sich zwar 2023 für ein Sexkauf-Verbot nach dem sogenannten Nordischen Modell ausgesprochen, aktuell wird Prostitution jedoch von den Mitgliedsstaaten weiterhin unterschiedlich gehandhabt. Laut des EU-Parlaments sorgen gerade diese Unterschiede zu vermehrtem Menschenhandel und organisierter Kriminalität.
Dafür, dass die Gesetze in Deutschland nicht ausreichen oder nicht ausreichend umgesetzt werden, um sexuelle Ausbeutung effektiv zu bekämpfen, gibt es mehrere Anzeichen in Studien. In dem Bericht, auf dessen Grundlage die Entscheidung des Europaparlaments beruht, wird beispielsweise davon gesprochen, dass nur 23.700 Prostituierte in Deutschland angemeldet seien, während Schätzungen von 90.000 bis 400.000 tatsächlich in der Prostitution arbeitenden Menschen ausgehen. Des Weiteren hat das Deutsche Institut für Menschenrechte 2024 einen ausführlichen Bericht über Menschenhandel in Deutschland veröffentlicht. Demnach gab es 2022 476 Betroffene in Ermittlungsverfahren zu sexueller Ausbeutung. Beim bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel ließen sich 2022 576 Betroffene im Kontext Zwangsprostitution beraten.
Quellen:
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Prostitution - Gesetzliche Regelungen | mehr
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Prostituiertenschutzgesetz | mehr
- Europa Parlament: REPORT on the regulation of prostitution in the EU | mehr
- Deutsches Institut für Menschenrechte: Publikationen - Monitor Menschenhandel in Deutschland | mehr