Schwierige Halbzeitbilanz: Verliert sich die Ampel im Dauerstreit?

Der Faktencheck zur Sendung vom 11.09.2023

Die Bundesregierung hat die erste Halbzeit nur mit Ach und Krach geschafft: Ist das Drei-Parteien-Bündnis eigentlich schon jetzt am Ende? Wird zu viel gefoult, zu wenig geführt? Haben Krieg und Klimakrise die Ampel überfordert?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Michael Kellner über Entwurf, Gesetz und CO2

Michael Kellner sagt, das überarbeitete und in der vergangenen Woche beschlossene Heizungs-Gesetz entfalte immerhin noch 75 Prozent der Klimaschutzwirkung des ursprünglichen Gesetzentwurfs.

Michael Kellner 00:21 Min. Verfügbar bis 11.09.2024

Im April verkündete die Bundesregierung eine Kabinetts-Einigung über die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes und läutete den Umstieg auf Heizen mit erneuerbaren Energien ein. Noch am gleichen Tag schoss Finanzminister Lindner aber quer und brachte seine Zweifel am Gesetzentwurf zum Ausdruck. Um “Bedenken im Hinblick auf Finanzierbarkeit und Umsetzung auszuräumen“, erwarte er, dass im parlamentarischen Verfahren notwendige Änderungen vorgenommen werden, so Lindner in einem tweet. Was folgte, war eine heftige öffentliche Debatte und der bis heute wohl heftigste Streit zwischen den Ampel-Koalitionären. In der vergangenen Woche wurde das in vielen Teilen überarbeitete Heizungsgesetz schließlich mit der Mehrheit der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossen.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass ab 2024 in den meisten Neubauten Heizungen eingebaut werden müssen, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Besitzer von bereits vorhandenen Häusern werden staatlich gefördert, wenn sie einen Heizungsaustausch mit dem Umstieg auf 65 Prozent erneuerbarer Energien verknüpfen. Laut Bundesregierung können so bis zu 70 Prozent der Investitionskosten gefördert werden.

Wie sich diese Teile des Gesetzes auf die CO2-Emissionen auswirken, hat sich das Öko Institut genauer angeschaut. Tatsächlich berechnete das Öko Institut ein Szenario, bei dem bis zum Jahr 2030 39,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden können. Das entspricht etwa 75 Prozent der Einsparungen, mit der die Bundesregierung noch in ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf kalkuliert hatte (54 Millionen Tonnen). Allerdings, so das Öko Institut, müssten für dieses Szenario 70 Prozent der betroffenen Eigentümer ihre Heizungen vor 2026 (Großstädte) bzw. 2028 (andere Kommunen) entsprechend modernisieren. Nicht erwähnt hat Michael Kellner, dass die Autoren des Öko Instituts auch ein worst-Case-Szenario berechnet haben. Sollte sich die große Mehrheit (90 Prozent) bis 2026 bzw. 2028 gegen den Einbau einer Heizungsgesetz-konformen Anlage entscheiden, liegt die CO2-Einsparung bis 2030 nur noch bei 10,8 Millionen Tonnen – gut fünfmal weniger als ursprünglich von der Bundesregierung erhofft.