Flüchtlinge und Kriminalität – Die Diskussion!

Der Faktencheck zur Sendung vom 04.06.2018

Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften –  für viele hierzulande Grund zu Sorge und Angst. Können solche Flüchtlinge überhaupt integriert werden? Wie unsicher wird Deutschland dadurch? Die Diskussion nach der Dokumentation zum Thema

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Markus Blume über Grüne und sichere Herkunftsstaaten

Der Generalsekretär der CSU, Markus Blume, sagt, die Grünen hätten sich in den Jamaika-Gesprächen mit CDU, CSU und FDP darauf geeinigt, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer anzuerkennen.

Die Flüchtlingspolitik war bei den Sondierungsgesprächen zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen eines der großen Streitthemen. Neben dem Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge und einer Obergrenze lagen die Grünen und ihre Verhandlungspartner auch beim Thema sichere Herkunftsstaaten weit auseinander. Noch wenige Tage bevor die FDP in der Nacht zum 20.11.17 die Sondierungsgespräche beendet hatte, wurden die Gräben im 61-seitigen Verhandlungspapier vom 15. November deutlich. Die Pläne von Union und FDP sahen vor, Staaten mit einer Anerkennungsquote von unter fünf Prozent automatisch zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären – also auch die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko. Die Grünen betonten in dem Verhandlungspapier ihre Ablehnung. "Die Maghrebstaaten sind nicht sicher", heißt es dort.

Dass Markus Blume glaubt, die Grünen hätten sich in dieser Frage umentschieden, mag daran liegen, dass sein Parteifreund Hans Michelbach am 19.11.2017 für Verwirrung gesorgt hatte. Michelbach erklärte vor laufenden Kameras, die Grünen würden die Anerkennung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer akzeptieren. Der CSU-Mann nahm seine Äußerungen aber schon wenige Minuten später wieder zurück.

Claudia Roth, die für die Grünen das Themenfeld Flüchtlingspolitik verhandelt hatte, stellte wenige Tage nach Ende der Sondierungsgespräche in einem Interview mit der Süddeutsche Zeitung klar, dass ihre Partei die Zustimmung zur Anerkennung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer verweigert hat. "Wir haben jetzt so eine Art Legendenbildung", sagte sie der Zeitung. Die CSU hätte dies zwar gerne so gehabt, so sei es aber nicht gewesen, sagte Roth.

Isabel Schayani über Flüchtlinge mit Jobs

Die WDR-Journalistin Isabel Schayani sagt, inzwischen hätten 25 Prozent der Flüchtlinge einen Job in Deutschland gefunden.

Das jedenfalls geht aus aktuellen Daten des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Das IAB erhebt regelmäßig einen Zuwanderungsmonitor und untersucht verschiedene Merkmale des Arbeitsmarktes, darunter auch die Beschäftigungsquoten nach Staatsangehörigkeiten. Demnach hatte ein Viertel der Menschen, die aus Kriegs- und Krisenländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien) nach Deutschland geflohen sind, einen Job. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Beschäftigungsquote für diese Gruppe damit um rund acht Prozent. Dennoch kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt wegen mangelnder Sprachkenntnisse oder fehlender Berufsausbildung nur langsam voran gehen wird. Ob und wann die Integration schneller geschieht, hänge wesentlich von Sprachförderung, Investitionen in Bildung und Ausbildung sowie der Aufnahmebereitschaft der Wirtschaft ab, heißt es in dem Bericht.

Markus Blume über Tatverdächtige aus Maghreb-Staaten

Markus Blume (CSU) sagt, zwar machten die Zuwanderer aus den Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko nur 2,4 aller Zugewanderten aus, gleichzeitig aber stellten sie neun Prozent aller Tatverdächtigen.

Nimmt man Markus Blume wörtlich – dass also Zugewanderte aus den Maghreb-Staaten neun Prozent aller Tatverdächtigen ausmachen - stimmt die Aussage nicht.

Richtig ist, dass Tatverdächtige aus den Maghreb-Staaten einen Anteil von neun Prozent aller zugewanderten Tatverdächtigen ausmachen. Das geht aus dem aktuellen "Bundeslagebild Kriminalität im Kontext von Zuwanderung 2017" des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor. Das BKA vergleicht darüber hinaus die Anteile der Tatverdächtigen mit dem Zuwanderungsanteil. Demnach fallen Zuwanderer aus den Maghreb-Staaten tatsächlich besonders auf. Denn während sie nur einen Anteil von 2,4 Prozent aller Asylsuchenden ausmachen, aber neun Prozent der zugewanderten Tatverdächtigen aufweisen, stellt sich das Bild bei syrischen Flüchtlingen entgegengesetzt dar: 35 Prozent aller Flüchtlinge kommen aus Syrien, allerdings machen sie nur 20 Prozent der tatverdächtigen Zuwanderer aus. Ausländer sind übrigens selbst am häufigsten Opfer von Zuwanderer-Kriminalität. In 41 Prozent der aufgeklärten Fälle waren Deutsche die Opfer.

Ruud Koopmans über Frauen mit Migrationshintergrund in Frauenhäusern

Ruud Koopmans sagt, in Frauenhäusern suchen mehrheitlich Frauen mit Migrationshintergrund Schutz vor Gewalt und sexueller Gewalt. Besonders türkische Frauen seien stark vertreten, sagt der Migrationsforscher.

Das ist richtig. Ein Bericht der Bundesregierung zur Situation in Frauenhäusern aus dem Jahr 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass bereits 2010 - also Jahre vor der Flüchtlingskrise - besonders viele Frauen mit Migrationshintergrund in Frauenhäusern Schutz vor Gewalt suchten. Laut dem Bericht machten in diesen Häusern Frauen mit Migrationshintergrund rund die Hälfte aller schutzsuchenden Frauen aus. Bis 2015 ist ihr Anteil nach Angaben der Frauenhauskoordinierung e.V. sogar auf über 60 Prozent gestiegen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.

Der Bericht bezieht sich darüber hinaus auf Studien, die gezeigt haben, dass für Frauen mit Migrationshintergrund ein deutlich höheres Risiko besteht, Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen zu werden. Besonders gilt dies für Frauen türkischer Herkunft. Demnach hatten 38 Prozent der Frauen mit türkischen Wurzeln angegeben, schon einmal Gewalt durch einen aktuellen oder früheren Beziehungspartner erlebt zu haben. Das sind deutlich mehr als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung in Deutschland (25 Prozent). Auch bei schwerer körperlicher oder sexueller Gewalt waren die Opfer überdurchschnittlich oft Frauen türkischer Herkunft. 18 Prozent der Befragten Frauen dieser Gruppe gaben an, schon einmal Opfer solcher Gewalt gewesen zu sein, dagegen berichteten dies "nur" fünf Prozent der deutschen Frauen. Oftmals seien die höheren Gewaltpotenziale auf schwierigere soziale Lagen, mangelnde Bildung und geringere ökonomische Möglichkeiten zurückzuführen, heißt es in dem Bericht.