Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Hans-Werner Sinn über Sozialleistungen im Vergleich
Der Ökonom Hans-Werner Sinn sagt, Sozialleistungen in Deutschland seien im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoch – vergleichbares gebe es in kaum einem anderen Land. Ist Deutschland in dieser Hinsicht tatsächlich weit vorne?
"In Europa ist Deutschland ist ein Sozialstaat unter vielen", sagt Dr. Eric Seils, Experte für soziale Sicherung und Einkommensverteilung bei der Böckler-Stiftung. Es sei sehr schwierig, ein Mindestsicherungssystem wie Hartz IV international zu vergleichen, da die unterschiedlichen Ergebnisse unter anderem von Annahmen abhängen, so Seils. “Problematisch sind etwa die Behandlung von Wohnkosten, die Auswahl der Haushaltstypen und der Maßstab – also die Frage, ob absolute Euro-Beträge oder die Unterstützung relativ zum Durchschnittseinkommen verglichen werden“, sagt der Experte.
"Legt man die Zahlen der OECD zur Höhe von Mindestsicherungsleistungen in Relation zum mittleren Einkommen zugrunde, dann lässt sich angesichts der enormen Unsicherheit kaum mehr sagen, als dass das deutsche Hartz IV in Europa ganz gut mit schwimmt", sagt Seils. Für aussagekräftigere Erkenntnisse sei die Datenlage allerdings zu schwach, so der Experte.
Sina Trinkwalder und Alexander Krauß über offene Stellen
Die Unternehmerin Sina Trinkwalder sagt, die derzeit 1.1 Millionen offenen Stellen in Deutschland seien entweder Arbeitsplätze für Hochqualifizierte oder lediglich prekäre Jobs. Nein, sagt dagegen Alexander Krauß (CDU): Viele dieser offenen Stellen seien “normale“ Jobs, in die Hartz-IV-Empfänger wieder in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Für wen gibt es besonders viele offene Stellen?
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) untersucht in regelmäßigen Abständen unter anderem die offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt. Demnach waren Ende vergangenen Jahres tatsächlich rund 1,1 Millionen Stellen zu besetzen. Das IAB analysiert zudem die erforderlichen Qualifikationsniveaus der zu vergebenden Arbeitsplätze. Demnach wurde Ende 2016 für die Mehrzahl der Jobs (64 Prozent) eine Berufsausbildung gefordert. Für 20 Prozent der Stellen war kein Berufsabschluss nötig. 16 Prozent der offenen Stellen erforderten einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss.
"Derzeit werden Fachkräfte mit einer Berufsausbildung und sogenannte Spezialisten - z.B. Meister - im Allgemeinen eher gesucht als Akademiker", sagt auch Eric Seils. Mechatroniker, Klempner und Pflegekräfte seien derzeit sehr gefragt. Seils weist allerdings darauf hin, dass die offenen Stellen nicht in erster Linie von den derzeit rund 2,4 Millionen Arbeitslosen besetzt werden, sondern zumeist von Beschäftigten aus anderen Betrieben oder von Personen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen. "Zudem muss berücksichtigt werden, dass Empfänger von Mindestsicherungsleistungen oft mehrere Vermittlungshemmnisse haben. Dazu zählen etwa gesundheitliche Einschränkungen und Betreuungspflichten, die es ihnen erschweren eine (Vollzeit-) Beschäftigung aufzunehmen", sagt Seils.
Hans-Werner Sinn über Agenda 2010 und die Folgen
Hans-Werner Sinn sagt, in der Folge der Agenda 2010 habe zwar die Lohnungleichheit zugenommen, nicht aber die Ungleichheit beim Einkommen. Hat er Recht?
Eric Seils erläutert zunächst den Unterschied zwischen Lohn- und Einkommensungleichheit: “Das bei der Messung der Einkommensungleichheit zugrunde liegende Einkommen umfasst alle Einkommen eines Haushaltes“, erklärt Seils. Hierzu zählen demnach Löhne, Kapitaleinkommen und Sozialleistungen abzüglich Steuern und Abgaben. Zudem wird die Zahl der Personen in einem Haushalt durch eine so genannte Bedarfsgewichtung berücksichtigt. Dem gegenüber steht die Lohnungleichheit. Sie werde zumeist mit Hilfe der individuellen Bruttostundenlöhne gemessen, so Seils.
Tatsächlich gab es für beide Ungleichheiten unterschiedliche Entwicklungen: “Es ist richtig, dass die Einkommensungleichheit seit 2005 einigermaßen gleich geblieben ist. Die Lohnungleichheit ist nach 2005 zunächst weiter angestiegen, wächst in jüngerer Zeit jedoch nicht mehr“, sagt der Experte.