Eine Hand hält Geldscheine gefächert vor einem Rathaus

Klagen gegen Gemeindefinanzierungsgesetz

Geld für Kommunen gerecht verteilt?

Stand: 22.06.2011, 06:00 Uhr

Vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster wird am Mittwoch (22.06.2011) eine Klage gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2008 verhandelt. Eine Klage gegen das GFG 2011 steht bevor. Kann das Geld überhaupt gerecht verteilt werden?

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Die Klage gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz 2008 haben der Kreis Recklinghausen und neun Städte des Kreises eingereicht. Sie bemängeln, der im GFG 2008 von der alten CDU/FDP-Landesregierung geregelte Finanzausgleich reiche nicht aus, um die Kosten für kommunale Pflicht- und Selbstverwaltungsaufgaben zu decken. Auch gegen das GFG 2011 soll Verfassungsbeschwerde einlegt werden, wie am Montag (20.06.2011) bekannt wurde. Die Initiative dafür geht von Kommunen aus dem münsterländischen Kreis Coesfeld aus. Sie sehen sich durch das Gesetz, das von der amtierenden rot-grünen Landesregierung formuliert wurde, ebenfalls massiv benachteiligt.

Über diese Klagen hat WDR.de mit Janbernd Oebbecke gesprochen. Er ist Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität Münster. Obbecke hat in den letzten Jahren zum Thema Kommunalfinanzen geforscht.

WDR.de: Weshalb klagen immer wieder NRW-Kommunen gegen Gemeindefinanzierungsgesetze?

Professor Janbernd Oebbecke: Da kommen zwei Entwicklungen zusammen. Zum einen sind öffentliche Mittel knapp, wovon auch die Gemeinden betroffen sind. Zum anderen sind die Daten, auf deren Grundlage der kommunale Finanzausgleich berechnet wird, schon länger nicht mehr aktualisiert worden. Das wird nun nachgeholt, was zu relativ großen Veränderungen bei der Berechnung führt - und bei manchen Kommunen für entsprechenden Unmut sorgt.

WDR.de: Wer hat versäumt, die Aktualisierung durchzuführen?

Oebbecke: Die schwarz-gelbe Landesregierung hätte spätestens vor zwei Jahren die Berechnungsgrundlage an die veränderten wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten anpassen müssen. Das ist unterblieben, weil man damals das Berechnungssystem insgesamt überprüft hat. Diese Verzögerung ist zwar verständlich, aber sie wirkt sich jetzt natürlich entsprechend aus: Die von der rot-grünen Minderheitsregierung mittlerweile vorgenommenen Änderungen sind stärker, als sie bei einer regelmäßigen Aktualisierung der Daten gewesen wären.

WDR.de: Wie unterscheiden sich die Klagen gegen die Gemeindefinanzierungsgesetze von 2008 und von 2011?

Oebbecke: Gegen das Gesetz von 2008, das nun vor dem NRW-Verwaltungsgerichtshof in Münster verhandelt wird, wenden sich Gemeinden aus dem Kreis Recklinghausen. Sie beanstanden, dass ihre besondere Belastung im Sozialbereich durch Arbeitslosigkeit und ihre Folgen nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Im Unterschied dazu stehen hinter der angekündigten Klage gegen das Gesetz von 2011 vor allem Gemeinden aus dem ländlichen Raum, etwa aus dem Münsterland. Sie behaupten, dass die Sondersituation des ländlichen Raumes mit seinen Infrastrukturproblemen nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.

Für den Hintergrund: Der Finanzausgleich für 2008 basiert auf den Steuereinnahmen von 2006. Der Finanzausgleich für 2011 hingegen hat als Berechnungsbasis die Steuereinnahmen von 2009 - dem Jahr, das durch die Finanzkrise geprägt war.

WDR.de: Gibt es darüber hinaus auch Fehler in den beanstandeten Gesetzen?

Oebbecke: Das kann man nicht ausschließen, aber es spricht aus meiner Sicht nichts dafür. Die Gesetze sind im Großen und Ganzen relativ gerecht ausgestaltet. Es handelt sich vielmehr um eine Verteilungsproblematik: Wenn Gemeinden aus der Ballungsrandzone des Ruhrgebietes mit hoher Arbeitslosigkeit und Gemeinden aus dem Münsterland mit niedriger Arbeitslosigkeit beinahe gleichzeitig Verfassungsbeschwerde erheben - dann spricht das dafür, dass insgesamt zu wenig Geld im System ist.

WDR.de: Bildlich gesprochen ist die Bettdecke, die alle Kommunen wärmen soll, also zu kurz, weil nicht genügend Geld vorhanden ist?

Oebbecke: Es ist in der Tat so, dass die Mittel insgesamt knapp sind. Deshalb ist der Verteilungskampf scharf und die Neigung, solche Verteilungen gerichtlich überprüfen zu lassen, besonders ausgeprägt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist diese Neigung bei NRW-Kommunen allerdings besonders groß. Das liegt daran, dass es nirgendwo sonst in Deutschland so viele Gemeinden gibt, die ihren Haushalt nicht ausgleichen.

WDR.de: Was raten Sie Kommunen, die zu wenig Geld haben?

Oebbecke: Die Gemeinden haben die Möglichkeit, selber Steuern zu erheben - sowohl die Grundsteuer als auch die Gewerbesteuer. Das wird bei der ganzen Debatte gerne vergessen. Anders als das Land können die Gemeinden Steuern erhöhen. Das ist für die meisten Gemeinden eine realistische Möglichkeit. Natürlich ist es aber leichter gegen das Land zu klagen, als sich selbst beim Bürger durch Steuererhöhungen unbeliebt zu machen.

Das Interview führte Dominik Reinle.

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