Daumen und Zeigefinger halten einen kleinen Turm aus Münzen

Geld für die Kommunen wird neu verteilt

Fragen und Antworten zum Gemeindefinanzierungsgesetz

Stand: 23.02.2011, 10:59 Uhr

7,92 Milliarden Euro - so viel überweist das Land NRW in diesem Jahr an die Kommunen. Wie das Geld verteilt wird, regelt das Gemeindefinanzierungsgesetz. Mit dem neuen Gesetz sind viele Städte unzufrieden.

Von Rainer Kellers

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Was ist das Gemeindefinanzierungsgesetz?

Das Grundgesetz schreibt vor, dass die Kommunen vom Aufkommen der Gemeinschaftssteuern in einem Bundesland einen bestimmten Prozentsatz abbekommen. Gemeinschaftssteuern sind Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer. Wie groß der Anteil der Städte und Kommunen am Steuergeld ist, legt jedes Land im Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) fest. In NRW liegt der Anteil, der sogenannte Verbundsatz, bei 23 Prozent. Im GFG ist außerdem geregelt, in welcher Höhe die Kommunen an den Landessteuern - insbesondere der Grunderwerbsteuer - beteiligt werden. Hierbei gibt NRW 23 Prozent von vier Siebteln seiner Einnahmen ab. Insgesamt überweist das Land 2011 gut 7,92 Milliarden Euro an die Kommunen, 323.000 Euro mehr als im Jahr 2010.

Wie das Geld verteilt wird, welche Kommune also wie viel aus dem Gesamttopf erhält, wird ebenfalls durch das GFG festgelegt. Die Berechnung ist kompliziert. Vereinfacht gesagt hängt die Höhe der jeweiligen Zuweisungen - sie heißen Schlüsselzuweisungen - von den Steuereinahmen einer Kommune und deren Finanzbedarf ab. Je niedriger die Steuereinnahmen sind und je höher der errechnete Finanzbedarf, desto mehr Geld bekommt die Kommune vom Land. Die Gesamtsumme für alle Kommunen ist aber gedeckelt, so dass mehr Geld für die einen gleichzeitig Verluste für andere bedeutet.

Was ist neu im Gesetzentwurf 2011?

Der kommunale Finanzausgleich muss jedes Jahr neu austariert werden, deshalb wird jedes Jahr ein neues Gesetz benötigt. Im Gesetzentwurf für das laufende Jahr hat die neue Landesregierung aber erhebliche Änderungen vorgenommen. Denn erstmals seit vielen Jahren wurden die statistischen Eckwerte für die Berechnung des Finanzbedarfs aktualisiert. Zu diesen sogenannten Grunddaten gehören die Einwohnerzahl, die Zahl der Schüler in einer Gemeinde, die Soziallasten und die Zahl der aus dem Umland anreisenden Berufspendler. Die Grunddaten hat das Innenministerium zuletzt 2003 angepasst, auf der Basis von Statistiken aus dem Jahr 1999. Seither haben sich die Daten teilweise erheblich verändert. Dem soll das neue Gesetz nun Rechnung tragen.

Welche Daten wurden geändert?

Sozialansatz: Die wichtigste Änderung betrifft die Sozialausgaben. Sie werden nun deutlich stärker berücksichtigt als in früheren Jahren, weil auch die Ausgaben der Kommunen für ihre Sozialleistungen erheblich gestiegen sind. Als Grundlage für die Berechnung des Sozialansatzes wird die Zahl der Bedarfsgemeinschaften (Hartz-IV-Empfänger) herangezogen. Diese Zahl wird mit einem bestimmten Faktor multipliziert - bislang 3,9. Um die seit 1999 enorm gestiegenen Ausgaben auszugleichen, müsste der Faktor nach Berechnungen des Ministeriums eigentlich auf 15,3 steigen. Das hätte erhebliche Umverteilungen der Gelder unter den Kommunen zur Folge gehabt. Deshalb hat das Ministerium für 2011 den Faktor lediglich auf 9,6 erhöht. Doch auch so erhalten Städte mit vielen Hartz-IV-Empfängern deutlich mehr Geld. Kommunen mit wenigen Hartz-IV-Empfängern hingegen schneiden im Finanzausgleich schlechter ab als vorher.

Fiktiver Hebesatz: Ein großer Teil der kommunalen Einnahmen stammt aus der Gewerbesteuer und den Grundsteuern. Jede Kommune kann die Höhe dieser Steuern selbst festlegen. Um die Steuerkraft einer Kommune zu ermitteln, zieht das Land aber nicht die tatsächlichen Steuereinnahmen heran - denn dann wäre es für die Städte möglich, sich mit niedrigen Steuersätzen arm zu rechnen, um vom Finanzausgleich zu profitieren. Stattdessen errechnet das Land einen landesweiten Durchschnitt für jede der drei Steuern: die fiktiven Hebesätze. Im GFG 2011 hat das Ministerium die fiktiven Hebesätze erhöht, weil auch die tatsächlichen Steuersätze im Schnitt gestiegen seien. Die Folge: Kommunen mit niedrigen Steuern werden reicher gerechnet, als sie sind. Viele Städte werden ihre Steuern anheben müssen.

Hauptansatz: Je mehr Einwohner eine Stadt hat, desto mehr Geld erhält sie für jeden Bürger. Damit soll ein Ausgleich geschaffen werden für die höheren Infrastrukturkosten größerer Städte. Das Ministerium hat nun die Geldsumme je Einwohner insgesamt gesenkt. Dadurch wird der Finanzbedarf für alle Kommunen niedriggerechnet.

Wer profitiert von den Änderungen, wer hat Nachteile?

Das ist nicht so leicht zu sagen, denn es spielen viele Faktoren eine Rolle. "Gewinner" sind in der Regel Städte mit hohen Sozialkosten und geringer Wirtschaftsleistung. Nach einer ersten Modellrechnung profitieren zum Beispiel Mönchengladbach, Remscheid und Wuppertal. Über das größte Plus kann sich Köln freuen - 64,8 Millionen Euro. Das liegt an der gesunkenen Wirtschaftskraft nach der Finanzkrise, aber auch an den vielen Bedarfsgemeinschaften in Köln. Doch längst nicht alle großen Städte erhalten mehr Geld. Duisburg, Essen oder Bochum zum Beispiel bekommen weniger Geld. Zu den großen "Verlierern" gehören aber insbesondere viele kleinere Städte und Landkreise, Gemeinden also, die keine hohen Sozialkosten tragen müssen. Oft sind diese Kommunen aber strukturschwach und haben hohe Infrastrukturkosten zu schultern, die im GFG nicht berücksichtigt werden. Viele ländliche Kommunen fühlen sich deshalb ungerecht behandelt.

Welche Kritik gibt es am GFG 2011?

Zwei Windräder vor blauem Himmel im Münsterland

Das Münsterland als benachteiligte Region

Die Opposition in Düsseldorf beklagte denn auch, dass das Gesetz unausgewogen sei und den ländlichen Raum gegenüber den Großstädten stark benachteilige. Insbesondere das Münsterland sei betroffen, monierte CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann, der selbst aus dem Münsterland stammt. FDP und CDU sind der Meinung, dass die Soziallasten bei der Lastenrechnung zu stark gewichtet würden. Andere Kosten, zum Beispiel weite Fahrtwege von Schulbussen in ländlichen Regionen, würden nicht berücksichtigt.

So denkt auch der Städte- und Gemeindebund in NRW. Viele Kommunen würden durch deutlich geringere Zuweisungen in ein Haushaltssicherungskonzept gezwungen. Außerdem sei das Gesetz kurzfristig und ohne Vorwarnung in den letzten Tagen des Jahres 2010 vom Kabinett beschlossen worden. Zu einem Zeitpunkt also, an dem viele Kommunen ihre Haushaltspläne für 2011 bereits fertig gehabt hätten. Der Städtetag NRW hingegen bemängelt, dass die Leistungen der Großstädte für ihr Umland nicht ausreichend berücksichtigt würden.

Die Städte selbst sind wenig überraschend geteilter Meinung. Während beispielsweise Frank Baranowski, der Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, die höhere Gewichtung der Soziallasten ausdrücklich lobt (und leise beklagt, dass sie nicht noch stärker zählen), denken andere Kommunen über Resolutionen und sogar Verfassungsklagen nach. So hatten beispielsweise die Landräte der vier Münsterlandkreise (Warendorf, Coesfeld, Steinfurt und Borken) sowie der Oberbürgermeister der Stadt Münster einen eindringlichen Appell an die Regierung geschickt, das Gesetz so zu verändern, dass auch das Münsterland damit leben könne. Bislang ohne Erfolg.

Wie geht es weiter?

Das GFG wurde am Mittwoch (23.02.11) zusammen mit dem Haushalt des Jahres 2011 in den Landtag eingebracht. Die Abstimmung findet voraussichtlich im Mai statt. Ob das GFG dann tatsächlich Gesetz wird, ist fraglich. Denn wenn der Haushalt im Landtag scheitern sollte, scheitert auch das neue Gemeindefinanzierungsgesetz - und muss, womöglich nach Neuwahlen, neu verhandelt werden.

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