Ein Security-Mitarbeiter hat am frühen Sonntagmorgen (06.12.2015) möglicherweise einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim in Ahlen im Münsterland verhindert. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Münster am Montag mitteilten, hatte der Mann gegen 2:20 Uhr gerade den Außenbereich der Unterkunft kontrolliert, als etwa sechs Personen plötzlich aus den Büschen sprangen und auf den Eingang der Einrichtung zuliefen. Die Angreifer hatten sich mit Schals und Mützen vermummt. Drei der Täter konnten der Wachmann und seine Kollegen aufhalten, entwaffnen und der Polizei übergeben.
Dabei stellten die Beamten insgesamt zwei Messer, eine Rauchbombe und eine Spraydose sicher. Den anderen Angreifern gelang die Flucht. Bei dem Trio handelt es sich um Männer im Alter von 20 bis 22 Jahren aus dem Kreis Warendorf, einer davon ist laut Staatsanwaltschaft bereits früher wegen fremdenfeindlicher Parolen aufgefallen. Der Staatsschutz habe Ermittlungen aufgenommen. Mittlerweile sei die Identität eines vierten Angreifers ermittelt, teilte die Staatsanwaltschaft am Montagnachmittag mit.
Angreifer sind wieder frei
Doch schon am Tag nach dem missglückten Anschlag waren die zunächst inhaftierten drei Verdächtigen wieder auf freiem Fuß. "Derzeit müssen sie nur mit einem Verfahren wegen Hausfriedensbruchs rechnen", sagte Oberstaatsanwalt Heribert Beck dem WDR. Angesichts dessen hätten auch keine wichtigen Haftgründe vorgelegen. "Die Männer haben sich nicht zu Sache geäußert. Deshalb wissen wir nicht, was sie vorhatten." Weil die Angreifer nicht zu den Flüchtlingen vorgedrungen seien, sei auch niemand direkt bedroht worden. "Juristisch haben wir in solchen Fällen keine weitere Handhabe."
Engagierte Helfer sind empört
Bei den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern in Ahlen löst die Entscheidung Empörung aus. "So etwas kann man gar nicht hart genug bestrafen", sagt Angelika Knöpker, Vorsitzende des Fördervereins für Flüchtlinge Ahlen. "Diese Leute verbreiten Angst und Schrecken. Das muss in Zukunft anders geahndet werden." Dies sei auch deshalb wichtig, weil sich in Ahlen bisher noch keine starke rechte Szene etablieren konnte. "Da wäre ein strenges Vorgehen von Polizei und Justiz wichtig, um mögliche Nachahmer abzuschrecken", meint Knöpker.
"Der Fall in Ahlen zeigt deutlich, wie groß das Gewaltpotential mittlerweile ist", sagt auch Antonia Kreul vom Flüchtlingsrat NRW. Sie sieht vor allem die Politik in der Pflicht. "Sie muss klar stellen, dass Schutz suchende Flüchtlinge in Deutschland willkommen sind." Man werde die juristische Aufarbeitung des Falls genau verfolgen.
Keine neuen Zahlen
Bis zum 1. Oktober 2015 hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen insgesamt 121 Anschläge auf Flüchtlingsheime registriert. Bei 115 Delikten gehen die Ermittler von einem rechtsextremen Hintergrund aus. In den meisten Fällen ermitteln die Fahnder wegen Sachbeschädigung oder Volksverhetzung – zum Beispiel bei fremdenfeindlichen Graffiti. Allerdings laufen auch Ermittlungen wegen 14 Gewaltdelikten und sechs Fällen von Brandstiftung. Seitdem sind offenbar weitere Fälle hinzugekommen – laut NRW-Innenministerium liegen aber zurzeit noch keine neuen Zahlen vor.
Seit 2012 - als Reaktion auf die Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) – gibt es in der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts das "Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus". Seitdem werden dort zentral alle Delikte erfasst, bei denen von einem rechtsextremistischen Hintergrund ausgegangen wird - auch die Anschläge auf die Flüchtlingsheime in NRW. Durch die Bündelung der Kräfte sollen Anhaltspunkte für überregionale, länderübergreifende oder internationale Tatzusammenhänge leichter erkannt werden.