21. Juni 1998 - Polizist Daniel Nivel von deutschen Hooligans schwer verletzt

Der französische Polizist Daniel Nivel wird am 21. Juni 1998 von deutschen Hooligans fast tot geprügelt. Noch heute leidet er unter den Folgen der Gewalttat.

"Los jetzt, es sind nur drei. Die hauen wir um!" Mit diesen Worten beginnt laut Zeugenaussagen einer der schwärzesten Momente in der deutschen Fußballgeschichte. Hooligans jagen nach einem WM-Spiel in Lens Polizisten und prügeln auf den französischen Gendarmen Daniel Nivel ein. In nur zwei Minuten zerstören die Täter das Leben eines Mannes und dessen Familie.

Schande von Lens: Hooligan-Angriff auf Daniel Nivel WDR ZeitZeichen 21.06.2023 14:11 Min. Verfügbar bis 21.06.2099 WDR 5

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Der 21. Juni 1998 ist ein warmer Sommertag. Deutschland spielt in der WM-Vorrunde in Lens gegen Jugoslawien. Das enttäuschende 2:2 wird aber schnell zur Nebensache. Wovon die Fans im Stadion nichts mitbekommen: in der Innenstadt heizt sich die Stimmung parallel immer weiter auf.

Hunderte deutsche Hooligans ohne Ticket sind anlässlich des Gruppenspiels mit nach Frankreich gereist. Nachdem eine offenbar geplante Schlägerei mit englischen Fans durch die französische Polizei vereitelt wurde, liefern sich die gewaltbereiten Anhänger Straßenschlachten mit der Gendarmerie.

"Als träte man gegen einen Fußball"

Am Ende einer Seitenstraße trifft eine Gruppe deutscher Hooligans auf drei Polizisten. Zwei von ihnen können fliehen, Nivel bleibt. Das wird dem damals 43-jährigen Vater von zwei Kindern zum Verhängnis.

Die Täter gehen mit einer Brutalität vor, die selbst in der Hooliganszene später scharf verurteilt wird. Einer der Männer schlägt mit einem Werbeschild auf den hilflosen Beamten ein. Als der auf dem Bürgersteig zu Boden geht, verliert er seinen Helm und seinen Gewehraufsatz. Den nutzen die Täter als Schlagknüppel. "Es war halt so, als träte man gegen einen Fußball", sagt ein Täter später.

Die Bilder, die Nivel auf dem Bürgersteig in seinem Blut liegend zeigen, entsetzen die Welt. Als "Schande für unser Land" bezeichnet der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl die Hooligans. Man könne diese Tat "gar nicht scharf genug verurteilen". Als Reaktion gründet der DFB die Daniel-Nivel-Stiftung, die sich bis heute auch um Gewaltprävention kümmert.

Haftstrafen für die Täter, lebenslange Folgen für Nivel

Die Täter erhalten Haftstrafen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren. Für die Angehörigen ein schwacher Trost: "Sie kommen wieder frei. Aber unserer Familie haben sie endloses Leid zugefügt", sagt Nivels Frau Lorette. "An diesem 21. Juni ist unser Leben zerstört worden."

Sechs Wochen lang liegt der Polizist im Koma. Danach muss er die einfachsten Dinge wieder neu lernen. Heute ist Nivel 69 Jahre alt. Er lebt mit seiner Frau zurückgezogen in einem behindertengerechten Haus in der Nähe von Lens - immer noch finanziell unterstützt vom DFB. Er ist rechtsseitig gelähmt, auf einem Auge blind. Er hört schlecht, kann nicht mehr riechen und nicht schmecken. An den Überfall hat Nivel selbst keine Erinnerungen mehr.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Matti Hesse​

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