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WDR 3 Werkbetrachtung: Paul Hindemith "Der Schwanendreher"

Stand: 24.03.2017, 09:32 Uhr

"Ein Spielmann kommt in frohe Gesellschaft und breitet aus, was er aus der Ferne mitgebracht hat: ernste und heitere Lieder, zum Schluss ein Tanzstück." notierte Paul Hindemith 1935 zu seinem dritten Konzert für Bratsche und kleines Orchester "Der Schwanendreher". Tabea Zimmermann stellt das Werk vor.

Paul Hindemith schreibt "Der Schwanendreher" aus einem  spontanen Einfall heraus, im Urlaub, der ihn im September 1935 unter anderem in die Schweiz führt. Erst ein paar Wochen sind vergangen nach Vollendung seiner Oper "Mathis der Maler". Eine Möglichkeit, die Oper aufzuführen, zeichnet sich nicht ab.

Seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten werden Hindemiths Werke bekämpft, sie sind als "kulturbolschewistisch" unerwünscht. Der Komponist, der auch ein virtuoser Bratschist war, darf nicht mehr solistisch auftreten. Als 1938 in der berüchtigten Ausstellung "Entartete Musik" explizit auf seine jüdische Frau hingewiesen wird, bleibt beiden nur das Exil als Ausweg.

Die Verwendung altdeutscher Volkslieder in "Der Schwanendreher" ist beileibe kein Zugeständnis an einen national-konservativen Zeitgeschmack. Im Gegenteil, Volkslieder derart konsequent zum Ausgangspunkt einer Komposition zu machen und nicht nur als nostalgisches Zitat zu verwenden, ist höchst modern.

Die Texte jener Lieder, die Hindemith aus Franz Magnus Böhmes "Altdeutschem Liederbuch" entnimmt, summieren sich zu einer persönlichen Botschaft des Komponisten: Abschied, Schmerz und Trennung werden hier thematisiert. In einem Partitur-Vorwort sieht sich Hindemith selbst als Spielmann, und Zusammenhänge mit anderen Kompositionen deuten auf eine Heimatlosigkeit, die Hindemith zu jener Zeit bereits spürt.

Im Mittelteil des zweiten Satzes des "Schwanendrehers" verarbeitet Hindemith zum Beispiel das Lied "Der Gutzgauch auf dem Zaune saß". In alter Volkspoesie ist der Kuckuck (Gutzgauch) der Ausgestoßene, Verhöhnte.

Das Lied "Seid ihr nicht der Schwanendreher", das Hindemith im letzten Satz variiert, hat dem Konzert seinen einprägsamen Namen gegeben. Bis heute rätselt man, was damit gemeint ist. Ein Schwanenpfleger? Ein Kochgehilfe, der gebratene Schwäne über dem Rost dreht? Auch Hindemith wusste das selbst nicht genau, und in den Karikaturen, die er zum "Schwanendreher" zeichnete, versucht er, der Sache auf heitere Art etwas näher zu kommen. Vielleicht ist der Titel auch auf den Musikbetrieb der Nationalsozialisten gemünzt, den Hindemith in einem satirischen Gedicht als "Geflügel-Zuchtanstalt" charakterisiert.

Die Uraufführung des "Schwanendrehers" findet bereits am 14. November 1935 statt, Willem Mengelberg leitet das Concertgebouw Orchester Amsterdam. Nicht in Deutschland, wohl aber in ganz Europa konzertiert Hindemith selbst damit höchst erfolgreich, bis 1939 spielt er das Konzert 29 Mal öffentlich.

Tabea Zimmermann, seit 2013 im Stiftungsrat der Schweizer "Fondation Hindemith", ist zweifellos eine ideale Interpretin für das technisch höchst fordernde Stück. Für sie ist "Der Schwanendreher", wie alle Bratschenwerke Hindemiths, keine ruppige Neoklassik, sondern Musik, die sanfte Töne und eine feine Klangbalance erfordert.  

Eine Collage von Markus Bruderreck

Redaktion: Eva Küllmer