Userfragen zu Behandlungsfehlern

Mut gegen Halbgötter in Weiß

Stand: 07.11.2014, 09:30 Uhr

Die Doku "Ärztefehler - Vom langen Kampf für Gerechtigkeit" erzählt von zwei behandelten Patienten - mit dramatischen Folgen für die Betroffenen. Im Social TV hatten User am Montagabend (10.11.2014) Gelegenheit, Experten Fragen zum Thema zu stellen. Die wichtigsten Antworten im Überblick.

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Auf die Userfragen antwortete Markus Meinecke, Fachanwalt für Medizinrecht. Er vertritt zwei der in der Doku gezeigten Patienten. Mit im Chat war auch Thomas G. Becker, Autor von "Ärztefehler - Vom langen Kampf für Gerechtigkeit".

Unendlich viel Geduld

"Man braucht unendlich viel Geduld. Für mich liegt der Fehler im System", schreibt Userin Julia Diemer. Sie frage sich, was mit den Menschen passiere, denen ein Behandlungsfehler widerfahren ist, die aber schon zu alt oder geistig behindert sind und sich nicht mehr wehren könnten. Bei all den Einsparungen an Krankenhäusern sorge sie sich um die Patientensicherheit. "Um dann einen passenden Gutachter zu finden, kann es Jahre dauern. Macht eine Pflegekraft einen Fehler, hat es schnell Konsequenzen. Macht einen Arzt einen Fehler - nun ja." Thomas Becker gibt ihr Recht: "Sie haben einen wichtigen Punkt angesprochen. Ein kleiner Widerspruch allerdings: Für Ärzte und Schwestern sind die Konsequenzen in der Regel gleich, da für sie das Krankenhaus bzw. die Versicherung haftet." Versicherungen zahlten in beiden Fällen nicht gern.

Um gutachterliche Hilfe bitten

Wehren lohne sich nicht in jedem Fall, meint User Hans und fragt, wie man einen Arztfehler denn erkennen könne. Rechtsanwalt Markus Meinecke antwortet: "Ein Fachmediziner kann im Rahmen eines Gutachtens durchaus feststellen, ob man standardgerecht vorgegangen ist oder nicht. Im letzteren Falle wäre es dann ein Haftungsfall." Manchmal ist der Fall dagegen eindeutiger. "Der Chefarzt persönlich gab Fehler bei der Behandlung zu, schob dies jedoch auf die medizinischen Geräte, welche bei der neuen OP-Methode verwendet wurden", schreibt ein anonymer User. "Auch mehrere Gutachten verliefen im Sand. Die Gutachter selbst gaben zu, überfordert zu sein, da es nicht ihr Spezialgebiet wäre."

Bei Gericht fänden die bearbeitenden Richter mit Sicherheit den richtigen Gutachter, widerspricht Rechtsanwalt Markus Meinecke. "Außerdem kann man bei den Ärztekammern nach geeigneten Gutachtern für einen solchen Fall nachfragen." Grundsätzlich seien Krankenhäuser aber für ihre Gerätschaften verantwortlich. "Im Streitfall muss auch beispielhaft nachgewiesen werden, dass diese regelmäßig kontrolliert und gewartet werden. In der Praxis kommt es leider oft vor, dass man hier nicht den nötigen Anforderungen nachkommt", so Meinecke.

Uneinsichtige Ärzte, mächtige Versicherungen

Was aber tun, wenn ein Mediziner ganz und gar uneinsichtig ist? Das bewegt User "lege arthis", er schreibt: "Welche Möglichkeit gibt es, einen Arzt dazu zu bewegen, zuzugeben, dass er Fehler begangen hat?" Er schildert seine Krankengeschichte und schreibt weiter: "Das Netzwerk der sogenannten Halbgötter in Weiß ist fast nicht zu durchbrechen und die Haftpflichtversicherungen der Ärzte glauben, sie seien allmächtig." Ein Gespräch auf Augenhöhe gebe es nicht. Die wirtschaftlichen Hintergründe, einem Patienten dazu zu raten, möglichst bald diese Operation durchführen zu lassen, stehen aus Sicht des Users ganz vorn.

Markus Meinecke empfiehlt fachanwaltlichen Beistand. "Der nimmt auf der einen Seite Kontakt zu der zuständigen Berufshaftpflichtversicherung des Klinikums auf, und fordert auf der anderen Seite alle medizinischen Behandlungsunterlagen der verantwortlichen Klinik an." Der ausgesuchte Anwalt solle dann nach Möglichkeit fachmedizinische Sachverständige zur weiteren Klärung beauftragen.

Schadenersatz erhalten

"Wie kann ich Aufklärung darüber bekommen, welchen Schadensersatz meine Krankenkasse von den ärztlichen Haftpflichtversicherungen erhalten hat, nachdem ich zwei Prozesse gewonnen habe?", möchte Userin Johanna Darkaam wissen. "Ich weiß nämlich, dass der Krankenkasse alles anerkannt wurde, was man mir abgesprochen hat als Folge der Fehloperationen."

"Die Krankenkassen halten sich hier häufig bedeckt", erklärt Markus Meinecke, "Anspruch auf Information besteht hier nicht. Grundsätzlich kann die Krankenkasse heutzutage über den medizinischen Dienst der Krankenkassen Hilfe anbieten. So kann man bitten, dass dieser Fall von den Gutachtern des MDK kostenfrei begutachtet wird." An sich sollte die Krankenkasse ein eigenes Interesse an einer schonungslosen Aufklärung haben, um selbst Schadenersatzansprüche durchsetzen zu können, so Anwalt Meinecke.

Tödliche Behandlungsfehler

Ihren besonders tragischen persönlichen Fall schildert Userin Terhi. Ihr Mann starb vor zwei Jahren auf dem Operationstisch, laut Obduktionsbericht infolge massiver Aortaverletzungen. "Bevor es zu dieser tödlichen Verletzung gekommen ist, hat der Chirurg noch seinen Darm- oder Magenbereich verletzt. Über diesen ersten Fehler hat mich die Klinik überhaupt nicht informiert", schreibt Terhi. Nun wisse sie nicht mehr weiter, ein Anwalt habe ihr nicht weitergeholfen.

Markus Meinecke empfiehlt ausdrücklich, sich nur an einen qualifizierten Fachanwalt für Medizinrecht zu wenden. "Dieser muss beispielhaft Obduktionsberichte etc. und auch die gesamte Behandlungsdokumentation anfordern. Eventuell hat auch die Staatsanwaltschaft hier ermittelt. Dann muss man diese Ermittlungsakten anfordern." Die Rechtsanwaltskammern hätten Listen geeigneter Anwälte.

Userin Christina Meyer fragt nach einem Schmerzensgeld-Anspruch bei einer Totgeburt durch einen Behandlungsfehler. Den habe die Mutter in einem solchen Fall meistens, sagt Markus Meinecke. "Insbesondere dann, wenn sie durch dieses dramatische Erlebnis, soweit schuldhaft, schwer traumatisiert ist."

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