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1986 gründete Karl-Ludwig Schweisfurth die Hermannsdorfer Landwerkstätten. Neben der ökologischen Landwirtschaft beherbergen sie auch verschiedene Handwerksbetriebe in ihren Mauern. Ein Paradies für Mensch und Tier.

Kritik am Vorzeigehof

Stand: 26.04.2017, 11:04 Uhr

Anfang 2016 erhob der Verein "Soko Tierschutz" harte Vorwürfe zur Schweinehaltung bei den Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Wir als Dokumentations-Redaktion des WDR haben uns intensiv damit beschäftigt und Ende 2016 aktuelle Stellungnahmen der Herrmannsdorfer Landwerkstätten und von Soko Tierschutz eingeholt, um einschätzen zu können, ob das Porträt über Karl Ludwig Schweisfurth (produziert 2014/15) im Licht der neuen Erkenntnisse noch aktuell ist.

Das Ergebnis: Die Originalfassung ist nach wie vor inhaltlich korrekt. Um größtmögliche Klarheit zu schaffen, haben wir uns dennoch für kleine Anpassungen entschieden.

Zum einen machen wir in der aktualisierten Fassung noch deutlicher, dass Karl Ludwig Schweisfurth nicht mehr die Geschäftsführung der Herrmannsdorfer Landwerkstätten innehat. Das macht seit 1996 sein Sohn, Karl Schweisfurth. Schweisfurth Senior forscht in seiner "Ersten Privaten Versuchsanstalt für Symbiotische Landwirtschaft". Diese Unterscheidung zwischen Betrieb und "Versuchsanstalt" heben wir in der aktualisierten Fassung noch deutlicher als bei der Erstausstrahlung hervor.

Zum anderen thematisieren wir stärker die Herausforderungen, denen sich ein nach "Biokreis"-Kriterien betriebener Hof wie die Herrmannsdorfer Landwerkstätten stellen muss. Um zwei Beispiele zu nennen: Auch hier werden Tiere krank und müssen unter Umständen mit Medikamenten und auch Antibiotika behandelt werden. Auch hier sterben Ferkel in den ersten Lebenstagen und -wochen und es ist umstritten, wie damit unter Tierschutzaspekten am besten umgegangen wird.

Hintergrundinformationen zum Vorgehen der "Soko Tierschutz"

Die Aktivisten hatten den Betrieb nach eigenen Angaben zwei Jahre beobachtet. Sie betraten heimlich und ohne Erlaubnis nachts den Schweinestall, machten dort Filmaufnahmen und Fotos und installierten versteckte Kameras. Außerdem sichteten sie interne Dokumente. Über die dadurch gewonnenen Informationen wurden Anfang 2016 unter anderem im ARD-Magazin „Fakt“ und in der „Süddeutschen Zeitung“ berichtet; es kam auch in sozialen Netzwerken zu hitzigen Diskussionen über mögliche Mängel bei dem häufig als Vorzeigehof beschriebenen Betrieb.

Vorwürfe, Reaktion und Einordnung

Die "Soko Tierschutz" kritisierte u.a. eine ungewöhnlich hohe Ferkelsterblichkeit von bis zu 30 Prozent, den fragwürdigen Einsatz von Antibiotika und dass die Sauen rund um die Geburt in umstrittenen "Kastenständen" gehalten wurden. Das sind Metallstände, die verhindern sollen, dass die Tiere ihre Ferkel unabsichtlich erdrücken. Zudem seien Kunden und Öffentlichkeit mit falschen Angaben getäuscht worden.

Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten um Geschäftsführer Karl Schweisfurth räumten einige Probleme ein. Tatsächlich gab es lange falsche Angaben etwa zu den Kastenständen auf der Website – dies wurde inzwischen korrigiert. Auch die hohe Ferkelsterblichkeit fiel ins Auge, wurde von den Herrmannsdorfer Landwerkstätten aber als Ausnahmewert aufgrund einer Infektion im Stall und vielen schwachen Ferkeln erklärt.

Der Verband "Biokreis", in dem die Herrmannsdorfer Landwerkstätten Mitglied sind, hat den Betrieb nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Februar 2016 untersuchen lassen und bezeichnete die Antiobiotika-Gaben danach als "begründet und ordnungsgemäß dokumentiert". Die Landwerkstätten seien auch weiterhin "Vorbild-Betrieb".

Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten heute

Inzwischen wurden die Mängel behoben. Es gibt keine Kastenstände mehr, sondern Systeme zur freien Abferkelung, bei der die Ferkel dennoch davor geschützt werden, von der Mutter erdrückt zu werden. Falsche Angaben auf der Website wurden korrigiert, dort gibt es nun ausführliche Informationen zur Schweinehaltung und auch in den Verkaufsstellen wurden die Mitarbeiter geschult und liegen Merkblätter aus.

Die Sterblichkeit bei Ferkeln ist nach Angaben der Herrmannsdorfer Landwerkstätten inzwischen gesunken und es werden weitere Verbesserungsmaßnahmen wie jüngere Sauen und Zufütterung bei schwachen Ferkeln eingesetzt. Auch der Antibiotika-Einsatz wurde reduziert und der Betrieb ist zu einem Tierarzt gewechselt, der stärker auf alternative Behandlungen setzt.  

Der Verband "Biokreis" hat Ende 2016 noch einmal die Einschätzung als "vorbildhafter Betrieb" bekräftigt. Dieses Bild hat sich nach Verbandsangaben auch nach zwei weiteren, turnusmäßigen Kontrollen der Herrmannsdorfer Landwerkstätten bestätigt.