Statt „ab in die Tonne“

Der zweite Markt der Lebensmittel

Stand: 31.10.2014, 15:23 Uhr

Wir schmeißen zu viele Lebensmittel weg - rund 82 Kilo pro Person im Jahr. Aber es verändert sich etwas. Es hat sich ein zweiter Markt für Lebensmittel entwickelt, die eigentlich schon aussortiert waren. Fünf Beispiele, wie weniger in die Tonne wandert.

1. Essensreste zu Biogas

Mitarbeiter steht vor Biogasanlage

Biogasanlage in Marl

Am Abend fahren sie bei den Kantinen vor, sogenannte "Speiseresteentsorger" oder "Spezialisten für Lebensmittelreste". Sie sammeln vergammelte Salate, versalzene Lebensmittelchargen, aufgetaute Tiefkühlpizza ein - kurz: alles, was nicht mehr genießbar ist. Diese Abfälle kommen dann zu den Biogasanlagen. Dort werden die Fremdstoffe (Verpackungen) aussortiert und die Abfälle zerkleinert. Nach der Abtrennung vom Fett, verbleiben die Bioabfälle rund 100 Tage in der Biogasanlage und durchlaufen einen mehrstufigen bakteriellen Prozess. Methangas wird hinzugefügt und nachhaltig Strom und Wärme erzeugt. Laut Landwirtschaftskammer gibt es in NRW rund 30 Biogasanlagen, die mit Speiseresten befüllt werden. Ein Großteil der Biogasanlagen wird in NRW und Deutschland mit Gülle betrieben.

2. Überschüssige Lebensmittel spenden

Mitarbeiter der Tafel Dortmund geben Lebensmittel an Bedürftige

Lebensmittelausgabe bei der Tafel Dortmund

Viele Supermärkte verschenken die Lebensmittel, die liegenbleiben an karitative Organisationen wie zum Beispiel Tafeln. Hier können sich Bedürftige dann Lebensmittel abholen. Noch vor eingier Zeit war das Angebot bei den Tafeln üppig und vielseitig. Bedürftige konnten alles finden, was sie zum Leben brauchten. Aber immer mehr Tafeln in NRW klagen, dass viel weniger Lebensmittel von den Märkten abgegeben werden.
Der Grund: Die Märkte kalkulieren besser. Zudem werden die Biogasanlagen zu unliebsamen Konkurrenten. Auch wenn es nicht so sein sollte: Oft landen in den Anlagen auch abgelaufenen Lebensmittel, die noch essbar wären. Für die Supermärkte ist es schlichtweg weniger aufwendig an Biogasanlagenbetreiber zu liefern, statt für die Tafeln vorzusortieren.

3. Supermärkte kalkulieren besser

Verkäuferin versieht Lebensmittte mit Preisetiketten

Reduzierte Ware im Kühlregal

Hier scheint eine enge Kalkulation sinnvoll. Die Einzelhändler ordern von vorneherein weniger und was vom Tag übrig bleibt, wandert nicht mehr so schnell in den Abfall. Stattdessen gibt es Waren, die sich dem Verfallsdatum nähern Rabatt; Bäcker verkaufen das Brot vom Vortag oft für die Hälfte. Allerdings muss hier noch der Verbraucher verstärkt umdenken. Solange wir schnell verderbliche Erdbeere auch im Oktober verlangen, muss eben doch viel weggeworfen werden.

Thomas Roeb

Prof. Dr. Thomas Roeb, Handesexperte, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

"Moderne IT-Systeme ermöglichen dem Handel gerade im sensiblen Frischebereich eine bessere Prognose der Nachfrage und damit die Vermeidung von Abfällen", erklärt Handelsexperte Thomas Roeb. Gleichzeitig hab aber auch die öffentliche Kritik am Handel zugenommen: Dass er noch gute Lebensmittel in vermeintlich riesigen Mengen wegwerfe, führe dazu, dass selbst die tatsächlich sehr kleinen Mengen (etwa 0,5 Prozent der Gesamtmenge) aussortiertert, aber noch brauchbare Lebensmittel nicht mehr gerne öffentlichkeitswirksam verschenkt werden.

4. Bewusster einkaufen

Die Einzelstange Lauch auf dem Wochenmarkt ist zwar im direkten Vergleich teurer als ihre Schwester im eingeschweißten Dreierpack, aber wenn die beiden anderen Stangen dann doch weggeworfen werden, stimmt die Rechnung wieder nicht und wir haben unnötig Lebensmittel weggeschmissen.

5. Mindesthaltbarkeitsdatum auf dem Prüfstand

Mehrere Staaten wollen die Angabe der Haltbarkeiten EU-weit abschaffen, denn zweifellos sind Nudeln, Reis und Tee weit länger haltbar. Aus ihrer Sicht wäre das ein sinnvoller Schritt, um Lebensmittelabfälle zu verhindern. Die Aufhebung der strikten Haltbarkeitsvorgaben findet deshalb auch im NRW-Verbraucherschutz-Ministerium Unterstützung. Verbraucherschützer warnen aber vor dem vorbehaltlosen Streichen der Mindestdaten. Auch das haltbarste Lebensmittel nehme irgendwann die Giftstoffe der Verpackung auf. Bis zu 200 Substanzen wirken dann auf das Produkt ein.

Foodwatch fordert die Angabe von Herstellungs - und Verpackungsdatum, plus den Hinweis von Herstellerseite, gerade bei Trockenprodukten jenseits der möglichen Lagerfähigkeit die Produkte möglichst schnell zu verzehren. So könne man den möglichen Übergang von unerwünschten chemischen Substanzen aus dem Verpackungsmaterial auf das Lebensmittel so gering wie möglich halten.