Putins Helfer: Deutsche Unternehmen in Mariupol Monitor 04.04.2024 11:00 Min. Verfügbar bis 30.12.2098 Das Erste Von Véronique Gantenberg, Janine Arendt, Julius Baumeister, Till Uebelacker

MONITOR vom 04.04.2024

Putins Helfer: Deutsche Unternehmen in Mariupol

Es ist eines der größten Propagandaprojekte Putins in der Ukraine: der „Wiederaufbau“ der Stadt Mariupol, die Russlands Armee zuvor in Schutt und Asche gelegt hat. MONITOR-Recherchen enthüllen, dass deutsche Firmen bei vielen Bauprojekten mit dabei sind: der Baustoffhersteller Knauf aus Bayern etwa oder der Anlagenbauer WKB Systems aus Nordrhein-Westfalen. Die Unternehmen könnten dabei Sanktionen unterlaufen haben, weil sie in völkerrechtswidrig besetzten Teilen der Ukraine aktiv sind. Kritiker werfen den Unternehmen vor, sie würden dazu beitragen, die russische Besatzung Mariupols zu zementieren.

Von Véronique Gantenberg, Janine Arendt, Julius Baumeister, Till Uebelacker

Georg Restle: "Und das gilt ganz sicher auch für den Krieg in der Ukraine. Diese Stadt hier steht wie keine andere für die Brutalität des russischen Angriffskriegs: So sah Mariupol aus, nachdem Putins Armee die Stadt im Südosten der Ukraine fast dem Erdboden gleichmachte. Wohnhäuser, Theater, Krankenhäuser. Heute sieht die Stadt an vielen Stellen so aus: Wieder aufgebaut – als riesiges Propagandaprojekt des gleichen Präsidenten, der sie zuvor in Schutt und Asche legen ließ.   Aus der ukrainischen Stadt soll jetzt eine Stadt für Russen werden. Und dabei hat Putin willige Helfer, die daran mitarbeiten: Unternehmer aus Deutschland, die offenbar keinerlei Hemmungen haben, die völkerrechtswidrige Besatzung dieser Stadt im wahrsten Sinne des Wortes zu zementieren. Recherchen von Véronique Gantenberg, Julius Baumeister, Till Uebelacker und Janine Arendt."

Putins Bomben auf Mariupol. Keine Stadt steht so sehr für die Zerstörungswut der russischen Armee wie diese. Bombenangriffe. Die Verwüstung einer Geburtsklinik. Schwangere Frauen aus den Trümmern geborgen. Bilder von Kriegsverbrechen. Über Wochen belagerten russische Truppen Mariupol. Zehntausende wurden getötet. Hunderttausende vertrieben. Der letzte Ort des ukrainischen Widerstands war das Asow-Stahlwerk. In dessen Bunkern suchten hunderte Menschen Schutz. Auch sie harrten damals dort aus: Anna Zaitseva und ihr drei Monate alter Sohn.
Wochenlang, im russischen Bombenhagel.

Anna Zaitseva: "Ich wusste nicht, ob ich überleben werde, ob ich jemals die Sonne wiedersehen werde. Und dann meine Heimat zu verlieren, meine Familie – das war das schmerzhafteste, was einem Menschen passieren kann."

Der Schmerz, die Vertreibung, die Toten. Für die Ukraine wird Mariupol zum Trauma. Für Putin gehört die Stadt jetzt zu Russland. Stück für Stück will er hier die Besatzung vollenden: russische Flaggen, russische Wahrzeichen, ein riesiges Bauprojekt. Nicht für die Ukrainer, sondern für die neuen russischen Bewohner.

Wladimir Putin, Russischer Präsident (30.09.2022): "Wir werden die Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser, Theater und Museen wieder aufbauen."

Der Wiederaufbau der Stadt, die er selbst zerstören ließ, ist für Putin so wichtig, dass er sogar persönlich die Baustellen in Mariupol besuchte. Putins russisches Mariupol – es wird gefeiert.

Ob im Staatsfernsehen, oder in den sozialen Medien.

O-Ton: "Ich schaue mir gerade die neuen Geschäfte an."

Putins Propagandamaschine läuft auf Hochtouren, doch die Bilder erzählen noch eine ganz andere Geschichte.

Wir wollen wissen: Wer profitiert von den Bauarbeiten in Mariupol? Und suchen nach offiziellen Dokumenten, Geschäftsberichten, Videos oder Fotos – sichten und analysieren viele Stunden Material. Uns fällt auf: Immer wieder sind Maschinen deutscher Hersteller in Mariupol zu sehen. Von Unternehmen, die lange Zeit in Russland aktiv waren oder es immer noch sind. Auf Anfrage teilen uns die Unternehmen mit, sie hielten sich an die Sanktionen. Doch unsere Recherchen führen noch zu einem weiteren deutschen Unternehmen.

Wir finden dieses Video hochgeladen im Oktober 2023. Es zeigt die Bauarbeiten an einer Unterführung in Mariupol. Neben den Arbeitern stehen mehrere Gipssäcke – mit dem Aufdruck: "Knauf" – einem führenden deutschen Baustoffhersteller. Was macht Knauf auf einer Baustelle der russischen Besatzer?

Wir schauen uns eine weitere Baustelle an, eine Schule in Mariupol. Die Bauarbeiten werden auf einer Seite der russischen Regierung dokumentiert. Auch hier finden wir: Produkte der deutschen Firma Knauf – diesmal ein Gipsprodukt für Fugen. Auch dieser große Wohnkomplex – gebaut mit Produkten von Knauf. Unterstützt ein führender deutscher Baustoffhersteller Putins Annexion von Mariupol? Warum sind Knauf-Produkte hier so präsent?

Iphofen in Bayern, hier hat Knauf seinen Firmensitz. Das Schicksal des Unternehmens hat vor allem einer bestimmt: Nikolaus Knauf. Er machte die Firma zum milliardenschweren Weltmarktführer in der Gipsherstellung. Erfolg, der schwer vorstellbar wäre, ohne Knaufs Russland-Imperium: Milliarden-Investitionen, 14 Produktionsstandorte, Prestigeprojekte für den Kreml.

Nikolaus Knauf pflegte auch persönlich beste Beziehungen nach Russland: Bekam von Putin den Freundschaftsorden verliehen – war über 20 Jahre russischer Honorarkonsul – auch noch nach der Krim-Annexion. Putins Völkerrechtsbruch – offenbar kein Problem.

2021 reiste Nikolaus Knauf nach Russland – besuchte dort eines der größten Gipsbergwerke Europas. Es gehört dem Unternehmen und Knauf investierte dann mehrere Millionen Euro in die Modernisierung. Knaufs Russlandgeschäfte gingen immer weiter.

Die Sanktionen? Nie ein Problem für Knauf.

Nikolaus Knauf, Gebr. Knauf KG (März 2017): "Wir selber haben natürlich nicht von den Sanktionen direkt negativ beeinflusst worden. Weil wir grundsätzlich mit Rohstoffen aus einem Land, Mitarbeiter aus dem Land für Kunden in dem Land produzieren. Wir sind also keine Exporteure und keine Importeure."

Ein rein russisches Geschäft also? Auch heute noch?

Knauf verurteilt gegenüber uns den russischen Angriffskrieg, man befolge "sämtliche Sanktionen" und produziere… "mit lokaler Wertschöpfung (...) ausschließlich für den russischen Markt."

Hat das russische Geschäft also nichts mit dem deutschen Mutterkonzern zu tun? Der Sanktionsrechtsexperte Viktor Winkler widerspricht:

Viktor Winkler, Sanktionsrechtsexperte: "Die Vorstellung, wenn ich mich mit einer Tochtergesellschaft in Russland nur im russischen Bereich, nur auf den russischen Territorien bewege, dass dies sozusagen sanktions-unerheblich sei, das ist ein absoluter Mythos und könnte nicht weiter weg von der Realität sein."

Vor allem – wenn Produkte wie für die Besatzung von Mariupol benutzt werden – das könnte eine Kriegshandlung sein. Auf unsere Anfrage dazu äußert sich das Unternehmen nicht.

Doch mit wem macht Knauf in Russland Geschäfte? Wir schauen uns die offiziellen Vertriebspartner der Firma in Russland an. Dabei finden wir ein Unternehmen, das ganz offensiv mit einem Bauprojekt wirbt – in Mariupol. Gebaut im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums. Und mit Produkten von Knauf.

Till Steinvorth, Sanktionsrechtsexperte: "Ich finde es in der Tat problematisch, wenn sich EU-Unternehmen daran beteiligen. Am Wiederaufbau in der Ukraine, wohlwissend, dass sie damit letztlich die EU Sanktionen unterlaufen und letztlich auch die Besetzung von Russland in der Ukraine entgegen dem Völkerrecht absichern."

Ein deutscher Baustoffhersteller, der sich an Putins Besatzung beteiligt. Und davon sogar noch profitiert. Der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter verurteilt die Geschäfte von Knauf:

Roderich Kiesewetter (CDU), Auswärtiger Ausschuss des Bundestages: "Russland hat seit über einem Jahr auf Kriegswirtschaft umgestellt und wer Teil der russischen Wirtschaft ist, wie Knauf und sich auch noch rühmt, ausschließlich innerhalb Russlands Geschäfte zu machen, ist Teil der russischen Kriegswirtschaft und profitiert von dem russischen kriegerischen Engagement. Und das ist bei Knauf sehr augenscheinlich, weil sie in den besetzten Gebieten auch in Mariupol tatsächlich russische Macht zementieren."

Doch nicht nur Knauf profitiert hier: Bei unseren Analysen der Baustellen von Mariupol fällt uns noch etwas auf – immer wieder finden wir grüne Verpackungen – darin Porenbetonsteine. Auch sie spielen eine entscheidende Rolle bei Putins Bauprojekten und tragen den Schriftzug einer deutschen Firma: WKB Systems GmbH.

Die Spur führt uns nach Hörstel in Nordrhein-Westfalen – dem Firmensitz von WKB. Das Unternehmen baut Maschinen zur Herstellung von Porenbetonsteinen. Unsere Recherchen zeigen, der Hauptgesellschafter der Firma ist: "Victor Konstaninowitsch Budarin". Ein russischer Oligarch und vermögender Bankier, dem zahlreiche Baufirmen in Russland gehören – darunter auch solche, die Arbeiter für Putins Baustellen in Mariupol suchen. Doch was will Budarin mit einer Maschinenbau-Firma in Hörstel? Uns liegen Zolldaten vor, sie zeigen: Seine deutsche Firma lieferte Budarin noch 2023 entscheidende Maschinen und Komponenten zur Herstellung der Porenbetonsteine. Auf unsere Anfrage dazu äußert sich das deutsche Unternehmen WKB nicht.

Ein russischer Oligarch, der sich aus Deutschland ohne Probleme mit Technologie versorgen kann, das geht nur, weil er auf keiner Sanktionsliste steht.

Till Steinvorth, Sanktionsrechtsexperte:"Hier haben wir es ja offensichtlich mit einem Fall zu tun, wo ein Oligarch in Russland letztlich von dem Krieg profitiert, indem er Verkäufe tätigt, Fabriken ausstattet, dort Produkte herstellt, die dann in die Ukraine gehen, in die besetzten Gebiete. Und dann wäre aus meiner Sicht der richtige nächste Schritt, tatsächlich die Sanktionierung vorzunehmen."

Mariupol. Eine Stadt zerstört, ihre Bewohner vertrieben, getötet. Putins Wiederaufbau – er ist die komplette Auslöschung von all dem, was Mariupol für die Ukraine einmal war.

Georg Restle: "Unsere Recherchen haben heute jede Menge Reaktionen hervorgerufen. Die Europäische Kommission ließ uns heute mitteilen, dass die Lieferung von Baustoffen in von Russland besetzte Gebiete der Ukraine gegen Sanktionsvorschriften verstoße. Wir sind gespannt darauf, ob und wie das dann auch geahndet wird. Über Putins Krieg in der Ukraine diskutieren wir auch in unserer neuesten Ausgabe von studioM, die Sie jederzeit auf unserem YouTube‑Kanal anschauen können."

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Kommentare zum Thema

  • Albers 05.04.2024, 13:47 Uhr

    Wertes MONITOR Team, nennen Sie doch mal Namen von Parteien, Organisationen und Personen die die Bundeswehr kaputt gemacht haben, die die Bereitschaft zur Landesverteidigung (Soldaten sind Mörder, usw., usw..) minimiert haben, die Europa, ganz im Sinne Putins, durch illegale Einwanderung destabilisiern. Nennen Sie die doch mal, dagegen sind doch Gips etc. Kleinkram.

  • Vera 05.04.2024, 09:33 Uhr

    Putin hat unser Land nicht besetzt. Nur weil die die sich Politiker nennen Krieg wollen und uns sogenante Sanktionen auferlegen und uns mit einer erfundenen Katastrophe nach der anderen in Angst halten will. Fragt doch mal das Volk ob sie diesen Krieg haben will. Das ihr dabei mitmacht bei diesen ganzen Missinformationen unglaublich...Deutschland bezieht doch auch Öl aus anderen Ländern und es kommt wirklich aus Russland. Warum sollen sich die Firmen oder auch die Menschen an die von euch gemachten Sanktionen halten nur weil ihr das wollt und uns auch einen Krieg einreden will?. Nur ihr Politiker wollen diesen Krieg...Niemand anders!

    • Gerhard K. 05.04.2024, 13:46 Uhr

      "Fragt doch mal das Volk ob sie diesen Krieg haben will." Das ist natürlich vollkommen korrekt: niemand außer Putin und seinen Anhängern will Krieg. Niemand sonst! Deswegen sollte es auch Gesetze geben, welche den Handel mit diesem mörderischen Regime verbieten und daran haben sich natürlich alle Firmen und Menschen zu halten, wie auch an alle anderen Gesetze.

    • Albers 05.04.2024, 13:52 Uhr

      Politiker die vor wenigen Jahren noch "Frieden schaffen ohne Waffen" etc. propagierten träumen heute vom Beschuß russischer Ministerien durch die Ukraine mit deutschen Waffen und weil das angeblich vom Völkerrecht gedeckt ist wird der unberechenbare Diktator eine Atommacht das garantiert so hinnehmen. Wer wählt solche Politiker ?

  • Peter Kaminski 05.04.2024, 09:06 Uhr

    Knauf almost openly sells its production to Crimea since its occupation in 2014 (and nobody cares) so its business at another occupied territory is not surprising. By the way, 9 true German companies (surely, with Knauf that enlisted as "Russian" one) are going to take part in Mosbuild - the biggest Building&Construction exhibition in Moscow in May. See: (Link entfernt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette. - Anm. der Redaktion) It will take place in Crocus Expo that is door-to-door to the burned after terrorist attack Crocus Hall and belongs to the same oligarсh Agalarov.