Anonymous-Aktivist mit Guy-Fawkes-Maske, Laptop mit Facebookseite

Drohung per Videobotschaft

Hackerangriff auf Facebook?

Stand: 31.10.2011, 17:00 Uhr

Am 5. November wird Facebook plattgemacht. So lautet die Botschaft in einem Videoclip vom August, Absender sind angeblich Aktivisten von "Anonymous". Seitdem wird spekuliert. Warum die Folgen eines Hacks sogar gut für jedermann sein können.

Von Insa Moog

Ein Sprachcomputer rattert Zeile um Zeile herunter. "Ihr Medium der Kommunikation, das Sie alle so sehr lieben, wird zerstört." Zu sehen ist in dem bei Youtube hochgeladenen Clip nicht viel mehr als das Standbild eines Logos: ein Männeroberkörper in Jackett und Schlips, anstelle des Kopfes nur ein schwarzes Fragezeichen. "Wenn ein Dienst kostenlos ist, bedeutet es, sie machen Geld mit Ihnen und Ihrer Information", liest die Stimme zum Ende der knapp dreiminütigen Videobotschaft. "Denken Sie eine Weile nach und bereiten Sie sich auf einen Tag vor, der in die Geschichte eingehen wird. Der 5. November 2011. Operation Facebook." An diesem Tag will das Hacker-Netzwerk Anonymus angeblich Facebook zerstören.

Der Absender des Clips soll das Hackerkollektiv Anonymous sein. "Es sagen jetzt schon einige, es sei ein Fake gewesen", sagt Norbert Pohlmann vom Institut für Internet-Sicherheit Gelsenkirchen WDR.de. Schon kurz nach Auftauchen des Clips gibt es eine Stellungnahme über einen Twitteraccount. #OpFacebook werde von einigen "Anons" organisiert, heißt es im Tweet vom 10. August 2011. Das bedeute nicht unbedingt, dass alle von Anonymous damit übereinstimmen. Denn ein "Anon", kurz für Anonymous, darf ausdrücklich jeder sein, der sich dazu berufen fühlt.

Hacktivisten willkommen

Norbert Pohlmann, Professor am Institut für Internet-Sicherheit

Norbert Pohlmann, Experte für Internet-Sicherheit

"Es ist schwer zu beurteilen, ob der Tweet als Zurückrudern zu werten ist oder ob die Botschaft von vornherein gefälscht war." Pohlmann hat wie viele andere die Diskussion mitverfolgt. Und diskutiert wurde seitdem viel, auf Twitter unter dem Hashtag #opfacebook, in diversen Blogs, und wohl auch in Hackerforen und -communities. Der Medienrummel war groß, denn Facebook verfügt über die vielzitierten 750 Millionen Nutzer weltweit. Und die Kritik am Umgang des Unternehmens mit den Daten seiner Mitglieder füllt die Nachrichtenspalten. Was einmal bei Facebook eingegeben wurde, bleibt im Archiv. Egal ob vom Nutzer gespeichert oder längst gelöscht.

Die Ankündigung ist neu

In der mutmaßlichen Angriffs-Ankündigung der Hacker heißt es auch, Facebook verkaufe Nutzerdaten an Regierungen und Sicherheitsfirmen. Belege werden keine gegeben. "Facebook weiß mehr über Sie als Ihre Familie", schnurrt die Computerstimme. "Hacktivisten" seien willkommen, sich an der Aktion zu beteiligen, genauso wie "jeder Kerl" der sich um die Freiheit von Information sorge. "Das Besondere ist, dass sie erstmals etwas ankündigen. Ich glaube, dass der Angriff selbst gar nicht mehr im Vordergrund steht", sagt der Gelsenkirchener Professor. Man gebe Facebook sehr viel Zeit zu reagieren, trotzdem sei die politische Idee dahinter ja vollkommen eindeutig: Die Forderung nach mehr Nutzerrechten und die Abstrafung einer Unternehmenspolitik, welche nach Ansicht vieler die Freiheit im Netz bedroht.

Wer sind Anonymous?

Die selbsternannte "Hacktivisten"-Gruppierung gibt es seit 2008 unter diesem Namen. Ursprüngliches Ziel war es, gegen Scientology vorzugehen. Seitdem geht die lockere Gruppierung online etwa mit DDoS-Attacken gegen ihre Angriffsziele vor. Distributed Denial of Service (DDoS) meint, dass ein Server dadurch überlastet wird, dass auf eine Webseite in kürzester Zeit massenhaft zugegriffen wird. In der Folge bricht das jeweilige System temporär zusammen. Alternativ nutzen die Hacker Schwachstellen in der Software des Zielobjekts, um sich Zugang zu Datensätzen zu verschaffen. Es geht ihnen um Freiheit, vor allem im Netz, heißt es in Video- oder Twitterbotschaften immer wieder, welche nach Angriffen alsbald auftauchen: Globale Unternehmen, Regierungen (etwa in den Staaten des arabischen Frühlings) oder staatliche Organisationen und Urheberrechtsgesellschaften wurden zuletzt attackiert.

"Occupy Wall Street" - auch Anonymous ist dabei

"Man geht bei Anonymous von 30 Personen aus, die Aktionen planen und sehr stark vernetzt sind", erklärt Netzexperte Pohlmann. Zu konkreten Aktionen rufen sie dann Unterstützer und Sympathisanten um Hilfe an. Für den Angriff werde dann eine Spezialsoftware zur Verfügung gestellt, die eine Anfrage an eine Website hundertmal schneller stellen kann als ein Mensch. In Blogs wie "AnonOpsCommunications" wird fortlaufend über Aktionen berichtet und informiert. Aktuell sind dort die Aktionen rund um "Occupy Wall Street" das dominierende Thema. Die Proteste gegen eine von Kapitalismus, Korruption und Ungleichheit dominierte Weltordnung, die vom Bankenviertel in Manhattan begannen, werden von Anonymous unterstützt. Die "Hacktivisten" riefen dazu auf, auch in anderen Ländern der Welt ähnliche Proteste zu organisieren.

Mehrwert für die Gesellschaft?

"Politisch betrachtet hat die Gesellschaft einen gewissen Mehrwert, weil diese Hacker uns auf Dinge aufmerksam machen, die nicht gut funktionieren", kommentiert Pohlmann. So war es im Falle des gehackten Playstation-Netzwerks von Sony der Hinweis auf schlechten Datenschutz der Nutzer. Auch bei der angekündigten Facebook-Aktion ist der Feind ausdrücklich das Unternehmen, das "die Datenfreiheit behindert". Die bedrohten Firmen, so der Gelsenkirchener Professor, seien nun gezwungen, etwas zu ändern - letztendlich sei das nur im Interesse der User. Sicher, muss Pohlmann einräumen, sei Hacken nun mal eine kriminelle Handlung, die verfolgt und bestraft wird. Und natürlich gebe es auch Hacker, die aus ganz anderen Motivationen heraus handeln als Anonymous: für Erpressungen oder zur eigenen Bereicherung.

Zerstörung von Facebook unwahrscheinlich

Was also könnte passieren, wenn die Aktion am 5. November 2011 tatsächlich stattfindet? Facebook Deutschland war zu keinem Statement bereit. Was hätte man auch sagen sollen? "Facebook hat gar keine Chance zu versprechen, dass man es verhindern kann", so Pohlmann. Zu einer bestimmten Wahrscheinlichkeit sei IT-Technologie immer angreifbar, ob nun per DDoS-Attacke oder über Malware. Vielleicht habe man auch längst Software eingeschleust, die nur noch aktiviert werden müsse, spekuliert der Netzexperte. Er geht davon aus, dass Facebook derzeit das Möglichste tut, Systeme und Server zu prüfen und zu wappnen. Die angekündigte "Zerstörung" sei aber schwierig, bei der mächtigen und leistungsstarken Infrastruktur des Netzwerks. "Was gelingen kann, ist, die Server für einige Zeit lahmzulegen. Über einen längeren Zeitraum hinweg ist das aber schwierig, weil der Verursacher dann identifizierbar wird", so Pohlmann.