Erdkrater in verschneiter Wiese

Der Berg, die Bohrer und der Beton

Tagesbruch in Siegen (Teil 2)

Stand: 17.12.2010, 02:00 Uhr

Bei dem Tagesbruch vom 16. Februar 2004, der zwei Mietshäuser zerstörte, blieb es nicht: Allein auf diesem Teil des Rosterbergs öffnete sich noch an drei weiteren Stellen die Erde.

Von Stefan Michel

Der erste Tagesbruch in der Gläserstraße hatte eine Ecke des Hauses 112 verschlungen. Nur Tage später öffnete sich aber in der Wiese zwischen dem beschädigten Haus und der gegenüberliegenden Häuserzeile ein Krater, von dem noch größere Gefahr ausging: Dieser als "Siegener Loch" bekannt gewordene Tagesbruch wurde täglich größer und drohte schließlich, mehrere Häuser zu verschlingen. Erst nach einigen Tagen konnte die Bergbehörde die bedrohliche Entwicklung stoppen und das "Siegener Loch" mit Beton versiegeln. Später kam es in nächster Nähe zu zwei weiteren, allerdings kleineren Tagesbrüchen.

Genau ein Jahr lang hat es gedauert, bis die Sicherungsarbeiten an der Gläserstraße abgeschlossen werden konnten. 520 Erkundungsbohrungen mit einer Gesamtlänge von 14 Kilometern wurden dafür in den Berg getrieben. 22.000 Tonnen Beton wurden in den Berg gepumpt. Vier Millionen Euro hat das gekostet.

Kein Ende abzusehen

Die Bergsicherung am Rosterberg ist damit aber noch lange nicht beendet. Alleine unter diesem Siegener Stadtviertel gibt es 22 stillgelegte Erzgruben, und alleine im Jahr 2008 passieren hier zwei weitere Tagesbrüche. Dabei werden aber keine Häuser zerstört; lediglich die Terrassen vor den Eingangstüren stürzen jeweils in die Tiefe. Alte Stollen unterm Kongresszentrum Siegerlandhalle untersucht die Bergverwaltung noch nach der hergebrachten Methode: Anhand alter Bergkarten wird die Gefahrenzone eingegrenzt, und dann wird so lange gebohrt, bis ein Bohrer den Stollen-Hohlraum trifft. 2007 dann ändert die Behörde ihre Strategie, nachdem sie auf eine Firma in Thüringen gestoßen ist, die sich auf die Sicherung alter Erzgruben spezialisiert hat.

Unten nachsehen, was oben droht

Seither steigen Bergleute aus Jena und Mitarbeiter der Bezirksregierung in die alten Gruben ein, vermessen Schächte und Stollen, so dass diese punktgenau von der Oberfläche aus angebohrt werden können. Sie ziehen unterirdische Mauern, damit der von oben durchs Bohrloch gepumpte Beton tatsächlich die gefährlichen Hohlräume füllt und nicht in viel tiefere, ungefährliche Etagen der Bergwerke davon fließt. Auf diese Weise ist bislang ein großes Areal unter dem Gymnasium auf dem Rosterberg komplett gegen Bergschäden gesichert worden, genau wie zwei kleinere Bereiche unter Wohnhäusern. An mehr als 500 Arbeitstagen haben die Bergleute bis zum Jahresende 2010 1.700 Meter Stollen und Schächte zwecks Sicherung wieder begehbar gemacht und haben dafür 1.800 Kubikmeter Abraum aus dem Weg geschafft. Billig ist auch das nicht gewesen: 4,3 Millionen Euro hat es bislang gekostet, die drei erwähnten Zonen zu sichern. Aber - zum Vergleich: Allein in dem kleinen Bereich Gläserstraße waren es vier Millionen - ohne Schadenersatz für die kaputten Häuser.