Im Hintergdrund sieht man eine NPD-Flagge, im Vordergrund ist das Profil eines jungen Mannes zu sehen.

Interview: Was leisten V-Leute?

Arbeit der V-Leute zu wenig erforscht

Stand: 15.11.2011, 12:12 Uhr

Hat das Informantensystem des Verfassungsschutzes im Fall der Terror-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" versagt? Wie glaubwürdig arbeiten V-Leute in der rechten Szene? WDR.de hat mit einem Neonazi-Experten über diese Fragen gesprochen.

Nach den Festnahmen und der Ausweitung der Ermittlungen rund um die rechte Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) steht die Arbeit des Verfassungsschutzes in der Kritik. Wie konnte die Gruppe so lange unerkannt Anschläge verüben? Warum erregte das Abtauchen der NSU-Mitglieder Ende der 1990er Jahre nicht die Aufmerksamkeit der Ermittler?

Mit der Rolle von V-Leuten für die Beobachtung Rechtsextremer beschäftigt sich an der Fachhochschule Düsseldorf Prof. Fabian Virchow. Der Soziologe und Politikwissenschaftler leitet einen Forschungsschwerpunkt, der als "Arbeitsstelle Neonazismus" in der Öffentlichkeit bekannt ist.

WDR.de: Wie zuverlässig sind überhaupt die Informationen der V-Leute aus der rechten Szene?

Virchow: Das ist sehr unterschiedlich. Zum Großteil handelt es sich um Personen, die angeworben wurden, eine rechte Weltanschauung haben und sich unter Neonazis bewegen. Da besteht die Gefahr der Übertreibung: Man macht sich wichtig, um auch in Zukunft Geld zu bekommen. Oder man gibt systematisch falsche oder unwichtige Infos raus und steckt die Bezahlung direkt in rechte Aktivitäten.

WDR.de: Wie wichtig sind V-Leute, um Einblick in interne Strukturen der Szene zu bekommen?

Virchow: Ich glaube, dass es keiner V-Leute bedarf, um herauszufinden, wie die Weltanschauung oder Stimmung in der Szene ist. Es kann sein, dass in Einzelfällen schwere Straftaten durch interne Informationen verhindert werden können. Aber wie oft das vorkommt, ist schwer abschätzbar. Auf jeden Fall betrachten wir zwei Seiten einer Waage: bedenkliche Unterstützung der Szene und nötige Beobachtung.

WDR.de: Was erwarten Sie von einem möglichen Untersuchungsausschuss zur Rolle des Verfassungsschutzes im Fall der Terror-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund"?

Virchow: Es kommt dabei ganz auf die Kompetenzen an, mit denen die Untersuchenden ausgestattet werden. Ich würde mir eine Beteiligung unabhängiger Experten wünschen. Solche Kontrollausschüsse sind leider oft zur Verschwiegenheit verpflichtet. Eine systematische Erforschung der Arbeit der V-Leute wäre wünschenswert, aber da mache ich mir wenig Hoffnung. Es handelt sich nun mal um einen Geheimdienst. Über mögliche Unfähigkeit oder Fehlverhalten von Beamten des Verfassungsschutzes kann man nur mutmaßen.

WDR.de: Jetzt ist das Thema NPD-Verbot wieder in der politischen Diskussion. Ein bekanntes Problem ist die persönliche Gefahr, der V-Leute ausgesetzt sind, wenn sie abgezogen werden. Wie beurteilen Sie - unabhängig davon - die Rolle der Informanten bei einem Verbotsverfahren?

Virchow: Wir sitzen gerade zusammen mit Kollegen aus Potsdam an einem Projekt zum NPD-Verbotsverfahren. Die Frage lautet: Ließe sich ein Verbot auch ohne Zitate aus internen Parteisitzungen begründen? Wir sagen ja. Dazu bräuchte man solche Zuträger nicht. Es reicht aus, was öffentlich zugänglich ist.

Das Gespräch führte Lis Kannenberg.