Schneeflocken-Physik

Auf ihrem langen Weg durch die Atmosphäre bis zum Boden haben Schneeflocken genügend Zeit, um kunstvolle Verästelungen auszubilden. Durch jede Drehung und jede Wendung entstehen einzigartige symmetrische Formen, erläutert Kenneth G. Libbrecht, Physiker am kalifornischen Institute of Technology in Pasadena und einer der führenden Schneeforscher, dem WDR.

“Schneeflocken fallen in einer faszinierenden Vielzahl von Formen und Mustern vom Himmel – einschließlich sternenförmigen Dendriten, hohlen Säulen oder dreieckigen Kristallen”, beschreibt der US-amerikanische Forscher.

Worin sich Schneeflocken und Eiskristalle unterscheiden

Die Begriffe Schneeflocke und Eiskristall werden oft als Synonym benutzt. Dabei gibt es Unterschiede. Der Begriff Schneeflocke sei ein Oberbegriff – so wie Blume ein Oberbegriff für eine Tulpe sei, vergleicht der amerikanische Schneeforscher Libbrecht. Ein Eiskristall – wie er im Bild zu sehen ist – besticht durch seine typische sechsfache Symmetrie. Die Wassermoleküle sind dabei präzise sechseckig angeordnet.

Die Symmetrie entsteht auf dem Weg durch die Atmosphäre

Die Form der Schneeflocke wird während ihres Falls durch die Wolken ausgebildet. Zunächst muss man sich ein sechseckiges Eisplättchen vorstellen, aus dessen Ecken kleine Zweige sprießen. Auf dem Weg zum Boden erlebt der Kristall unterschiedliche Temperaturen und Feuchtigkeiten, er wird so indirekt geschliffen und geformt.

Alle sechs Zweige nehmen den gleichen Weg durch die Atmosphäre, sodass alle Ärmchen die gleichen Veränderungen zur gleichen Zeit erleben, erläutert der kalifornische Schneeforscher Libbrecht. Der Eiskristall wächst synchron – und nimmt auf diese Weise letztlich eine symmetrische Form an.

Warum haben Eiskristalle ausgerechnet sechs Zweige?

Die sechsfache Symmetrie entsteht aus der Anordnung der Wassermoleküle im Eiskristallgitter. “Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass sich die Wassermoleküle nur in einer sechseckigen Form effizient zu einem Kristall anordnen können”, sagt Schneephysiker Martin Schneebeli vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos.

Wie viele Arten von Schneeflocken gibt es?

"Auf diese Frage gibt es keine Antwort", sagt der US-amerikanische Forscher Kenneth Libbrecht. Die gängigsten Formen sind die Schneekristalle, also sternförmige Dendriten. Daneben gibt es auch säulenartige Formen, Plättchen, Stäbchen, Nadeln oder dreieckige Flockenformen.

"Welche Form ein Kristall bildet, hängt von der Temperatur und dem Feuchtigkeitsangebot der Wolke ab", erläutert Schneephysiker Martin Schneebeli. Zu bestimmen, wie viele Schneeflockenarten es gebe, sei genauso schwierig, wie zu benennen, wie viele Farben existieren, erklärt Libbrecht: "Es gibt ja viel mehr Farbausprägungen als nur die Standardfarben", vergleicht der US-Physiker.

Klein wie der Durchmesser eines menschlichen Haares

Die kleinsten Schneeflocken werden Diamant-Staubkristalle (Diamond Dust Crystals) genannt und entsprechen von der Größe her gerade einmal dem Durchmesser eines menschlichen Haars. "Sie sind allerdings sehr selten und erscheinen nur bei bitterkalten Temperaturen", sagt der kalifornische Physiker Kenneth Libbrecht. Im Sonnenlicht funkeln die Miniflocken wie Diamanten. Der größte Schneekristall, der je fotografiert wurde, ist nach Angaben von Kenneth Libbrecht etwa zehn Millimeter groß.

Unsere Quellen

Weiß, Jürgen (Meteorologe)
Schneebeli, Martin (Institut für Schnee und Lawinenforschung (SLF))
Libbrecht, Kenneth, G. (Physiker am kalifornischen Institute of Technology in Pasadena)

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