Gökcan Bastimar vertreibt sich die Zeit vor dem Familienbesuch mit Fernsehen. Seine Zelle ist grau und dunkel. Durch das kleine, vergitterte Fenster kann er nur hinausschauen, wenn er steht. Was er sieht: noch mehr Gitter, Mauern und Überwachungskameras. Er denkt viel an seine Familie zu Hause, mag die Ruhe in der Zelle. Draußen hatte Bastimar bis zu neun Handys, die unablässig klingelten. Damals dealte er mit Cannabis in großen Mengen. Mehr als zehn Jahre seines Lebens hat der 50-Jährige schon im Gefängnis verbracht. Inzwischen ist er Großvater und sagt, dass er im Nachhinein betrachtet lieber seine Enkel hätte aufwachsen sehen, als dem Geld nachzujagen.
Bis zu 546 Häftlinge sitzen im Gefängnis in Remscheid-Lüttringhausen. Einige als Ersttäter nur ein paar Monate, andere als Mörder lebenslang. Regulär können sie zweimal im Monat ihre Angehörigen sehen. Körperkontakt ist dabei eher unüblich. Bei den Familientagen in der JVA Remscheid-Lüttringhausen ist das anders. Das Gefängnis ist eines von fünf Familienschwerpunktzentren in NRW. Hier wird die sogenannte familiensensible Besuchs- und Vollzugsgestaltung getestet und weiterentwickelt.
Warum ist der Familienkontakt so wichtig?
Ein paar Zellen weiter wartet Gino Wroblewski darauf, endlich in den Besuchsraum zu kommen. Der 28-Jährige sitzt unter anderem wegen Drogendelikten in der Anstalt. Er ist aufgeregt, weil er gleich seine Frau und die Kinder sehen darf: "Das ist das Schönste", sagt Wroblewski, "wenn man weiß, man hat gleich Besuch. Ich mache mich fertig und hoffe innerlich, dass die Zeit zusammen einfach nie endet. Aber sie hat natürlich ein Ende."
Als Schwerpunktzentrum für Familien ist in der JVA Remscheid-Lüttringhausen extra eine Familienbeauftragte angestellt. Hanne Stanjek hat die Familientage im Gefängnis installiert. Bastelnachmittage, Vater-Kind-Kochen oder Gottesdienste sollen dafür sorgen, dass die Kinder den Kontakt zu ihren Vätern oder Großvätern nicht verlieren. Nur Häftlinge, die sich an die Anstaltsregeln halten, kommen in den Genuss dieses besonderen Angebots. Bis zu zehn Familien nehmen an den Treffen teil. Vorher werden alle Beteiligten genau abgetastet.
Der Besuch: Wichtiges Zusammensein für Eltern und Kinder
Wroblewski rückt inzwischen mit einem Mitinsassen im Besuchsraum einige Tische zurecht. Die nächsten drei Stunden dürfen sie mit ihren Frauen und den Kindern zusammen verbringen. Auf einer langen Tafel stehen Bastelutensilien, Malstifte, Spielesammlungen. Alles von der Verwaltung aufgebaut. Kaffee und Kuchen gibt es auch. Als die Angehörigen in den Saal strömen, blühen die Gefangenen auf.
Für Gökcan Bastimars Frau Gitte ist die Reise mit ihren beiden Enkeln anstrengend. Aber sie hält zu ihrem Mann, obwohl sie sauer auf ihn ist: "Natürlich bin ich nicht erfreut darüber. Man sucht sich das nicht aus. Da wächst man irgendwie rein." Die Kinder können sich frei bewegen, ihren Vätern oder Großvätern ganz nah sein.
Wroblewski strahlt seine kleine Tochter an: "Ich schaue ihr gerne beim Spielen zu, wie sie lächelt, wie sie sich ausprobiert. Ich lerne das ja nur hier drin kennen." Die Kleine hat seine tätowierten Arme mit Glitzerpuder verziert. Auf seinen Wangen schimmert es rosa.
Nach drei Stunden müssen sich die Kinder wieder von ihren Vätern und Großvätern verabschieden. Bastimar, Wroblewski und die anderen Häftlinge werden in ihre Zellen zurückgeführt. Die Familien fahren nach Hause. Sie haben sich gesehen, gefühlt und Kraft für die Tage und Wochen ohneeinander geschöpft. Was er getan habe, könne er nicht mehr ändern, sagt Wroblewski: "Ich finde, jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient und wenn ich rauskomme, nutze ich meine zweite Chance."
Über dieses Thema haben wir am 26.06.2024 auch am im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.