"Er hat mich eingesperrt, verprügelt, vergewaltigt." Wie sich eine Frau zurück ins Leben gekämpft hat
Stand: 25.11.2023, 13:12 Uhr
Acht Jahre war Agnes Meier in einer gewalttätigen Beziehung. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht nennen. Sie lebte in ständiger Angst vor ihrem Mann. Kleinigkeiten reichten und er rastete aus. Heute ist sie stolz, auf eigenen Beinen zu stehen.
Von Inke Köster
Acht Jahre voller Gewalt
Er reißt an ihren Haaren. Der Kopf fliegt hin und her. Sie hört gar nicht mehr, was er schreit, hat nur noch einen schrillen Ton im Ohr. Dann sperrt er sie ins Kinderzimmer und dreht den Schlüssel um. Heute Nacht wird sie wohl wieder ohne Decke auf dem harten Boden schlafen müssen. Solche Erinnerungen hat Agnes Meier an die Zeit mit ihrem Ex-Mann, der sie physisch und psychisch misshandelt hat. Wenn sie spricht, steigen der 46-Jährigen immer wieder Tränen in die Augen.
Was Agnes Meier in ihrer gewalttätigen Beziehung erleiden musste
00:13 Min.. Verfügbar bis 09.11.2025.
Fast alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Allein in NRW wurden 2022 rund 34.000 Fälle erfasst. Die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen. Agnes Meier aus dem Bergischen Land war lange Zeit eine von ihnen. Wie landet man in so einem Martyrium? Und wie kommt man da wieder raus?
Bei Meier begann alles ganz romantisch. In ihrer Heimat Polen lernt sie Ende 2005 ihren Ex-Mann kennen. Er ist gut zehn Jahre älter als sie. Sie werden ein Paar und ein paar Monate später zieht sie mit ihrer Tochter aus einer vorherigen Beziehung zu ihm nach Deutschland. Als sie schwanger mit dem gemeinsamen Sohn wird, heiraten die beiden im Mai 2007. Doch aus ihrem Traum von einem Neuanfang in Deutschland wird ein Albtraum. Nach und nach offenbart ihr Ex-Mann sein wahres Gesicht. Wenn die Kinder zu laut sind, flippt er aus. Wenn ihm das Essen nicht schmeckt, schlägt er schon mal zu. Meiers Leben wird zur Hölle.
Folgen der Gewalt: Agnes Meier zeigt Handyfotos mit ihren Verletzungen
Auch vor den Kindern macht ihr Ex-Mann nicht Halt. "Er hat auch auf den Kleinen Spielzeug geworfen. Wenn er aufgebracht war, dann ist alles geflogen. Das konnte auch ein Glas mit Wasser sein."
Meier entdeckt, dass ihr Partner schon lange und regelmäßig Ärger mit der Polizei hat. Seit Jahren gibt es immer wieder Anzeigen gegen ihn, unter anderem wegen Bedrohung, Sachbeschädigung und (schwerer) Körperverletzung. Mehrfach hat er deshalb auch schon vor Gericht gestanden, bekam Geld- und Bewährungsstrafen.
Sprache bedeutet Unabhängigkeit
Ihre mangelnden Deutschkenntnisse damals machen die Polin hilflos. Sie hat auch keine Freunde, weil ihr Mann sie systematisch abschirmt und kontrolliert. Meier weiß nicht, wo und wie sie sich Hilfe holen kann, um sich und die Kinder aus der Situation zu befreien. Sie kennt die Strukturen und Hilfsangebote in Deutschland nicht.
Außerdem hat sie Sorge, dass sie sich aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse nicht richtig ausdrücken kann und deshalb falsch verstanden werden könnte. Ihre größte Angst ist, dass sie ihre die Kinder verlieren könnte. Ihr Ex-Mann droht ihr, den gemeinsamen Sohn wegnehmen, wenn sie geht.
Eine klassische Situation, wie sie Karin Heier, Leiterin des Frauenhauses in Remscheid, bei ausländischen Frauen immer wieder erlebt.
Warum die Sprache so immens wichtig ist
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Nach acht Jahren gewalttätiger Beziehung und unzähligen Entschuldigungen vor sich selbst, warum ihr Mann jetzt wieder zugeschlagen hat, und dass sich bestimmt alles ändern wird, erkennt Meier, dass sie handeln muss - der Leidensdruck ist zu groß. 2014 zeigt sie ihn wegen Körperverletzung an und flieht. Auslöser damals: Sie sollte für ihn die Polizei anlügen und ihm ein falsches Alibi geben. Außerdem drohte er am selben Abend ihrer Tochter heißes Wasser über den Kopf schütten, weil sie ihm "den falschen Tee gebracht hat."
Hilfsangebote für Betroffene
Zunächst sucht Meier Schutz in einem Frauenhaus in der Nähe ihres damaligen Wohnortes. Später zieht sie mit ihren Kindern ins Bergische Land. Hier bekommt sie seitdem Unterstützung vom Opferschutz der Polizei in Wuppertal. Ihr Betreuer ist Eckhard Klesser.
Welche Informationen sind für die Geschädigten besonders wichtig?
00:37 Min.. Verfügbar bis 09.11.2025.
Die Hauptaufgabe von Klesser und seinen Kollegen vom Opferschutz der Polizei besteht darin, auf regionaler Ebene Netzwerke mit Hilfseinrichtungen zu initiieren und zu unterstützen. Dazu gehören Frauenhäusern, Frauenberatungsstellen, der "Weiße Ring e.V.", Drogenberatungsstellen oder Kirchen. Außerdem verfügen Klesser und seine Kollegen ein großes Netzwerk an psychotherapeutischen und psychologischen Einrichtungen, wo Betroffene wie Meier sich zusätzlich Hilfe holen können.
Wichtig dabei ist, betont Klesser, dass sich der Opferschutz immer an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert: "Sie sind die Bestimmerinnen und wir gehen jeden Weg mit. Wenn wir aufgezeigt haben, welche verschiedenen Möglichkeiten es gibt, hat das letzte Wort immer der Geschädigte oder die Geschädigte."
Immer auf der Hut - aber die Angst dominiert nicht mehr das Leben
Meier hat inzwischen das alleinige Sorgerecht für beide Kinder. Ihr geschiedener Mann wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung.
Im Bergischen Land hat Meier eine neue Heimat gefunden. Sie hat sich inzwischen einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und fühlt sich wohl. Gleichzeitig ist sie immer auf der Hut, dass ihr Ex-Mann ihr vielleicht irgendwo noch einmal auflauern könnte. "Die Angst ist da. Er hat mir oft gedroht, dass ich erst Ruhe habe, wenn er unter der Erde liegt."
Über dieses Thema haben wir auch am 24.11.2023 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.