Kriminalfälle aus NRW: "In der Hand hatte er eine Handgranate und hielt die Geisel im Griff"
Stand: 02.05.2024, 13:11 Uhr
Vor 50 Jahren überfällt ein Bankräuber eine Filiale in Hilden. Er nimmt vier Angestellte als Geiseln und liefert sich eine stundenlange Verfolgungsjagd mit der Polizei. Die Beamten waren auf so eine Situation nicht vorbereitet.
Von Manuela Klüppel
Es ist der 31. Januar 1974 kurz vor 18 Uhr, als ein maskierter Mann die Sparkassenfiliale in Hilden betritt. Bei sich trägt er eine Pistole, Handgranate und einen Benzinkanister. "Überfall", ruft er laut in die Filiale hinein. Vier Angestellte sind noch vor Ort. Der Täter nimmt sie als Geiseln und hält sie im Tresorraum fest. Er fordert 1,5 Millionen D-Mark Lösegeld.
In diesem Tresorraum der Hildener Sparkasse hielt der Täter die Geiseln stundenlang fest
Die Polizei ist innerhalb von Minuten am Tatort. Schaulustige, Reporter und Fotografen belagern die Bankfiliale. Der Geiselnehmer fordert für seine geplante Flucht einen Hubschrauber, dann ein schnelles Auto. Der damalige Innenminister Willi Weyer übernimmt die Verhandlungen, telefoniert persönlich mit dem Bankräuber. Eine Vorgehensweise, die heute nicht mehr vorstellbar ist. "Ich musste schmunzeln, wie die Polizei dort vorgegangen ist", sagt Uwe Klein. "Seitdem hat sich bei der Polizei viel geändert". Inzwischen hat die Polizei speziell ausgebildete Experten, die mit Geiselnehmern verhandeln. Der 70-jährige Klein kommt 1969 zur Essener Polizei, arbeitet beim Spezialeinsatzkommando (SEK) und ist später als Pressesprecher tätig.
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Wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei
Nach etwas mehr als einer Stunde lässt der Täter gegen Zahlung des Lösegeldes seine erste Geisel, die Filialleiterin Hildegard Bick, gehen. Im WDR-Interview schildert sie damals ihre Eindrücke.
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Danach spitzt sich die Situation zu. Gegen Mitternacht flieht der Geiselnehmer mit dem bereitgestellten Auto. Den Kassierer der Bank nimmt er als Geisel mit. Es folgt eine mehrstündige Irrfahrt durch Düsseldorf, Leverkusen, Langenfeld und Monheim. Die Polizei verfolgt ihn mit mehreren Wagen. Der Täter feuert Schüsse auf sie ab und kann die Beamten entwaffnen.
Mit dem Auto und der Geisel fährt er zurück nach Hilden. Dort trifft der Täter auf Hauptkommissar Erhard Pfundt. "Er hatte mit der linken Hand eine Pistole auf die Geisel gerichtet. In der rechten Hand hielt er eine Handgranate und hatte die Geisel fest im Griff", schildert Pfund die Situation bei einer Pressekonferenz. Pfundt verhandelt mit dem Geiselnehmer und tauscht sich gegen die letzte Geisel aus. Es kommt zu einem Handgemenge. "Dabei stürzten wir zu Boden. Der Täter drückte ab, schoss sich allerdings selbst durch das Bein. Ein zweiter Schuss war nicht mehr möglich. Durch Zufall blieb ich im Patronenlager hängen, sodass die Waffe Ladehemmungen hatte."
Geiselnahmen sind Neuland für Polizei
Geiselnahmen waren zu diesem Zeitpunkt noch ein neues Phänomen. "Damals hat die Polizei noch intuitiv gehandelt. Es gab noch keine Schulungen. Die Polizeibeamten waren auf so einen Einsatz einfach nicht vorbereitet", sagt Klein. Der erste Banküberfall mit Geiselnahme in Deutschland fand drei Jahre zuvor 1971 in München statt.
Uwe Klein im Essener Polizeimuseum
Spätestens seit dem Geiseldrama von Gladbeck im Jahr 1988 habe sich die Taktik der Polizei völlig geändert. "Die Polizei würde einen Geiselnehmer heute nicht mehr so leicht davon fahren lassen. Sie würde versuchen, die Lage vor Ort zu klären."
Der Geiselnehmer von Hilden kann am Ende festgenommen werden und wird vor laufenden Kameras abgeführt. Später heißt es, dass der Mann nicht zurechnungsfähig ist. Er wird nicht verurteilt, sondern kommt in eine psychiatrische Klinik.
Über dieses Thema haben wir auch am 31.01.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Düsseldorf, 19.30 Uhr.