Mit vollem Namen heißt die Abteilung: "Taskforce zur Bekämpfung des Kindesmissbrauchs und der Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in digitalen Medien". Sie ist Teil der "Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime" (ZAC) des Landes Nordrhein-Westfalen. Zwölf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte arbeiten bei der Taskforce, Gianna Maria Graf ist eine von ihnen.
Verfahren gegen "Unbekannt"
Lokalzeit: Wie ist Ihre Arbeit aufgebaut?
Gianna Maria Graf: Wir wollen die Täter überhaupt erst einmal identifizieren. Das heißt, wir führen große Verfahren, die sich zunächst noch gegen "Unbekannt" richten. Haben wir eine konkrete Person ermittelt, werden diese Verfahren regelmäßig an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben. Andererseits führen wir bei der Zentralstelle sogenannte herausgehobene Verfahren. Das sind zum Beispiel Verfahren gegen Personen, die im Darknet Plattformen betreiben, die dem Austausch von Kinderpornografie dienen. Die Ermittlungen sind sehr komplex und haben besondere Anforderungen.
Lokalzeit: Ihr Arbeitsbereich sind die Tiefen des Internets, aber Sie sind ja eigentlich Juristen und keine IT-Experten?
Graf: Bei der Zentralstelle vereinen wir unterschiedliche Kompetenzen. Das ist zum einen natürlich Wissen, das man sich hier aus Erfahrung angeeignet hat. Die Kolleginnen und Kollegen versuchen natürlich auch ihr IT-forensisches Know-how auf dem aktuellen Stand zu halten, um gemeinsam mit den Spezialisten bei der Polizei diese komplexen IT-forensischen Ermittlungen führen zu können.
Lokalzeit: Wenn Sie gegen Straftäter in Internet und Darknet ermitteln, dann geht das über jegliche Ländergrenzen hinaus?
Graf: Insgesamt spielen bei Cyberkriminalität und dem Deliktsbereich der Kinderpornografie nationale Grenzen keine allzu große Rolle, weil Täter ganz besonders stark auch international vernetzt sind. Das erfordert bei den Ermittlungen eine enge Zusammenarbeit mit den ausländischen Strafverfolgungsbehörden. Das ist auch eine Erkenntnis aus den großen Ermittlungskomplexen der vergangenen Jahre.
Internationale Zusammenarbeit
Lokalzeit: Wer sind international Ihre wichtigsten Partner?
Graf: Grundsätzlich ist es so, dass sich Provider, also Anbieter von digitalen Diensten, regelmäßig an beispielsweise eine private gemeinnützige Organisation (National Center for Missing and Exploited Children) wenden, die in den USA ansässig ist. Seit 2021 gibt es einen Meldeweg, über den diese Organisation eine Vorfilterung vornimmt und weltweit ihre Erkenntnisse weiterleitet. So erfahren eben auch deutsche Strafverfolgungsbehörden von diesen Hinweisen. Tatsächlich ist es so, dass die überwiegende Anzahl der Verfahren, die wir einleiten, auf diese Weise auf die Meldung durch die jeweiligen Provider zurückgehen. Wir arbeiten aber auch auf europäischer Ebene im Rahmen der Rechtshilfe mit anderen Strafverfolgungsbehörden sehr eng zusammen.
Lokalzeit: Was machen Sie dann mit den Hinweisen, die bei Ihnen eintreffen?
Graf: Wir prüfen: Leiten wir ein Verfahren ein? Und gegen welche Personen richtet sich der konkrete Anfangsverdacht in diesem Fall? Diese Erkenntnisse leiten wir an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften weiter. Einzelfälle stufen wir aber auch als besonders eilbedürftig ein. Und zwar dann, wenn es nicht nur um kinderpornografische Inhalte geht, sondern wir auch vermuten müssen, dass ein sexueller Missbrauch eines Kindes im Nahbereich des Täters infrage kommt. Dann veranlassen wir bereits hier aus Köln noch am selben Tag alle erforderlichen Maßnahmen. Dazu beantragen wir insbesondere gerichtliche Beschlüsse, um beispielsweise Durchsuchungen vorzunehmen.
Lokalzeit: Es stehen ja gesetzliche Änderungen an, die die deutschen Ermittler unabhängiger von den Kollegen in den USA machen. Noch sind Sie ja auf die Hinweise aus Übersee angewiesen?
Graf: Das ist eine politische Frage. Diese Entwicklungen beobachten wir selbstverständlich, jedoch kann ich mich dazu als Staatsanwältin nicht äußern.
Mehr Fälle oder mehr Aufklärung?
Lokalzeit: Die Zahlen der Fälle der sexualisierten Gewalt gegen Kinder steigt - auch weil Sie mehr Taten aufdecken können?
Graf: Je mehr wir ermitteln, je tiefer und weiter wir in den Ermittlungen gehen, je mehr Kontakte und Netzwerke wir identifizieren können, umso mehr Verfahren können wir tatsächlich einleiten. Wir erleben auch die Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei und den anderen Strafverfolgungsbehörden als sehr motiviert. Die Zusammenarbeit ist besonders gut.
Kinderpornografie: Immer mehr Fälle
Die Zahl der Fälle im Bereich Kinderpornografie ist in Nordrhein-Westfalen zuletzt leicht zurückgegangen. Insgesamt zeigt der Trend aber eindeutig in die andere Richtung: 2022 hat das Landeskriminalamt knapp 11.200 Straftaten in diesem Bereich erfasst. Fünf Jahre zuvor waren es noch 1250 Fälle. Die aktuellen Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigen auch: 45 Prozent der Tatverdächtigen sind jünger als 18 Jahre alt. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer im Bereich der Kinderpornografie deutlich höher liegt, als es die Zahlen zeigen.
Lokalzeit: Kinder werden Opfer schlimmster Verbrechen. Und Sie sehen viele davon. Verkraften Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen das immer?
Graf: Ich habe den Eindruck, dass wir im Team zusammen sehr professionell damit umgehen können. Da gibt es einen offenen Austausch, der es eben ermöglicht, auch Belastungsspitzen und die Arbeitslast insgesamt gut abzufangen.
Lokalzeit: Sie gehen bewusst zu einzelnen Ermittlungen und Ihren Methoden nicht ins Detail. Es gab aber mal einen Fall mit etwa 1000 Verdächtigen?
Graf: Insbesondere im Darknet ermitteln wir gegen große Plattformen mit Userzahlen von sogar weit über 500.000 Nutzern. Und in dem Bereich geht es eben zunächst um die Identifizierung der Tatverdächtigen. Dabei setzen wir als Zentralstelle auch besondere und moderne IT-forensische Technik ein.
Lokalzeit: Was kann diese Technik?
Graf: Das ist tatsächlich ein interessanter Bereich. Aus ermittlungstaktischen Gründen kann ich hier aber keine Details nennen, um die weiteren Ermittlungen in dem Bereich nicht zu gefährden.
Über dieses Thema haben wir auch am 24.07.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.