Tödlicher Leichtsinn am Steuer: Wenn die Realität zum Weckruf wird

Städteregion Aachen | Unterwegs

Stand: 23.07.2024, 15:48 Uhr

Lukas Ritgens berichtet am städtischen Gymnasium in Baesweiler von seinen Erfahrungen bei schweren und tödlichen Unfällen. Mit dabei: Fotos und Videos, die die schrecklichen Folgen von Alkohol, Drogen und überhöhter Geschwindigkeit am Steuer zeigen. Für die Schüler ist das besonders hart.

Von Anke Capellmann

Es ist kurz vor 9 Uhr in der Aula des städtischen Gymnasiums in Baesweiler. Die Techniker suchen nach der richtigen Position für die Scheinwerfer, die nachher für gutes Licht auf der Bühne in der Aula sorgen sollen. Lukas Ritgens unterhält sich mit seinen Kollegen. Noch ist hier alles heile Welt. Das wird sich gleich ändern.

Ruhe vor dem Sturm

Lukas Ritgens, 28 Jahre alt, war viele Jahre lang Rettungsdienstler auf den Wachen der Städteregion Aachen. Mittlerweile ist er Brandoberinspektoranwärter bei der Feuerwehr Stolberg. In wenigen Minuten wird er den Schülern von seinem Berufsalltag erzählen. Auch für ihn selbst keine leichte Aufgabe.

Lukas Ritgens: "Das lässt uns nicht kalt" 00:22 Min. Verfügbar bis 23.07.2026

Ritgens erzählt nicht von den schönen, sondern von den schlimmen Seiten. Davon, wie es ist, wenn man einen schweren Verkehrsunfall vorfindet. Wie oft es Jugendliche und junge Erwachsene sind, die die Folgen von Alkohol, Drogen und erhöhter Geschwindigkeit im Straßenverkehr falsch einschätzen. Er wird ihnen von einem Einsatz von vor etwa acht Jahren erzählen. Damals, als er Weiberfastnacht ehrenamtlich als Rettungsassistent für die Malteser in Eschweiler im Einsatz war.

Crash Kurs NRW: Auch immer ein "zurück in den Einsatz"

Bevor er das tut, füllt sich die Aula nach und nach mit den Schülern des Gymnasiums und der benachbarten Realschule. Es sind Zehntklässler, die meisten nicht älter als 15 oder 16 Jahre. Sie kommen in die Aula, weil hier der "Crash Kurs NRW" stattfindet. Es ist ein Programm der Polizei NRW für junge Erwachsene, das Unfälle verhindern soll. Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Notärzte und auch Angehörige von Unfallopfern berichten von dem, was sie erlebt haben.

Laut Polizei sind es überproportional oft Jugendliche, die schwere oder tödliche Unfälle verursachen. Immerhin: Die Zahl junger Menschen, die in NRW bei Unfällen zu Tode kommen, sinkt seit einigen Jahren. Waren es laut polizeilicher Unfallstatistik 2018 noch 66 getötete junge Erwachsene, sank die Zahl 2022 auf 38. Dennoch sind überhöhte Geschwindigkeit, Fahren ohne Gurt, Alkohol und Drogen in über 50 Prozent aller Fälle die Ursachen, warum Menschen im Straßenverkehr zu Tode kommen oder schwer verletzt werden.

Manche Einsätze vergessen die Helfer von Rettungsdienst und Polizei nie | Bildquelle: WDR / Anke Capellmann

Solche Unfälle werden den Schülern heute gezeigt. Fotos, Videos, emotionale Musik, Erzählungen von Betroffenen - und eben auch der Einsatz von Lukas Ritgens. Der ereignete sich an Weiberfastnacht, in Aachen auch Fettdonnerstag genannt. "Für uns als Hilfsorganisation, Feuerwehr ist Karneval - genauso wie für die Kollegen der Polizei - ein Großkampftag", beginnt er zu erzählen.

Eine Mutprobe mit tödlichen Folgen

Als Ritgens und seine Kollegen zu dem Einsatz gerufen werden, ist es bereits dunkel. Es regnet. Vor ihnen auf der Straße liegt leblos ein junger Mann, gerade einmal 18 Jahre alt. Ein Auto hat ihn angefahren und durch die Luft geschleudert. Warum der Mann überhaupt an dieser unübersichtlichen Stelle auf der Straße war? Eine Mutprobe.

Er wollte seinen Freunden zeigen, dass er es schafft, über die große Kreuzung in Eschweiler zu laufen, leicht betrunken und in einem schwarzen Kostüm. Der Autofahrer hat ihn nicht gesehen. 14 Tage später stirbt er im Krankenhaus.

Lukas Ritgens: Leichtsinn kann tödlich sein 00:24 Min. Verfügbar bis 23.07.2026

Die Schüler sind sichtlich angefasst. Die Coolness, mit der so mancher Schüler am Anfang noch bei seinen Freunden Eindruck machen wollte, ist verflogen. Die Gesichter starr, manche haben Tränen in den Augen.

Ungeschönte Realität

Der Crash Kurs NRW ist bewusst hart und konfrontiert mit den schrecklichen Folgen von Leichtsinn im Straßenverkehr. Er verlangt nicht nur den Erzählenden wie Lukas Ritgens einiges ab. Auch für die Schüler kann der Kurs belastend sein. Deswegen stehen im Hintergrund Notfallseelsorger bereit, sollten Schüler mit dem Gezeigten nicht zurechtkommen und vorzeitig die Veranstaltung verlassen.

Der Crash Kurs soll den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigen, was passieren kann, wenn man sich nicht an Verkehrsregeln hält. Wenn man cool sein will, und zeigen will, wie schnell das eigene Auto eigentlich fahren kann. Oder dass ein paar Bier am Steuer schon nicht so schlimm seien.

Lukas Ritgens nimmt ehrenamtlich so oft es geht an den Kursen teil, um von Einsätzen zu erzählen, an denen junge Menschen beteiligt waren. Um zu sensibilisieren und zu zeigen: Solche Unfälle sind vermeidbar.

Über dieses Thema haben wir auch am 15.05.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.