"König der Rüben" hat ihn mal eine Zeitung genannt. Sich selbst würde Arno Schulze-Kettermann zwar niemals so bezeichnen. Aber er ist der Mann, der dafür sorgt, dass zwischen Paderborn, Soest und Dortmund die Zuckerrüben vom Feld in die Zuckerfabrik kommen. Ein 24-Stunden-Job. Praktisch das ganze Jahr über.
Deutschland gilt wegen der Bedingungen von Klima und Boden als ideale Anbauregion für Zuckerrüben. Auch in Soest gehören sie fest zum Erntekalender vieler Bauern und haben eine lange Anbautradition.
Der 54-jährige Schulze-Kettermann steht an einem späten Sonntagabend in einer knallgelben Jacke auf einem Feld in der Soester Börde. Am Rand des Feldes türmen sich bergeweise Zuckerrüben auf, soweit das Auge in der Dunkelheit reicht. Sein Job: Zwei Verlademaschinen - sogenannte "Mäuse" - und über 20 Lastwagen so zu lotsen, dass tonnenweise Zuckerrüben ihren Weg auf die Ladeflächen und anschließend in die Zuckerfabriken finden. Sein wichtigster Helfer ist ein Tablet, auf dem die Standorte und Wege der Maschinen und Lkw genau eingezeichnet sind.
Jeder Lastwagen muss zur "Maus", einem gigantischen gelben Gerät mit den Ausmaßen eines kleinen Ferienhauses. Stück für Stück arbeitet sich die "Maus" an den am Feldrand aufgeschichteten Zuckerrüben entlang und saugt sie förmlich ein. Über einen langen Arm mit Fließband transportiert sie die Rüben nach oben, um sie von dort auf die Ladefläche des Lkw fallen zu lassen. "Die Maus braucht dreieinhalb Minuten, um 27 Tonnen Zuckerrüben zu verladen", erklärt Schulze-Kettermann.
Ein Leben für die Zuckerrübe
Schulze-Kettermann ist in Welver im Kreis Soest Geschäftsführer der "Landwirtschaftlichen Maschinengemeinschaft der Zuckerrübenanbauer Hellweg eG", einer Genossenschaft von Landwirten. Mit Schreibtisch-Job hat seine Arbeit als Geschäftsführer aber wenig gemeinsam. Wenn Schulze-Kellermann nicht genug Fahrer für die Lastwagen findet, setzt er sich auch mal selbst hinters Steuer. Oder er steuert die "Maus". Oder den Rübenroder auf seinen eigenen Feldern.
Ein Fulltime-Job, besonders in der Erntezeit zwischen Anfang September und Ende November. "Sonntagsabends beginnen wir um 22 Uhr. Dann arbeiten wir die ganze Woche, sechs Tage, 24 Stunden am Stück. Bis Samstagabend 22 Uhr geht es durch." Und den Rest des Jahres? "Da plane ich den Start der Abfuhr oder der Ernte, die Fahrerakquise, Investitionen in die Technik."
Gerade die Technik macht bei der Zuckerrübenernte und -abfuhr Zeit und Geld aus. Früher waren die Rüben vom Feld noch so dreckig, dass die Rüben-Laster zur Hälfte mit Erde und Schmutz beladen waren. Das hat sich deutlich verändert. Heute sind es dank moderner Rodetechnik nur noch rund fünf Prozent, erklärt Schulze-Kettermann. "Das ist eine wirtschaftliche Sache. Wir wollen möglichst viel Rübe und möglichst wenig Erde fahren."
Regionale Rüben aus Westfalen
Von den Feldern in der Soester Börde haben es die Rüben-Laster nicht allzu weit. Die Lkw der Genossenschaft fahren drei Zuckerfabriken an. In Lage in Ostwestfalen, in Appeldorn am Niederrhein und in der Nähe von Kassel. Dort werden die Rüben, die etwa 20 Prozent Zucker enthalten, weiterverarbeitet.
Schulze-Kettermann ist stolz auf die verhältnismäßig kurzen Wege - auch wenn er und seine Fahrer mal länger auf der A44 im Stau stehen.
Für Schulze-Kettermann ist die Zuckerrübe die "Königin der Feldfrüchte". So kommen Königin und König auf den Feldern in Westfalen zusammen. Auch wenn sich der König selbst nicht als solcher sieht.
Über dieses Thema haben wir auch am 25.10.2023 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Südwestfalen, 19.30 Uhr.