00:28 Min. Verfügbar bis 15.02.2026

"Schöner als jedes Großraumbüro": Ein Mann im Wald

Städteregion Aachen | Landwirtschaft

Stand: 15.02.2024, 13:04 Uhr

Förster Andreas Wintraken ist mit einer Körpergröße von 2,08 Metern eigentlich ein Mann wie ein Baum. Wenn er aber in "seinem" Wald unterwegs ist, fühlt er sich ganz klein und demütig. Eine Reise durch ein bedrohtes Ökosystem.

Von Melanie Klüting

Es riecht nach feuchtem Laub, die Blätter rascheln, hier und da knackst es. Die Luft wirkt direkt wohltuend – hier im Aachener Waldgebiet, kurz vor der belgischen Grenze. Die Bäume sind zum Teil 270 Jahre alt. So alt, dass Kaiser Napoleon damals an diesen Bäumen vorbeigeritten ist. Das ist der Arbeitsplatz von Andreas Wintraken. Der 30-jährige Förster ist seit drei Jahren Revierleiter in Aachen bei Wald und Holz NRW.

Sein Gebiet umfasst 5.000 Hektar Waldfläche, bestehend aus unterschiedlichen Abschnitten mit unterschiedlichen Baumarten. Die stolzen, alten Eichen, von denen einzelne Kolosse viel Geld bei einer Wertholzversteigerung einbringen. Dazu Fichten und andere Nadelhölzer, aus denen im Sägewerk Spanplatten oder Ähnliches gemacht werden. Hier muss Wintraken kranke Bäume aussortieren, Platz und Licht schaffen für neue Bäume – ein perfektes Gleichgewicht herstellen.

Sein Ziel ist es, aus dem alten Fichtenbestand seines Vorgängers nach und nach Mischwald entstehen zu lassen. Dafür holt er sich auch Anregungen bei anderen Förstern.

Andreas Wintraken ist dabei, wenn ein Mischwald mit Pferden gesät wird

00:21 Min. Verfügbar bis 15.02.2026

Der Trend geht zum Mischwald

Fichten wachsen zwar schnell, sind also gut für den Holzverkauf, eignen sich aber nicht wirklich als Lebensraum. Außerdem sind Fichten nicht so robust wie andere Baumarten. Trockenheit und Stürme setzen ihnen zu und machen sie anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Deswegen sollen Buchen zwischen die Fichten gepflanzt werden – der ökologische Aspekt rückt in den Fokus.

Foto von einem Jungbaum im Wald mit einem Plastikschutz um den dünnen Stamm

Diese Wuchshüllen schützen die Jungbäume vor Wild

Der Wald in Gefahr

Nordrhein-Westfalen besteht zu rund einem Drittel aus Waldfläche. Das entspricht fast 935.000 Hektar. In den vergangenen fünf Jahren haben Witterungsextreme wie Stürme, Hitze und Trockenheit und in dessen Folge der starke Borkenkäferbefall die Wälder jedoch massiv angegriffen. Das geht aus dem letzten Waldzustandsbericht, vorgestellt im November 2023 vom NRW-Landwirtschaftsministerium, hervor. Demnach weisen nur 25 Prozent der Bäume keinen Verlust von Nadeln oder Blättern auf (Vorjahr: 28 Prozent). Die Folge: Über 140.000 Hektar Wald in NRW sind geschädigt. Grund dafür ist in großem Maße der Klimawandel.

Naturbusche durch und durch

Wintraken war schon immer naturverbunden. Nach seinem Auslandsjahr in Australien und verschiedenen Praktika war ihm klar, er studiert Forstwissenschaften und Waldökologie. Bis heute hat er die Entscheidung nicht bereut. Während er durch das Laub geht, erzählt er voller Stolz: "Wenn ich mir meinen Arbeitsplatz so angucke, ziehe ich das jedem Großraumbüro vor." Das Rauschen der Bäume klingt nach Zustimmung.

Eine Leidenschaft von Förster Andreas Wintraken: Schnitzen

00:28 Min. Verfügbar bis 15.02.2026

Doch Wintraken ist nicht allein im Wald unterwegs. An seiner Seite schnüffelt sich Bolle durchs Dickicht, ein Tiroler Bracke. Das Duo wird außerdem ein Jahr lang von Mona Friedrich begleitet. Die 24-Jährige hat ebenfalls Forstwirtschaft studiert und ist jetzt angehende Försterin. "Ursprünglich habe ich eine Ausbildung im Medienbereich gemacht, aber recht schnell festgestellt, dass es nicht so meins ist. Dann bin ich zum Forst gekommen. Ich bin einfach gerne draußen in der Natur!" Wie Wintraken hat auch Friedrich im Wald ihren Traumarbeitsplatz gefunden.

Eine Frau und ein Mann mit einem Hund auf dem Arm stehen im Wald und lachen in die Kamera

Mona Friedrich, Förster Andreas Wintraken und Welpe Bolle unterwegs im Wald

Die beiden sind sich ihrer Verantwortung bewusst: Sie müssen ein gefährdetes Ökosystem zukunftsfähig machen und den Wald als Lebensraum, Erholungsgebiet und Wirtschaftsfaktor erhalten. Ihre Entscheidungen sind dabei langfristig – es dauert im Schnitt etwa 120 Jahre, bis ein Baum erntereif ist. Bei dem Gedanken daran, dass seine Arbeit auch nach so langer Zeit noch Auswirkungen hat, wirkt der 2,08-Meter-Mann plötzlich sehr klein. Ob seine Entscheidungen immer richtig sind? Er blickt hoch zu den Bäumen. Und ihr Rauschen klingt auch hier nach Zustimmung.

Über dieses Thema haben wir unter anderem auch am 28.10.2023 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit am Samstag, 19.30 Uhr.