Salatpflanzen in einem Metallregal, unter künstlichem Licht

Kommt der Salat bald aus der Kläranlage?

Duisburg | Landwirtschaft

Stand: 22.05.2024, 11:30 Uhr

Wie und von was werden wir uns in Zukunft ernähren? Das sind Fragen, die sich Wissenschaftler in Zeiten von Klimawandel stellen. Bei der Emschergenossenschaft Dinslaken suchen sie nach einer Lösung - in der Kläranlage.

Von Christian Zimmer

Am Rande der schäumenden Abwasser-Klärbecken der Emschergenossenschaft in Dinslaken duftet es nach Basilikum. Der Geruch liegt in einem umfunktionierten Überseecontainer in der Luft. Darin auf wenigen Quadratmetern in Regalen gestapelt: Pflanzen unter Kunstlicht. Auch Süßkartoffeln, Mangold, Postelein- und Kopfsalat wachsen hier unter den kritischen Blicken von Forschern.  

Ein Mann steht vor einem Regal mit Salatpflänzchen

Dennis Blöhse züchtet in der Kläranlage Salat und Kräuter

Es ist der Versuch, Lebensmittel mit den Nährstoffen aus Abwasser anzubauen. Das ist die Aufgabe von Dennis Blöhse. Der Ingenieur forscht seit sechs Jahren an dem Projekt. Er ist Projektkoordinator bei der Emschergenossenschaft und arbeitet mit dem Fraunhofer Institut zusammen. Es ist eines von mehreren Projekten in Deutschland - alle mit dem Ziel, die Ernährung der Zukunft sicherzustellen. Blöhse erinnert sich noch gut an seine Zweifel, als er von dem ungewöhnlichen Projekt erfuhr, denn "ganz normal ist es wohl nicht, dass Pflanzen auf Nährstoffen aus einer Kläranlage wachsen". Inzwischen ist er überzeugt, dass es funktioniert: "Man wird keine Unterschiede feststellen, zu Produkten aus dem Supermarkt oder dem Biomarkt. Weder im Geruch noch im Geschmack."

Salat aus der Köttelbecke 

Genießbares aus Abwasser? Klingt ekelig. Besonders bei der Geschichte der Emscher als Abwasserkanal des Ruhrgebiets. In den 1960er Jahren hieß sie im Volksmund die "Köttelbecke", wegen der Dinge, die in ihr schwammen und wegen des Gestanks. Heute werden keine Fäkalien mehr eingeleitet, stattdessen landet das Abwasser des Ruhrgebiets in Klärwerken. Eines der größten ist das an der Emschermündung zwischen Dinslaken, Oberhausen und Duisburg

Die Wasserspeicher des Klärwerks an der Emschermündung

00:15 Min. Verfügbar bis 22.05.2026

In dem Forschungscontainer arbeitet auch Tarik Ismaie mit an dem Projekt. Der Biologiestudent von der Universität Osnabrück nimmt regelmäßig Proben und testet so die Belastung der Laborpflanzen. "Das Problem sind nicht die menschlichen Ausscheidungen, sondern Schwermetalle, Kadmium und Arsen. Bisher sind aber die Proben aller Kulturen unterhalb des Schwellenwerts. Man könnte die Pflanzen sogar essen." Das ist in der Projektphase allerdings verboten. Aktuell dürfen das Basilikum und die anderen Versuchspflanzen aus dem Container nur für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden. 

Nährstoffe aus Klärschlamm - Hoffnung für die Zukunft 

In Zukunft aber könnte dieser Anbau immer wichtiger werden. Projektkoordinator Blöhse sucht für die Emschergenossenschaft nach Lösungen für den Pflanzenanbau bei fortschreitendem Klimawandel. Durch ihn werde die Bewässerung und Düngung von Feldern immer schwieriger, sagt er. Schon heute leiden nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit mindestens einen Monat im Jahr unter starker Wasserknappheit. Bis 2050 könnte die Nachfrage nach Wasser um 55 Prozent steigen. Gleichzeitig verbraucht die Produktion von Düngemitteln für die Landwirtschaft nach Angaben des Umweltbundesamtes rund zwei Prozent des gesamten Energieverbrauches weltweit.

Was laut Tarik Ismaie in Zukunft noch kommen soll

00:17 Min. Verfügbar bis 22.05.2026

In seinem Dinslakener Containerlabor forscht Blöhse deshalb an Alternativen - für beide Probleme. Seine Experimente setzen darauf, dass das Abwasser nicht nur Schwermetalle, Antibiotika und andere Schadstoffe enthält, sondern auch wertvolle Nährstoffe. Diese will Blöhse nutzen, damit sie in Zukunft sinnvoll für den Pflanzenanbau eingesetzt werden können. Das ist das Ziel des Forschungsprojekts. 

Konkret bereitet die Emschergenossenschaft den Klärschlamm so auf, dass daraus ein schadstoffarmer und nährstoffreicher Flüssigdünger entsteht. In Blöhses Container werden damit Basilikum, Salat, Mangold und Süßkartoffeln gedüngt und ihre Qualität ständig wissenschaftlich überprüft. Seine Versuche werden noch einige Jahre laufen. Wie lange, ist noch nicht absehbar.  

Über dieses Thema haben wir auch am 15.02.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19:30 Uhr.