Eine Hand in der Hosentasche, die andere an der Computermaus, den Kopf leicht nach vorne gebeugt. Lenny Tertilt wirkt ganz entspannt. Auf einem Laptop erklärt er Karl-Heinz "Kalle" Suttrup gerade seine neueste Idee. "Wir können von hier mit dem Blech nach da hinten und uns dann da einen Anschlag reinsetzen", sagt er, während er mit dem Finger auf den Bildschirm zeigt. Es wirkt, als würde ein erfahrener Ingenieur einem Mitarbeiter erklären, was er als Nächstes tun soll.
Dabei ist Lenny gerade einmal 17 Jahre alt, geht noch zur Schule. Und Suttrup ist der Erfahrene. Er ist gelernter Landmaschinenschlosser und fast 50 Jahre älter. Zusammen bilden die beiden in Suttrups Werkstatt in Münster-Nienberge ein ungleiches, aber eingespieltes Team. Ihre Zusammenarbeit zeigen wir bei WDR Lokalzeit LandSchafft.
Kennengelernt haben sich die beiden per Zufall. Der rund 60 Jahre alte Trecker von Lennys Opa stand schon lange kaputt im Schuppen. Motorschaden. Der Opa dachte sich: Könnte Nachbar und Maschinenexperte Suttrup den nicht wieder in Gang bringen? Und könnte Enkel Lenny nicht vielleicht ein bisschen dabei helfen?
Er konnte. Und wie. "Er hat wirklich den Motor komplett alleine zusammengebaut, ich habe nur ab und zu mal ein Auge drauf geworfen", sagt Suttrup. Nach langer Schrauberei fährt der Trecker wieder. "Hat er super gemacht, der Lenny." Suttrup erkennt: Lenny könnte ihm sicher auch an anderer Stelle helfen. Der 64-Jährige nimmt ihn in sein Werkstatt-Team auf. Als Helfer und kreativen Kopf für besondere Aufträge.
Münster: Ein Team, das sich ergänzt
Neu sind Technik und Maschinen für Lenny nicht. Er besucht die Technischen Schulen in Steinfurt. Sie gehören zu den rund 360 Berufskollegs in NRW. Diese Schulform wurde Ende der 90er-Jahre im Land eingeführt. Sie verbindet Schule eng mit dem Beruf in den unterschiedlichsten Bereichen, von Agrarwirtschaft bis Verwaltung. Jeder fünfte Schüler in NRW besucht laut der Landesstatistiker ein Berufskolleg.
Dort hat Lenny unter anderem technisches Zeichnen gelernt. "Das hat mir viel Spaß gemacht", sagt er. Zu Hause am Computer hat er dann in seiner Freizeit weiter gezeichnet und an Konstruktionen getüftelt. Mittlerweile macht ihm da so schnell keiner was vor.
Die ideale Ergänzung für Suttrup. Der hat seine Entwürfe früher auf Pappe aufgezeichnet und ausgeschnitten. Jetzt ruft er Lenny an und bittet ihn, das am Computer zu machen. Das ist deutlich einfacher und genauer als früher. So wie beim Problem mit dem Gülleschlauch.
Suttrup hat ein riesiges Gestänge zum Ausbringen von Gülle auf dem Feld selbst gebaut. Gülle-Verschlauchung nennt er das System. An einer Stelle wurde der Gülleschlauch allerdings gequetscht, die Gülle konnte nicht richtig durchströmen. Ein Fall für Lenny: Er hat am Computer ein Drehgelenk aus mehreren Teilen ausgetüftelt. Das soll dafür sorgen, dass der Schlauch nicht mehr gequetscht wird.
Suttrup bestellt die Teile anhand von Lennys Plänen und los geht es: Wenn der 17-Jährige nachmittags von der Schule kommt, schrauben und schweißen die beiden. Manchmal bis spätabends. So lange, bis das neue Gelenk richtig am Gestell hängt und der Schlauch genug Platz hat. Mission erfüllt.
Eine Arbeit, die Hobby ist
Am Computer zocken, Fußball spielen, am Handy hängen. Das verbindet man oft mit 17-jährigen Jugendlichen. Doch Lenny tickt anders. Er verbringt seine Freizeit am liebsten in der Werkstatt.
Warum die Arbeit Lenny Tertilt keine Arbeit ist. 00:21 Min.. Verfügbar bis 12.03.2027.
Und es fühlt sich auch so an, als müsste sich Lenny um seine Zukunft keine Sorgen machen. "Ich kann nur staunen, was dieser Junge drauf hat. Der wird mal ein begnadeter Landmaschinenbauer", sagt Suttrup mit einer gehörigen Portion Anerkennung und Stolz. Lenny steht daneben und nimmt das lächelnd zur Kenntnis.
Maschinenbau will er später studieren und dann in einem großen Betrieb in der Konstruktion arbeiten. "Das ist ja fast dasselbe, was ich hier schon mache." Vorher hilft der 17-Jährige dem 64-Jährigen aber weiter bei seinen Projekten. Je kniffliger die Aufgabe, desto besser.
Über dieses Thema haben wir am 04.03.2025 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.