Auf 200 Quadratmetern durchs Mittelalter

Düsseldorf | Heimatliebe

Stand: 17.05.2023, 16:22 Uhr

Gothic-Liebhaber, Wikinger-Fans und Mittelalter-Anhänger gehören Subkulturen an, die oft unter sich bleiben. Doch ins "Unlicht" in Düsseldorf kommt sogar der Karnevalsprinz. Ein Besuch.

Von Mirjam Ratmann

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Totenkopf-Knöpfe, Armreif und Silberringe

Schwarze Lederboots sollen es sein. Solche, die über den Oberschenkel reichen und fast bis zum Knie zugeschnürt sind. Doch Norbert Braun aus Köln hat heute Abend kein Glück: Gerade sitzt er auf einer Holzbank vor dem samt-roten Umkleidevorhang und probiert das fünfte Paar. Der Karnevalsprinz Pascal Lohof aus Bochum läuft derweil wie nervös im "Unlicht" in Düsseldorf auf und ab, bleibt kurz bei den Taschen stehen, dann bei den Craftbieren. "Es ist so geil hier, eine richtige Spielwiese", sagt er, eine Bierflasche in der Hand.

Eine Spielwiese für Erwachsene ist das "Unlicht", da hat Lohof recht: Von mittelalterlichen Kostümen über Gothic-Accessoires bis hin zu Räucherware und Edelsteinschmuck ist im in der "Szene-Boutique" alles zu finden. Thomas Kastner ist der Inhaber des "Unlicht" - "Baujahr 1969", wie er selbst sagt. Er führt die "Düsseldorfer Szene-Boutique" im Stadtteil Bilk seit 2005. Zunächst zweieinhalb Jahre auf dem Fürstenwall, seit 2008 in der Friedrichstraße, südlich der Düsseldorfer Innenstadt. Damals, als Kastner das "Unlicht" gemeinsam mit zwei Freunden eröffnete, habe es so etwas in Düsseldorf nicht gegeben, sagt er. Bis heute hat sich das nicht geändert. Kastner hat einen schwarz-silbernen Zottelbart, trägt ein schwarzes Hemd, darüber eine schwarze Lederweste mit Totenkopf-Knöpfen, einen silbernen Armreif und Silberringe.

Lohof, der wiederum zum ersten Mal hier ist, hat Mitglieder seines Karnevalsvereins mitgebracht. Sie sind gekommen, um den "Erlkönig" zu sehen, einen Schneider, der auf fantastische und historische Gewänder spezialisiert ist. Einmal im Monat hält er im Büro des "Unlicht" eine Sprechstunde ab. Während die Karnevalisten zwischen schwarzen T-Shirts, neonbunten Nietengürteln und Korsagen darauf warten, dass der Erlkönig sie empfängt, probiert Norbert Braun sein sechstes Paar Schuhe an. Wieder nichts.

Rundgang durch das "Unlicht" 01:37 Min. Verfügbar bis 05.05.2025

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Was ist eigentlich Gothic?

Bunt geht es im "Unlicht" eigentlich aber nicht ganz so oft zu. Denn die Gothic-Szene, die Ende der 1990er Jahre aus der Punk- und New-Wave-Bewegung hervorging, hat eine Signalfarbe: schwarz. Neben dem Tod beschäftigen sich die sogenannten "Goths" mit alten heidnischen Kulturen und dem Spätmittelalter.

Und Mittelaltermärkte boomen bis heute. 2023 finden allein in Nordrhein-Westfalen rund 100 solcher Veranstaltungen statt. Zum Mittelalter-Festival "Amphi" in Köln kamen 2019 12.000 Menschen. Trotzdem mussten in den vergangenen Jahren viele Szene-Geschäfte schließen, weiß Kastner, der gerade neben dem Craftbier-Regal steht und mit seiner Faust auf das Holzregal klopft: "Uns geht es zum Glück noch gut." Er sagt aber auch: "Wenn wir nur eine Subkultur bedienen würden, würde es uns nicht mehr geben." Kastner hat das Konzept des Ladens weiterentwickelt.

Die Kundschaft des "Unlicht" ist über die Jahre diverser geworden. Daran hat sich die Boutique angepasst. Während der Laden zu Beginn noch Spiele, Bücher und CDs verkaufte, besteht die Hälfte des Angebotes inzwischen aus Alkohol. Auch die Esoterik-Ecke mit Räucherstäbchen, Kristallen und Tarot-Karten hat sich verdoppelt. Seit der kanadischen TV-Serie "Vikings" werden zudem mehr Äxte und Wikinger-Gewandungen gekauft. Früher kamen regelmäßig Jugendgruppen in den Laden. Es gab Spielabende oder Partys im "Unlicht", manchmal traten kleine Bands auf. Heute gibt es Tastings, zum Beispiel von Rum, Whiskey oder Honigwein. "Ich würde uns als ein Spezialitäten-Geschäft bezeichnen", sagt Kastner. Spezialitäten, die so im Mainstream angekommen zu sein scheinen, dass im "Unlicht", laut Kastners Aussage, neun von zehn Kundinnen und Kunden fündig werden.

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Zwischen Altbierschnaps und japanischen Schwertern

Da wäre etwa der "Mythos Asgard Schoko-Whisky Likör", der extra für das "Unlicht" hergestellt wird. Oder der "Düsseldorfer Dükör", ein Likör aus verschiedenen Altbiersorten. Drei Stufen höher führt ein 40 Meter langer Spalier aus schottischen und irischen Whiskeys auf der einen und Raucherstäbchen, Silberanhängern, Kristallen und Mittelalter-Gewändern auf der anderen Seite, tiefer in die Szene-Boutique hinein. Am Ende des Ganges, auf einer kleinen Holzempore, stecken sie in Halftern oder hängen auf Haken an der Wand: Schwerter aus Holz oder Kunststoff, mit kupfernen oder goldenen Griffen. Daneben hängen grün-karierte Schottenröcke.

"Gerade diese Mischung macht uns aus", sagt Kastner, "Wo findet man sonst noch echte Katana-Schwerter oder keltischen Schmuck?" Seit sieben Jahren führt er den Laden nun alleine, unterstützt wird er von drei Angestellten. Damals habe man ihm gesagt, alleine könnte er das nicht schaffen. In diesem Jahr feiert das "Unlicht" 18. Jubiläum. Als Kastner mit 15 Jahren begann, Musik von der Gothic-Rockband "Sisters of Mercy" und der Mittelalter-Rockband "In Extremo" zu hören, dachte er noch nicht daran, dass er sein Hobby einmal zum Beruf machen würde. Während seines Lehramtsstudiums, Geschichte und Erkunde, ging er auf seine ersten Mittelaltermärkte. "Musik war früh ein Faible für mich – aber Gothic- und Mittelaltermusik gab es in Clubs ja nicht, dafür musste man auf die Mittelaltermärkte gehen."

Was liebt Inhaber Thomas Kastner an seiner Arbeit? 00:18 Min. Verfügbar bis 05.05.2025

Kurz vor Ladenschluss um 19 Uhr kommt auch Norbert Braun aus der Gothic-Abteilung nach vorne zur Kasse. Er hat passende Schuhe gefunden. "Jetzt bist du für die nächste Party ausgerüstet", sagt seine Begleiterin, die, ebenso wie Braun, komplett in schwarz gekleidet ist. Die Karnevalisten sind derweil noch beim Erlkönig beschäftigt. Thomas Kastner passt das gar nicht, denn eigentlich will er heute rechtzeitig Feierabend machen. Nachher soll es noch zu einer Szene-Party gehen. Zuhause träger er seine Gothic-Kluft übrigens nicht. Bei zwei langhaarigen Maine-Coon-Katzen sei es schließlich keine gute Idee, schwarz zu tragen.