Wenn Jolina Schneider bei ihren Kunden klingelt, kommen die meistens mit einem Lächeln an die Tür. So wie diesmal Christel Parschau. Bei der 82-Jährigen hat schon der Großvater von Schneider den Kamin gekehrt. "Ich finde das toll. Das ist eine hübsche, junge Frau. Ich habe da Vertrauen. Ich würde sagen: Tritt ein, bring Glück herein", sagt Parschau mit einem gutmütigen Lächeln im Gesicht. Diesmal muss Schneider den Kamin auf dem Dach kehren. Als Schornsteinfegerin im dritten Lehrjahr gehört das zu den Aufgaben, die sie alleine abarbeitet.
Windeck: Warum eine Schornsteinfegerin noch immer eine Seltenheit ist
Die 20-Jährige wickelt sich die Kehrleine mit Stahlkugel wie ein Lasso um die rechte Schulter und klettert die riesige Leiter hoch. Auf dem Dach hat sie einen Ausblick über die ganze Gemeinde Windeck im Rhein-Sieg-Kreis. Die 20-Jährige lässt die Kehrleine immer wieder in den Kamin gleiten und zieht sie wieder hoch. Die Borsten daran lösen den Ruß und reinigen den Kamin. Das verhindert einen sogenannten Kaminbrand.
Rund 1500 Schornsteinfegerbetriebe sind in NRW im Landesfachverband organisiert. So wie viele Handwerke plagen auch sie Nachwuchssorgen. Jolina Schneider ist nicht nur deswegen eine Besonderheit im Land. Sie ist auch eine der wenigen Frauen in der Branche. Laut Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks sind nur etwa 10 Prozent in dem Beruf Frauen. Die Tendenz steigt allerdings.
- Noch mehr Familientradition? Gibt's hier: "Mit Laib und Seele: Wie drei Geschwister eine Bäckerei übernehmen"
Für die junge Auszubildende hat die positive Verbindung der Menschen zu ihrem Beruf eine ganz besondere Bedeutung. "Ich freue mich natürlich, dass meine Kunden mich als Glücksbringerin empfinden." Der Mythos, dass Schornsteinfeger Glück bringen, stammt laut Bundesverband aus dem Mittelalter. Als die Häuser noch aus Holz bestanden, waren Schornsteinbrände besonders gefährlich. Indem der Schornsteinfeger den Kamin reinigte und damit sicherer machte, brachte er Glück.
Schonsteinfeger-Auszubildende führt Familientradition fort
Zum Kehrbezirk, in dem die 20-Jährige arbeitet, gehören 3100 Häuser der Gemeinde Windeck. Hier fing schon ihr Opa vor etwa 30 Jahren als Schornsteinfeger an. Ihr Vater übernahm den Bezirk. Bei ihm macht die 20-Jährige nun ihre dreijährige Lehre.
Zu Besuch bei Familie Vogel. Einmal im Jahr muss hier die Gasheizung geprüft werden. Bei solchen Aufgaben ist Schneiders Vater Jochen als Ausbilder immer mit dabei. Das Vater-Tochter-Duo misst, wertet Heizdaten aus, schätzt Gefahren ein, um frühzeitig vorzubeugen. Zur Arbeit mit der eigenen Tochter sagt Jochen Schneider: "Das ist natürlich spannend zu begleiten und schön, dass junge Menschen da noch Spaß dran haben. Und wenn es dann die eigene Tochter ist, ist das besonders schön und macht stolz."
Die Schneiders haben die Familie Vogel zu ihrem neuen Ofen beraten, der jetzt eine Abnahme braucht. Für viele Schornsteinfeger gehört die Energieberatung mittlerweile zum Beruf dazu. Wenn alles in Ordnung ist, kann Jochen Schneider den Ofen freigeben. Seine Tochter darf das erst, wenn sie nach ihrer Lehre noch ihre Meisterprüfung ablegt. Genau das ist aktuell ihr Plan. Die Auszubildende will als Schornsteinfeger-Meisterin die Familientradition weiterführen und in Windeck irgendwann einmal den Kehrbezirk ihres Vaters übernehmen.
Über das Thema haben wir am 07.11.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.