Bahnhof Vlotho: Wie ein "Lost Place" zum Schmuckstück wurde
Stand: 22.09.2024, 14:37 Uhr
Mehr als 30 Jahre lang kümmert sich fast niemand um den Bahnhof in Vlotho. Der einst prächtige rote Backsteinbau zerfällt nach und nach. Buchstäblich in letzter Minute findet sich ein Investor. Er hat aus dem "Lost Place" wieder ein Glanzstück gemacht.
Von Annika Krooß
Scheiben sind zerbrochen, die Fassade mit Unkraut bedeckt und im Dach klaffen große Löcher. Vor dem Gebäude liegen herausgebrochene Fenster. Über Jahre gab der Bahnhof in Vlotho ein erbärmliches Bild ab. Kaum jemand hatte Hoffnung, dass hier noch einmal Leben einziehen würde.
Der Bahnhof liegt am Stadtrand von Vlotho, zwischen einer Bundesstraße und dem westlichen Weserufer. Seit seiner Privatisierung im Jahr 1992 stand die Empfangshalle leer, war nur notdürftig durch einen Bauzaun gesichert. Züge fahren vom Bahnsteig dahinter ab. Das Gebäude wurde zu einer der unzähligen Ruinen in NRW, die durch ihren Verfall nur noch sogenannte "Lost Places"-Jäger anziehen. Die Stadt Vlotho fand zwar einen Käufer, doch der ließ den Bahnhof weiter verfallen. Dass das Gebäude damals nicht abgerissen wurde, ist vor allem dem Verein "Bürgerbahnhof Vlotho" zu verdanken.
Archivmaterial: so sah der Bahnhof Vlotho als Ruine aus
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Dann kam das Familienunternehmen "Karlchen’s Backstube" und kaufte das Gebäude vor vier Jahren. Heute ist der Bahnhof nicht mehr wiederzuerkennen. Für den 54-jährigen Geschäftsführer Karsten Krüger war es ein Herzensprojekt, der ehemaligen Ruine wieder Leben einzuhauchen.
Karsten Krüger über die Entscheidung, den Bahnhof in Vlotho zu sanieren
00:20 Min.. Verfügbar bis 22.09.2026.
Inzwischen ist der Bahnhof wieder ein Schmuckstück, von außen und von innen. Im Eingangsbereich duftet es nach Kaffee und frischen Brötchen. Nach Kauf und Umbau hat das Unternehmen dort im vergangenen Jahr eine Bäckerei mit Café eröffnet.
Bahnhof Vlotho: Mammutaufgabe für neuen Besitzer
Bei der Sanierung musste das Gebäude vollständig entkernt werden, rund 150 XL-Bauschuttmulden mit jahrzehntealtem Schutt kamen zusammen.
Um dem Denkmalstatus und dem Wiederaufbau zu gedenken, wurde im Bahnhof eine Tafel angebracht
Beim Wiederaufbau wurde alles so original wie möglich wieder hergestellt. Vor allem die Fassade des denkmalgeschützten Bahnhofs: Der rote Backsteinbau prägt das Stadtbild von Vlotho seit Jahrzehnten. Ein Mitarbeiter des Bautrupps war vier Monate lang mit der Fassade beschäftigt. 20 Kilometer Fugen kratzte er heraus und verfugte sie anschließend von Hand wieder neu.
Neue Technik in historischem Ambiente
Mehr als 100 Fenster in verschiedenen Größen sind im Gebäude verbaut, Einzelanfertigungen, entsprechend der zum Teil strengen Vorgaben zum Denkmalschutz. Die gemauerten Scheidbögen im Erdgeschoss und im Keller wurden erhalten, die noch originalen grauen Fliesen an den Säulen im Eingangsbereich ebenfalls. Für die Betrachter nicht zu sehen, sind die neuen Dämmungen in Wänden und Böden, die große Photovoltaikanlage auf dem Dach sowie eine Wärmepumpe im Keller. Graffiti im Wartesaal wurden entfernt. Als Hommage an diese vielen Kunstwerke entstand das überlebensgroße Bild einer jungen Frau in gelbem Kleid, mit vielen Blumen auf dem Kopf. "Das ist auf die Wand gesprüht, wie ein richtiges Graffiti. Es gibt diesem Raum eine unglaubliche Ausstrahlung", erklärt Geschäftsführer Karsten Krüger.
Drei Jahre dauerte der Umbau. Jetzt ist der Bahnhof wieder ein Treffpunkt. In der ehemaligen Wartehalle und den Lagerräumen gibt es kleine gemütliche Sitzecken zum Kaffeetrinken und Verweilen. Die Gäste wissen das zu schätzen. Viele Vlothoer verbinden eine ganz eigene Geschichte mit dem Bahnhofsgebäude. Sei es die erste Zugfahrt mit den Großeltern, die wilde Nacht in der Bahnhofskneipe oder eine Hochzeitsfeier. "Es gab viele Menschen, die mit Tränen in den Augen vor mir standen und sich bedankt haben", sagt Krüger. Auch Jan Knoop, Sprecher des Vereins "Bürgerbahnhof Vlotho", ist vom neuen Look des historischen Gebäudes begeistert.
Wie zufrieden ist Jan Knoop mit dem Ergebnis des Wiederaufbaus?
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Nächstes Jahr feiert das Gebäude runden Geburtstag: 150 Jahre. Ein kleines Vorab-Geschenk hat es schon jetzt bekommen. Das ehemalige Empfangsgebäude in Vlotho wurde vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe zum "Denkmal des Monats Juli" gekürt.
Über dieses Thema haben wir auch am 31.07.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bielefeld, 19.30 Uhr.